The Trouble with Being Born der Titel des Films, wirft gleich auch eine Fragestellung auf. Welcher Zoff mit unserer Existenz liegt denn diesem, Ihrem
zweiten Langfilm, bzw. Ihrem Filmemachen ganz allgemein zugrunde?
SANDRA WOLLNER: Zoff ist gut. Das nimmt dem ein bisschen die Tragik. Wir leben in einer Welt, die in ihren Bedeutungen relativ strukturiert und geordnet erscheint, aber doch habe ich das Gefühl, dass man das Chaos dahinter spüren kann. Man kann sozusagen spüren, wie fragil diese Realität ist. Vielleicht kann ich es mit einem Beispiel anschaulich machen. Wenn ich das Wort „Marille“ fünfhundert Mal wiederhole, dann verliert es seine Bedeutung. Es gibt einen kurzen Moment, in dem man die Orientierung verliert und alles in ein vorsprachliches Chaos zerfällt. Dieses Gefühl wollte ich in diesem Film behandeln, von diesem Gefühl sind die Menschen in diesem Film geprägt. Der vage Verdacht, dass diese Welt in ihrem Kern alles andere als geordnet ist, vielleicht nur in unserer Wahrnehmung so erscheint.
Androide Roboter nehmen langsam einen Platz in der menschlichen Existenz ein, auch wenn ein Roboter wie der in The Trouble with Being Born noch Zukunftsmusik ist. Sie werden konzipiert, um zu helfen, Gesellschaft zu leisten, sexuelle Phantasien zu erfüllen. Oder in einer zweiten Zukunftsvision verlängern sie die Existenz, machen unsterblich, indem der Geist eines Menschen in einem Roboter weiterlebt. War der androide Roboter per se der zentrale Topos, der den Anstoß zum Schreiben geliefert hat.
SANDRA WOLLNER: Die Idee, einen Film über einen kindlichen Androiden zu machen, kam ursprünglich von Roderick Warich, mit dem ich auch das Drehbuch geschrieben habe. Ich hatte zunächst an einer anderen Geschichte gearbeitet, in der es um ein Mädchen ging, das den letzten Sommer ihrer Kindheit erlebt. Dieses Mädchen bekam immer mehr das Gefühl, die Welt nicht so zu sehen, wie sie ist. Sie hatte den Wunsch, sich von ihrem eigenen Blick, einem menschlichen Blick im Allgemeinen zu lösen. Der Wunsch, die Welt zu sehen wie sie ist, ohne sie zu werten und stattdessen einfach nur zu sein. Im Grunde wie ein Gegenstand. Wenn ich jetzt rückblickend den Entstehungsprozess von The Trouble with Being Bornbetrachte, dann wird klar, dass ich deswegen auf die Idee so angesprungen bin: weil das Robotermädchen das Gefäß darstellte, das ich vorher schon gesucht habe.
Wie sehr ging es Ihnen in diesem Film auch darum, von der Isolation des Individuums zu erzählen?
SANDRA WOLLNER: Es ging mir um die Virtualität der eigentlichen Realität, d.h. um die Strukturen, die unsere Realität ordnen. Inwiefern unterhalten wir uns immer nur mit der Persona eines anderen, inwieweit können wir wirklich aus uns heraustreten und die Welt als solche tatsächlich sehen? Oder eben nur den Schein dieser Welt. Das ist eine wesentliche Frage, die mich umtreibt: wie virtuell ist unsere eigentliche Realität. Die Menschen in diesem Film wünschen sich ein echtes Gegenüber, blicken aber eigentlich nur in einen Spiegel. Daher bleibt jedes Gespräch mit diesem Roboter erstmal ein Monolog, der sie auf ihre eigene Isolation, ihre eigene Virtualität zurückwirft. Unsere menschliche Erfahrung zeichnet sich ja durch ein Selbst aus, eine Erkenntnis, die uns überhaupt erst zu einem denkenden Wesen macht. Durch dieses Selbst grenzen wir uns ja auch teils bewusst von der Welt ab. Das heißt, im Grunde kämpfen wir immer gegen diese Isolation an. Zuallererst ist also jedes Gespräch vielleicht eine Art Selbstgespräch.
