INTERVIEW

«Ich habe mich auf einen bizarren Erkundungstrip eingelassen.»

Schon im Titel DER SOLDAT MONIKA wird klar: Hier ist jemand Sie und Er zugleich. Aber nicht nur: Monika Donner ist in existentiellen wie in politischen Fragen das eine und das andere auch. Der Filmemacher Paul Poet hat vier Jahre lang an einem Portrait der ehemaligen Ministerialbeamtin und Militärstrategin, der Individualistin und Anarchistin, linken Queer- und rechten Coronaaktivistin Monika Donner gearbeitet. Im Versuch, einer Persönlichkeit voller Facetten und Widersprüche gerecht zu werden, ist eine wilde Collage entstanden, die zugleich auch eine mediale und politische Zeit der Irrationalität und schwindenden stringenten Haltungen reflektiert.

 
 
Haben Sie die öffentliche Präsenz von Monika Donner über längere Zeit beobachtet? Gab es einen konkreten Auslöser, der Sie veranlasst hat, ein wie Sie es in der Synopsis nennen, filmisches Psychogramm zu kreieren?
 
PAUL POET:
Ursprünglich hatte ich einen Film über den politischen Rechtsruck geplant, weil ich, selbst aus der links-autonomen Szene und der Underground Popkultur kommend, durch meine Arbeit immer auch den linken Widerstands-Glamour mitverkörpert habe. Ab den Nuller-Jahren wurden diese Positionen von der rechten Szene geklaut und assimiliert. Plötzlich inszenierten sich diese Rechten als die sexy-cool Guys. Es waren die Jahre des Aufstiegs der Identitären, die absurderweise auch Fans meines Films Ausländer raus – Schlingensiefs Container sind, weil sie gute Muster der populistischen Annexion darin entdecken. Das hat mich als Antifaschisten beschäftigt. Wie nimmt man der rechten Szene diesen Rebellen-Glamour wieder weg? Ich habe längere Zeit in diesem Umfeld auch als investigativer Journalist geforscht.  Das waren aber überwiegend sehr langweilige Menschen, berechenbar und geil auf Erfolg, mit dem sie schnell groß werden wollten. 2016 hat mich die Puls 4-Moderatorin Corinna Milborn beauftragt, künstlerische Mini-Dokus über die Weltverschwörer-Szene zu machen, die unter dem Titel Wahrheit oder Verschwörung als Start eines Primetime Talkformats ausgestrahlt wurden. Für die Folge, wo es um 9/11 ging, wurde mir Monika Donner als Expertin empfohlen. Ich wusste vor dem Dreh wenig über sie und auf einmal kam diese zwei Meter große, langhaarige Trans-Walküre mit Stöckelschuhen und überlangen Fingernägeln auf mich zu und führte mir mit Pappmaché-Modellen der Twin-Towers und Mini-Fliegern vor Augen, dass sich die offizielle Schilderung der Ereignisse nie hätte ausgehen können. Für mich wurde in diesem Moment mein ganz persönlicher John Waters-Wunschtraum wahr. Sie war eine dermaßen faszinierende, an sich unmögliche Person, so wie der Film ganz bewusst das Portrait einer unmöglichen Person ist, die nach gängigen Checkboxen nicht eingeordnet werden kann. Das geht für mich viel tiefer als der Rechtsruck als Fokus: Das Thema der verloren gehenden Individualität und der damit verbundenen Grundfreiheit des Menschen.
 
 
Der Titel DER SOLDAT MONIKA beinhaltet bereits eine der vielen Polaritäten in der Persönlichkeit Ihrer Protagonistin; in der Animation des Vorspanns läuft im Zeitraffer die Lebensgeschichte ab. Es ist gleich mal deutlich, dass dieses Portrait übers rein Biografische hinausgeht. Warum?
 
PAUL POET:
Was mich sehr bewegt hat, ist die Oberflächlichkeit des aktuellen Aktivismus. Durch das digitale Zeitalter und verschärft durch die Pandemie hat man sich daran gewöhnt, Menschen innerhalb von wenigen Sekunden einzuschätzen, abzukanzeln und auszusortieren. Das stellt übrigens eine Verbindung zu den öffentlichen Aussortierungsspielen des Schlingensief-Containers her. Diese Oberflächlichkeit wird der menschlichen Qualität nicht gerecht. Monika ist ein lebendes Monument, wo man ständig gefordert ist, einen Nicht-Umgang zu kultivieren, weil man nicht weiß, wie man mit ihr umgehen kann. Auch ich bin durch ein ständiges Wechselbad gegangen, wo ich sie im haargenau selben Moment küssen und schlagen wollte. Ihre ständigen Forderungen werfen einen auf ein demokratisches Grundverständnis zurück, nämlich, dass man in die Tiefe gehen und Menschen länger einschätzen muss. Wir haben über die schnellen Wegsperrungen durch Clicks & Likes einen grundlegenden Respekt verloren.
 
