INTERVIEW

Karl Markovics über DIE FÄLSCHER

 

«Die Figur des Sorowitsch ist sehr ambivalent, nach außen hin sehr berechnend, eher kühl und distanziert, oder sagen wir unverbindlich im Umgang mit Menschen. Ein Einzelgänger in seinem innersten Wesen, nach außen hin pflegt er natürlich schon Umgang mit Menschen, aber natürlich nur bis zu einem gewissen Grad, nur bis zur Außenseite der Innenseite. Was tiefer geht, lässt er nicht zu, auch nicht vor sich selbst.» Karl Markovics, Protagonist in Die Fälscher über seine bisher größte Kinoarbeit.

 

Stefan Ruzowitzkys Regie- und Kamerakonzept hat vorgesehen, dass sie in jedem Bild des Films zu sehen sind. Was bedeutet es, eine so große Rolle zu spielen?

KARL MARKOVICS: Es ist letztendlich das, was man sich immer wünscht – eine Figur zu spielen, aus deren ausschließlicher Perspektive der Zuschauer die Geschichte erlebt. Jede Figur ist interessant, aber die großen Herausforderungen sind eben die Figuren, wo man weiß, die trägt die Geschichte. Wenn sich das Publikum auf diese Geschichte einlassen will, muss sie sich zwingend auch auf diese Figur einlassen. Das hat einen großen Reiz, natürlich auch die Schwierigkeit, dass man nicht in die Versuchung verfällt, zu einfach zu sein, so nach dem Motto, man will auf jeden Fall geliebt werden. Sympathieträger und Identifikationsfigur ist zwar schön und gut, es geht aber auch darum, es den Leuten nicht zu leicht zu machen und sie zwingen, sich auf so einen Menschen auseinanderzusetzen. Das ist der Reiz.


Nach drei Wochen Probe und fünf Wochen Dreh kennen Sie Ihre Figur sehr gut. Wie würden Sie sie denn beschreiben?

KARL MARKOVICS: Sehr ambivalent, nach außen hin sehr berechnend und eher kühl und distanziert, oder sagen wir unverbindlich im Umgang mit Menschen. Ein Einzelgänger in seinem innersten Wesen, nach außen hin pflegt er natürlich schon Umgang mit Menschen, aber natürlich nur bis zu einem gewissen Grad, nur bis zur Außenseite der Innenseite und lässt tiefer Gehendes nicht zu, aber auch vor sich selbst nicht. Er stößt gerade im KZ durch die Begegnung mit Menschen in so einer Situation genau an jene Punkte, die er eine lange Zeit seines Lebens versucht hat, auszuklammern: Gefühle und Gewissen. Was er zwar beides hat, bei dem Leben, das er gewählt hat, steht ihm beides natürlich im Weg. Er gerät immer mehr und immer stärker an diesen Punkt. Das fängt eigentlich schon relativ bald an, ab dem Zeitpunkt, wo er in dieser Fälscherwerkstatt im Lager ist, gerade weil die Umstände nicht akut lebensbedrohlich sind. Plötzlich ist da ein Freiraum, gerade weil es nicht nur ums tägliche Überleben geht, hat er die Möglichkeit, weiter zu denken. Es drängen sich plötzlich Fragen auf wie Gewissen, Gefühle, Verantwortung anderen Menschen gegenüber. Er weiß gar nicht, wie er dazu kommt, plötzlich Fürsorge für jemanden zu tragen, Verantwortung für eine Gruppe oder seinem eigenen Gewissen gegenüber zu haben. Das wird im Zuge der Geschichte immer stärker.


Sie haben eingangs das Wort Sympathieträger erwähnt obwohl er eine sehr ambivalente Figur ist?