Schon in Ihrem ersten Film Das unmögliche Bild spielten Verlust und Vergehen, das Entschwinden und Erinnern sowie der Wunsch
nach dem Festhalten eine wesentliche Rolle. Sehen Sie The Trouble with Being Born als fiktionales Narrativ oder vielmehr als einen sinnlichen (im Sinne von auf verschiedenen Wahrnehmungen spielenden) Essay
über Verlust, Erinnerung, Sehnsucht und Wunsch/Begehren. Lässt sich Ihr Filmschaffen gut an dieser Schnittstelle verorten?
SANDRA WOLLNER: Ich habe das Gefühl, an dieser Schnittstelle Erzählmustern und subjektiver Betrachtungsweise ist das Kino verortet, das mich momentan interessiert. Mir scheint, dass sich das Gros der Gegenwartskunst, abgesehen von Film und Literatur, nicht diesen narrativen Zwängen unterwirft, ja sie vielleicht sogar bewusst ablehnt. Das prägt auch mein Arbeiten. In meinem künstlerischen Umfeld bemerke ich, dass es einen großen Wunsch gibt, diese Phänomene zu vereinen, eine Art metaphysischen Film zu machen, der aber eben auch eine Geschichte erzählt. Der Erzählwunsch und die radikal subjektive Bearbeitung einer Frage sind dabei gleichwertig. Es geht eben nicht um das „Kill your darlings“-Prinzip. Im Gegenteil: es ist eher der Versuch, einer klaren Definition dieser „Darlings“ und einem radikalen Festhalten daran. In meinem Fall sind das Bilder, die vielleicht aus einem vorsprachlichen Bewusstsein kommen, nicht unbedingt ein konkretes Thema, sondern ein Gefühl oder eine Haltung zur Welt.
Sind das Bild bzw. das Medium Film eher Mittel für Sie, mit dieser vorsprachlichen Ebene in Berührung zu kommen?
SANDRA WOLLNER: Das ist ein Aspekt des Kinos, der mich interessiert, ja. Die Rückkehr zu einem Vorbewusstsein, Kino als Traum. Ein Kino, in dem auch Leerstellen möglich sind und dunkle Echos und Narrationen die sich auflösen, eben wie im Traum. In diesem Fall ein sehr merkwürdiger.
Der Einstieg in den Film ist vollkommen atmosphärisch, in erster Linie über den Sound, aber auch über das Einführen einer unsichtbaren Instanz, die Unbehagen erzeugt. Wie sehr wollten Sie in Ihrem essayistischen Erzählen auch das Genrekino (Thriller, Sci-Fi) zumindest streifen?
SANDRA WOLLNER: Das Genrekino ist ja genau genommen auch ein Versuch, dieses Vorbewusstsein, ein gewisses Unbehagen gegenüber der Welt zum Ausdruck zu bringen. Es ist vielleicht sogar die prägnanteste Form dafür. Üblicherweise ist dieses Unbehagen im Genrekino wie auch im Märchen etwas Bewältigbares, ein Böses, das man bekämpfen kann. Mich hat es aber interessiert, das Unbewältigbare darzustellen. Ich fand es reizvoll, mit den Aspekten eines vermeintlichen Thriller/Horror-Genres und einer spezifischen Narration zu spielen und sie dann aufzubrechen. Weil das Unbehagen, das die Menschen in diesem Film spüren, eben nicht so einfach bekämpfbar ist. Es ist vage, sie fühlen es, aber können es nicht verorten. Sie wissen im Grunde nicht, ob es aus ihnen selbst oder aus der Welt kommt.
Wie sehr ging es Ihnen auch darum, eine Zukunftsvision an der Gegenwart zu reiben?
SANDRA WOLLNER: Es war mir von Anfang an wichtig, den Film nicht in einem Sci-Fi-Setting zu verorten, da die Fragen, mit denen sich der Film auseinandersetzt, im Grunde nicht auf irgendeine ferne Zukunft verweisen, sondern schon längst in unserer alltäglichen Gegenwart verankert sind. Ich glaube, dass der Begriff des Märchens auf diesen Film ganz gut zutrifft. Kubricks Idee zu A.I. beispielsweise beruht ja im Grunde auf Pinocchio, und der Film erzählt die Geschichte einer Menschwerdung. Ich wollte eigentlich genau das Gegenteil machen und trotzdem sind auch die Themen und Figuren in meinem Film archetypisch. Die Menschen darin bleiben in gewisser Weise Hüllen und werden nie ganz echt. Nur durch den Androiden, der als Container für ihre Erinnerungen und Vorstellungen dient, bekommen sie eine klarere Zeichnung. Auch der Roboter selbst ist ja mehr die Idee eines Roboters als das Abbild einer technischen Realität.