 
Monika Donner ist angefangen von ihrer sexuellen Identität über ihre weltanschaulichen Haltungen in keiner Weise einzuordnen. Hat sie Sie mehr als Individuum fasziniert oder als Phänomen, das unsere Zeit widerspiegelt, wo Haltungen jegliche Stringenz verlieren und abstruse Kombinationen von Konzepten politische Tendenzen erzeugen?
 
PAUL POET:
Patrick von der Band Gewalt, die Teil dieses Films ist, meinte, es sei vor allem anderen ein Film über die grundlegende Zerrissenheit unserer Zeit. Ich habe versucht, Monikas Person und ihrem eigenartigen Kampf um ihr Recht auf ein frei gelebtes Leben gerecht zu werden, der dazu geführt hat, dass sie aus allen Tribes und Teamzuschreibungen rausgefallen ist. Sie war ewig lang Grün-Wählerin, aktiv in der rosa-lila Villa, ist am Volksstimme-Fest aufgetreten, und hat gleichzeitig eine Vergangenheit als rechter Hooligan und eine Militärkarriere hinter sich. Sie hat LGBTQ-Rechte erkämpft, aufgrund ihrer rechten Karriere wurden diese Errungenschaften für die Queer-Szene aus den Trans-Annalen wieder gestrichen. Über die Pandemie wurde sie vor allem auch durch Bücher wie Corona Diktatur zum Amazon-Bestseller,  aber auch zum Star in der rechtsextremen Szene. Jetzt, wo die Pandemie vorüber ist, rückt genau diese Szene ihre Transsexualität in den Vordergrund und wendet sich von ihr ab. Die rechten Sender, die sie zu Pandemie-Zeiten hofiert haben, kehren ihr jetzt den Rücken, weil fragwürdiges politisches Geld hinter diesen Medien steckt und so uneinschätzbare Personen wie Monika dort nicht mehr zugelassen werden.
 
 
Hat diese ungreifbare und vielschichtige Persönlichkeit die Form der Kollage regelrecht eingefordert? Der Film besteht aus dokumentarischen und fiktionalen Elementen, Archivmaterial und Animationen sowie Elementen aus der Theaterarbeit. Wie ist Ihr filmisches Konzept entstanden?
 
PAUL POET:
Der Film sollte eine lebendige Assemblage dieser unterschiedlichen Narrative sein, die konfrontativ interagieren und zusammen wirken. Es gab zuvor schon einen anderen Versuch, ihre Lebensgeschichte zum Film zu machen. Das war eine zwangsbunte schrille Coming Out-Comedy, sehr lose am wirklichen Leben orientiert. Da hätte der inzwischen verstorbene Peter Kern Regie führen sollen. Ich hielt dieses Drehbuch für furchtbar, hab mich aber an Monikas tatsächlicher Lebensgeschichte festgebissen. Und auch seitens Monika gab es ein Bedürfnis nach Selbstaufarbeitung, weil sie sich ja auch selbst in vielen Dingen ein Rätsel ist. Sie trägt auch eine Mission in sich in dem Sinne, als sie eine buntere, vielfältigere Welt sehen und das auch als Botschaft gestreut sehen will. Da konnte ich andocken. Sie hat gemerkt, dass sie bei mir Augenhöhe hatte und ich sie nicht mit geschickten Methoden irgendwohin locken wollte. Es waren für mich vier intensive Jahre im Fremdland rechte Szene, wo ich sehr klar als Linker wahrgenommen wurde. Da wurde dann immer getuschelt: „Pscht, aufpassen, der Michael Moore kommt scho wieder vorbei!“ Monika nimmt sich durch ihre Transsexualität das Recht, sich selbst komplett neu zu einer Patchworkexistenz zu erbauen. Das machen ja viele Menschen heutzutage – sie nähen sich durch die Möglichkeiten der Jetztzeit und die Auslöschung geschichtlicher Zusammenhänge im digitalen Zeitalter eine „random“-Lebensuniform zusammen. Das sollte der Film durch seine fragmentarische Natur auch in seiner künstlerischen Form widerspiegeln. Es ist da sehr bewusst ein unterhaltsamer wie verstörender, in jedem Fall extrem wilder Collagenmix. Wir müssen generell aufhören mit den glatt formatierten Held:innengeschichten. Wir brauchen Kino, das das Dilemma und die Komplexität des Menschen umarmt, um eine andere politische Umgangsstruktur mit dem Dasein zu erzeugen.
 
