Seit seiner Premiere letzten Sommer in Montréal holt Arash T. Riahis erster Spielfilm Ein Augenblick Freiheit einen Preis nach dem anderen, auch den Wiener Filmpreis.
Wenn Manu in seinem ehemaligen Dorf anruft, um über sein neues Leben zu berichten, dann trägt er gerne etwas dick auf. Sein
Vater, der unverzüglich die gesamte zusammengelaufene Nachbarschaft informiert, legt dann noch ein Scherflein nach und so
glaubt die enthusiastische Schar, dass der große Sohn des Dorfes längst im Westen an der Seite einer schönen Deutschen weilt
und sich dort im schwarzen Mercedes fortbewegt. Tatsache ist, dass Manu in Ankara sitzt, täglich bei der deutschen Botschaft
ansteht und wartet, endlich als politischer Flüchtling anerkannt zu werden. Sein Freund Abbas nimmt es ihm ein wenig übel,
so ein schlampiges Verhältnis zur Wahrheit zu haben, doch Manu baut lieber auf Luftschlösser und hält sich einstweilen an
der Hoffnung fest (Maybe one day, all my life will be true).
Er gehört zu jenen Freiheitswerbern in Arash T. Riahis Spielfilmdebüt Ein Augenblick Freiheit, die Glück haben. Manu bekommt sein Ausreisevisum, steht eines Tages tatsächlich am Berliner Alexanderplatz und kann beginnen,
ernsthaft an seiner neuen Zukunft zu bauen. Es ist alles andere als der Regelfall. Bei vielen anderen läuft das Verfahren
auf Flüchtlingsstatus weniger glatt, sie lassen die Ihren und ihr bisheriges Leben hinter sich, nur um den Passierschein in
den Westen zu ergattern - all das oft umsonst. Drei wahre Flüchtlingsgeschichten mit höchst unterschiedlichem Ausgang lässt
Arash T. Riahi in der türkischen Hauptstadt zusammenlaufen, allen voran jene seiner jüngeren Geschwister, die, fünf- und siebenjährig,
von zwei jungen Männern über die iranisch-türkische Grenze und weiter nach Wien zu ihren Eltern gebracht wurden, denen zuvor
bereits die Flucht aus dem Iran gelungen war. Ein Augenblick Freiheit erzählt von Menschen, denen die politischen Umstände
ein Leben in Würde und Selbstrespekt verwehren, die viele Jahre, ihr Hab und Gut oder auch ihr Leben für eine diffuse Idee
von einem freieren Leben riskieren. Es erzählt von drei Reisen ins Ungewisse, von einem nicht enden wollenden Seiltanz, wo
mit einem unbedachten Schritt alles vorbei sein kann, wo Scheitern und Gelingen permanent auf Messers Schneide stehen. Eine
weiße Feder, die während einer Razzia von den Schritten und Bewegungen der Polizisten in alle Richtungen gewirbelt wird und
Manu und Abbas mit fatalen Folgen als Hühnerdiebe entlarven könnte, würde sie einer erblicken, könnte diesen Reiz-
und Spannungszustand, in dem sich die Asylwerber ständig befinden, nicht besser beschreiben. Ins unsichtbare Korsett aus Gefahr
und Angst, Repression und Bürokratie hat Arash T. Riahi den Alltag eingeflochten und aus Freundschaft und kindlicher Unbeschwertheit,
Streit, Verrat und Eifersucht, rohen Gewaltausbrüchen und keckem Übermut, Träumereien und Kleinlichkeiten das lebendige Mosaik
von einem Dasein im Ausnahmezustand geschaffen, wo die Normalität mit der Katastrophe Hand in Hand geht und in einem Hin und
Her aus Spannung und Entspanntheit bewusst gemacht, wie in jedem einzelnen Augenblick alles und nichts auf dem Spiel steht.
International uraufgeführt wurde Ein Augenblick Freiheit im Sommer beim World Film Festival in Montréal, wo er auch den Preis für das Beste Spielfilmdebüt gewann. Seither verzeichnet
er bereits zwölf Auszeichnungen, darunter auch den Wiener Filmpreis. (ks)