In der Mitte des Films kommt es zu einem Wendepunkt, der uns die ersten beiden Protagonist*innen aus den Augen verlieren lässt. Geht es Ihnen darum, auch auf einer formalen Ebene das Motiv des Verlusts nachzuvollziehen oder auch darum, mit erzählerischen Konventionen zu brechen.
SANDRA WOLLNER: Auf jeden Fall. Ich wollte einen sehr menschlichen Androiden zeigen, der erstmal nur in manchen Momenten darauf verweist, dass es sich eigentlich um eine Maschine handelt. Dadurch betrachten wir das Wesen und kommen nicht umhin, es zu vermenschlichen. Erst durch den Verlust der Figuren und das Abhandenkommen der Narration ist es mir daher überhaupt möglich, auf eine nicht menschliche Perspektive zu verweisen. Als Betrachter*innen des Films wollen wir die Narration beendet wissen, wir wollen wissen, wie es weitergeht. Da es aber nur eine Programmierung in diesem Robotermädchen ist, ist es ihr völlig egal, was passiert. Sie misst sozusagen dem Inhalt und ihrem Schicksal keinerlei Bedeutung bei. Die eine Programmierung wird gelöscht und etwas anderes geht weiter. Das fand ich formal spannend.
Bringt nicht die Geschichte von Emil auch die Frage in den Raum, was tatsächlich vom Roboter getan wird und was nur eine Projektion ist?
SANDRA WOLLNER: Im Grunde ist es mehr ein Film über Geister als über eine künstliche Intelligenz. Die Geister, die wir vielleicht immer gewesen sind. In dem Moment, in dem wir unsere Erinnerungen und Vorstellungen auf ein anderes Medium übertragen, übertragen wir ja auch ein Stück weit uns selbst. Das wird uns vielleicht erst richtig durch Emil bewusst – eine Person, die schon lange tot ist, aber aus alten Fotos und halberinnerten Anekdoten im Roboter wiederaufersteht.
Verunsicherung und Ambivalenz sind bestimmende erzählerische Momente. Verstörend ist in der ersten Hälfte von The Trouble with Being Born die Ambiguität der Vaterfigur, wo Trauer und Verlust über das Verschwinden der Tochter und sexuelles Begehren ihr (einem minderjährigen Mädchen) gegenüber ineinandergreifen. Man kann es auch so betrachten, dass er in ein und denselben Roboter, die Erinnerung an seine Tochter und seine, von ihr losgelösten sexuellen Wünsche programmieren kann. Die Ambivalenz bleibt. Warum spielen Sie mit ihr?
SANDRA WOLLNER: Erstmal ist es ja im Prinzip wie in Vertigo: ein Mann versucht, das Objekt seiner Sehnsucht in die Realität zurückzuholen – was ja in sich schon ein Topos ist, der problematisch ist. In The Trouble with Being Born hat ein Mann das bereits bewältigt, er hat sein Sehnsuchtsobjekt bereits in die Realität zurückgeholt und sie ganz nach seinem Wunsch geformt. Seine Sehnsucht ist einerseits eine zumutbare Sehnsucht, die durch den Verlust und die Trauer um eine reale Person bestimmt ist, und andererseits eine unzumutbare – vielleicht mehr eine Dynamik als Sehnsucht, nämlich das Ausleben seiner sexuellen Fantasien. Mich hat interessiert, dass beides gleichzeitig existiert und in diesem virtuellen Wesen auch gleichzeitig ausgelebt werden kann. Das Bizarre dabei ist, dass es diesem Wesen nichts ausmacht – es sagt sogar, dass es ihm gefällt, weil es darauf programmiert wurde. Für uns ist das nicht aushaltbar, aber diesem Roboter ist es völlig gleichgültig. Mich persönlich erschreckt das unfassbar, es beleidigt mich. Aber dieser Materie ist es egal. Das ist für uns natürlich eine Provokation. Eine Herausforderung, die uns ja im Grunde erst auf unser Menschsein zurückwirft. In einer zunehmend virtuellen Welt wird alles, was vorstellbar ist, irgendwann auch erfahrbar sein. Das heißt, all unsere Sehnsüchte und auch Abgründe, die es im menschlichen Gedankenraum immer gegeben hat, die aber vorher nur im Geheimen stattgefunden haben, werden auf eine Weise „sichtbarer“. Das Innen des virtuellen Gedankenraums und das Außen unserer Realität nähern sich einander an. Es kommt zu einer Entgrenzung. Diesem Phänomen wollte ich nachgehen und habe mich deshalb für dieses Bild entschieden.