KARL MARKOVICS: Sympathieträger als allgemeiner Faktor für eine Hauptfigur ist er per se zunächst einmal nicht. Wird es aber wohl oder übel, wenn man sich auf den Film einlässt. Denn man muss sich auch selbst immer wieder die Frage stellen, wie würde ich denn reagieren? In vielen Situationen ist es eine durchaus nachvollziehbare Lebenshaltung, die er an den Tag legt, in anderen merkt man dann wiederum, dass es sich nicht ganz ausgeht. Man versteht beide Seiten: einerseits das Gewissen von Burger, das ist natürlich toll, dass er dazu fähig ist, obwohl die Frau in Auschwitz umgebracht worden ist. Burger selbst kommt aus Auschwitz, er hat es für sich geschafft, ein halbwegs normales Leben zu führen und trotzdem ist ihm etwas anderes wichtiger. Das ist verständlich und toll. Andererseits versteht man auch Sorowitsch' Sicht, der sich sagt: wir leben und das ist das Wichtigste, was wir haben. Ein Tag ist ein Tag.


Es sind immer wieder Frauenfiguren, die immer wieder eine Wende in seinem Leben auslösen?

KARL MARKOVICS:  Ja, sie tauchen jedenfalls an Wendepunkten auf, ob da nun das Huhn oder das Ei zunächst vorhanden war, ist schwer zu sagen. Beim ersten Mal schiebt er vollkommen die Gefühle weg und sagt, er ist kein Mensch, der sich verliebt, weil er nicht gerne verliert. Beim zweiten Mal ist das alles offen, in Frage gestellt. Seine bisherige Existenz, wie er nun nach der Befreiung weiter leben wird, ist vollkommen ungewiss, aber es ist vollkommen klar, dass es so nicht mehr so sein wird, wie es vorher war. Er selbst ist nicht mehr in der Lage, zu sagen, das habe ich jetzt alles überlebt und sobald ich mich körperlich erholt habe - Geld hätte ich genug - , geht es wieder weiter. Er trennt sich ganz bewusst von dem Leben davor. Nicht nur vom KZ, auch von seinem Leben davor, ohne eine konkrete Perspektiv. Die kann es so schnell gar nicht geben.


Wie haben Sie die langen Probenarbeiten erlebt?

KARL MARKOVICS:  Das war sehr angenehm. Es ist ein Luxus, aber es wäre wahrscheinlich gar nicht anders gegangen, den Film in dieser relativ kurzen Drehzeit von nur 31 Tagen, bei dem Stoff und dem Anspruch in der Umsetzung zu realisieren. Der Vorteil war, man hat als Darsteller nicht das Gefühl, da jetzt durchzurasen und erst am nächsten Tag zum denken zu kommen, über das, was man am Vortag gemacht hat. Mit den Proben ist schon viel Denkarbeit geleistet und man kann sich darauf einlassen, was jetzt an nicht gedachten Dingen passiert, die aus der Situation entstehen, weil man die Sicherheit hat, die Szenen und v.a. auch die Kollegen schon zu kennen.


Es war ihre bisher größte Kinoarbeit, haben Sie Lust in Zukunft mehr auch fürs Kino zu arbeiten?

KARL MARKOVICS:   Das hat nichts mit Lust zu tun, sondern mit Möglichkeiten. In Österreich ist der Kinomarkt nicht sehr groß. Ich würde, wenn es nach mir ginge, nur Kino oder viel mehr Kino machen, wenn es Gelegenheit dazu gäbe. Es hat sich in Österreich bis jetzt nichts ergeben. Vielleicht rede ich mir das auch nur ein, aber ich habe das Gefühl, dass die jungen Filmemacher eher "unverbrauchte" und ihrer Generation entsprechend jüngere Leute nehmen als jemanden, der schon sehr stark von der Fernseharbeit und gerade auch von der Serie belastet ist. Ich glaube, dass das eine Art Stigma ist, das ich offen gestanden für schade halte. Ich gehöre nicht zu den eingleisigen Schauspielern und suche mir die Dingen, die ich am Theater gemacht habe, sehr genau aus. Ich will nicht den Eindruck erwecken, für nichts anderes zu gebrauchen zu sein. Jedenfalls hat sich bisher einfach nicht so viel ergeben.

Interview: Karin Schiefer
2006