Die beiden Teile des Films sind bestimmt von zwei ProtagonistInnen verschiedener Generationen, dargestellt von Domink Warta und Ingrid Burkhard, deren unterschiedliche (sehr individuell geprägte) Welten sehr stark durch die Architektur/Topografie der Orte bestimmt ist. Und somit auch ihr Umgang mit Trauer und Verlust. Wie würden Sie die beiden Welten beschreiben, wie haben Sie zu diesen beiden Polen gefunden, die nur in der Austauschbarkeit von Shopping Malls eine gemeinsame Schnittfläche finden.
SANDRA WOLLNER: Der Mann lebt in einer abgeschiedenen 60er-Jahre Villa, umgeben von Wäldern. Er hat sich zurückgezogen von der Welt. Er kann es sich leisten. Die ältere Frau, auf die wir später im Film treffen, lebt in einem gängigen Wiener Gemeindebau. Auch sie lebt zurückgezogen, aber ihre Umgebung ist bedeutend unwirtlicher und menschenfeindlicher. In ihrer Wohnung hängen zahlreiche Bilder, Erinnerungsstützen an ihre Lieben und ihr Leben. Er hingegen benötigt keine Fotos, er hat seine personifizierte Erinnerung ja bereits zu Hause. Ihren Welten sind völlig unterschiedlich. Aber beide sind innerlich zerrissen. Beide verlieren sich in ihren Erinnerungen und verirren sich gleichzeitig immer mehr in ihren echten Welten. Während sie orientierungslos an der Autobahn entlangtaumelt, verrennt er sich immer mehr im Dickicht des ihn umgebenden Waldes.
Der Ansatz, eine Geschichte mit einem androiden Roboter zu erzählen, bedeutet eine technische Herausforderung in der Produktion. Was gibt es zur Genese und Umsetzung auf technischer Seite zu erzählen?
SANDRA WOLLNER: Sehr lange bin ich davon ausgegangen, dass Jana McKinnon, mit der ich ja schon in meinem ersten Film zusammengearbeitet habe, das Robotermädchen spielen würde. Jana ist wirklich eine fantastische Schauspielerin und die Vorarbeit und Gespräche mit ihr waren essentiell für diesen Film. Aber ich habe schlichtweg gemerkt, dass ich für diesen Stoff wirklich mit einem deutlich jüngeren Mädchen arbeiten muss. Ich hatte diesen Gedanken eigentlich von Anfang an, aber im Grunde hatte ich wohl einfach Angst davor, dieses Bild wirklich umzusetzen. Kann man das überhaupt machen? Darf man das? Das hat eine Weile gedauert, bis ich das für mich bejahen konnte. Ich habe das lange und gründlich mit meinem Co-Autor Roderick Warich und meinen ProduzentInnen durchexerziert. In Lena Watson haben wir dann unsere Darstellerin gefunden, die in die Rolle des Androiden geschlüpft ist. Das war natürlich keine einfache Aufgabe, und das war alles nur möglich durch die unglaubliche Unterstützung ihrer Eltern, mit denen wir viele ehrliche und gründliche Gespräche geführt und die jeden Schritt des Drehs mitbegleitet haben. Durch die Silikonmasken, die Gaby Grünwald und ihr Team gefertigt haben, ist Lenas Gesicht in der Tat völlig unkenntlich und ihre eigentliche Identität bleibt damit weitestgehend geschützt. Nur durch das große gegenseitige Vertrauen war das alles überhaupt erst möglich. Vor allem von Seiten meiner ProduzentInnen brauchte es eine gewisse Risikobereitschaft und vor allem Mut, gemeinsam diesen Weg zu gehen. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.
Die Arbeit vor der Kamera war wohl eher eine choreografische Arbeit, Stimme und Sprache konnte man ja im Nachhinein regulieren.
SANDRA WOLLNER: Nein, es war keine rein choreografische Arbeit. Lena musste sich am Set ja in jede Emotion hineinversetzen. Sie hat absolut die Arbeit einer Schauspielerin vollbracht und damit überhaupt erst eine Grundlage für die Synchronarbeit gelegt. Ohne ihr Talent wäre das in dieser Form nicht möglich gewesen. Durch die Silikonmaske, wie wir sie benötigt hatten, war aber ihre Sprache leicht eingeschränkt – daher gab es von Anfang an die Idee, sie zu synchronisieren. Mir hat das wiederum eine gewisse Freiheit eingeräumt, vor allem im Umgang mit den zwei verschiedenen Stimmen des Roboters.
Das Sounddesign stammt von Peter Kutin. Welche Ideen haben die Zusammenarbeit mit ihm bestimmt? Welche Herausforderungen stellte die stimmliche Ebene von Ellis und das Hin- und Hergleiten zwischen On und Off?
SANDRA WOLLNER: Wir kennen uns schon eine Weile und ich kann in Peters Arbeiten das Metaphysische, das ich suche, finden. Das Hauptmotiv war, das Unbehagen, von dem wir jetzt ja schon mehrmals gesprochen haben, spürbar zu machen. Das Brodeln, das Flirren, das hinter dieser Welt steckt, konnte in diesem Film eigentlich erst durch den Ton sichtbar werden. Da kann man noch so lange in einen Wald hineinfilmen, von selber kommt es nicht zum Vorschein. Wir haben also einerseits diese „constant noise“-Ebene und brechen die mit einigen fast disneyartigen musikalischen Elementen, die im Film vorkommen, die sein Kollege und Musiker David Schweighart komponiert hat. Ein anderer Aspekt in unseren Überlegungen war natürlich die Sprache und der Klang des Roboters an sich. Wie künstlich bzw. natürlich soll die Stimme klingen? Macht der Roboter einen Sound? Das waren Schnittstellen, über die wir noch vor dem Dreh lange diskutiert haben. Am Ende habe ich mich dazu entschieden, zwar ihren Bewegungen ein kleines Geräusch zu geben, die Stimme des Roboters aber bis auf ein paar gezielte Momente völlig menschlich klingen zu lassen. Im Zeitalter von Deep Fake war das eigentlich auch naheliegend. Wie gesagt, die Zukunftsvision ist im Grunde keine. Hätten wir den Film in drei Jahren gemacht, wäre es wohl auch für das Budget, in dem wir uns bewegt haben, möglich, einfach irgendein Gesicht auf eine Darstellerin zu projizieren und eine fiktive, aber völlig natürlich klingende Stimme zu generieren. The Trouble with Being Bornist daher eher ein anachronistischer Blick auf die Gegenwart, ein leiser Abschied vom Menschen wie wir ihn kennen, der schon lang im Gange ist.
Bewegt sich THE TROUBLE WITH BEING BORN und Ihr Filmschaffen im Weiteren betrachtet im Spannungsfeld, zwischen dem, was uns unhaltbar entgleitet und nicht festzuhalten ist und dem, was uns ein Leben lang nicht loslässt und unser ganzes Leben bestimmt?
SANDRA WOLLNER: Die Überlagerung von Erinnerungen und Vorstellungen ist ein Thema, das mich schon in meinem letzten Film begleitet hat – Erinnerung als das sinn- und identitätsstiftende Narrativ, ohne das wir im bedeutungslosen Chaos versinken würden. Erinnerung als Programmierung, Narration als die Grundlage unseres menschlichen Daseins. Alles hat einen Anfang und ein Ende – der Mythos der Selbst-Werdung, der ja auch das Kino dominiert. Demgegenüber steht die prinzipielle Unendlichkeit einer maschinellen Existenz, mit ihrer nicht gleich zu erfassenden Narration. Das finde ich faszinierend.
Interview: Karin Schiefer
Jänner 2020