 
Sie begeben sich für die Drehs immer wieder an wichtige Orte aus Monikas Vergangenheit. Ist der Film auch für Monika Donner zu einer Art persönlicher Aufarbeitung vieler einschneidender Brüche in ihrem Leben geworden?
 
PAUL POET:
Die persönliche Aufarbeitung war eine gemeinsame Übereinkunft. In der ungewöhnlichen stilistischen Auflösung haben mir sowohl Monika als auch meine Produzenten von FreibeuterFilm vollkommen vertraut. Mir ist der therapeutische Ansatz wie schon bei meinem Film My Talk with Florence wichtig, um durch gemeinsame filmische Spiele in die Tiefenstruktur einer Person zu gehen. Ich weiß durch mein Studium und eine langjährige eigene Therapie da sehr gut über verschiedene Denkansätze Bescheid und auch darüber, wie Provokationen therapeutisch funktionieren. Wichtige Inspirationsquellen waren für mich zudem Alejandro Jodorowskys Psychomagische Rituale und Joshua Oppenheimers Ansatz in The Act of Killing, wo es darum geht, wie sich eine uneinschätzbare Person durch Spiele und Selbstinszenierungen selbst offenbart. Das war der Start für dieses komplexe Gerüst aus Interaktion von Spielfilm, Experiment, Dokumentarfilm. Monikas Konfrontation mit dem eigenen alten Leben, durch dessen Schlüsselszenen und Träume sie als jetzige 50+ Person geht, ist die eigentliche Geschichte des Films, sei es als theatralische Familienaufstellung, sei es als inszenierte Geschichte oder dokumentarisches Begleiten.
 
 
Für die Theaterszenen arbeiten Sie z.T. mit sehr bekannten Schauspieler:innen wie Maria Hofstätter, Philipp Hochmaier, Roland Düringer. Diese schlüpfen in ihre Rollen und bleiben gleichzeitig auch sie selbst, indem sie Einschätzungen, Kommentare abgeben. Warum haben Sie sich für diese Methode entschieden?
 
PAUL POET:
Meine ersten Kurzfilme waren Spielfilme, ich bin ja eher zufällig durch meine Beteiligung am Schlingensief Container als Doku-Regisseur etabliert worden; vor kurzem habe ich am Volkstheater mit der Politgroteske Sex Tape Austria Narratives inszeniert. Es waren alles Schauspieler:innen, die schon lange mit mir zusammenarbeiten wollten. Jede:r Schauspieler:in bringt da eine besondere persönliche Qualität mit ein, weil ich glaube, dass sie alle für sich ein Terrain betreten haben, dass sie als Mime zuvor nicht kannten. Es gab auch ein Dialogskript, Anfang und Ende der Dialoge waren festgelegt. Monika wollte davon nichts sehen, weil sie ihr Leben ja kannte. Wichtig zu erwähnen ist auch, dass ich gemeinsam mit Monika über die vier Jahre des Drehens ein Traumtagebuch geführt habe. Wir haben sehr präzise tagtraumartige Visionen, Wunschträume, Albträume, die sie permanent begleiten, festgehalten und ich habe sie auch konfrontativ durch Inszenierungen in den Film reingeholt. Die an KZ und Genozid erinnernde Auslöschungsszene hat sie über viele Jahre in Träumen begleitet, in denen es immer wieder zur Auflösung ihrer Körperlichkeit kommt. Ohne Monikas Offenheit wäre dieser Film nicht möglich gewesen. Wir mussten den Dreh sechs Monate unterbrechen, weil die Arbeit zu stark in Monikas Psyche hineingetriggert hat. Wir mussten dem ganzen Prozess Atem geben, es hat letztlich für Monika sehr heilsam funktioniert. Sie steht jetzt ganz anders aufgestellt da. Ich bin da nach wie vor als Dialogpartner da.
 
 
Das Wechselspiel von Zuspruch und Ablehnung ist eine Konstante in Monikas Lebensgeschichte. Haben Sie eine Erklärung für das Begeisterungs- und Abkehrverhalten in unserer aktuellen medialen Kultur gefunden?
 
PAUL POET:
Wir konnten mit dem Filmprozess eher zufällig eine ganz eigentümlich klassische Geschichte von Aufstieg und Fall mitbegleiten, Monikas Rauswurf aus dem Ministerium für Landesverteidigung, ihre Corona-Karriere, wo sie als „Göttin der Schwurbler“ vermarktet wurde und ihr Buch in erschreckend hoher Auflagenzahl verkauft hat, jetzt ihr Rausfall aus den rechten Alternativmedien. Wir leben ja aktuell in einer random Readymade-Kultur, in der alles ständig verfügbar ist. Permanente Präsenz am Meinungs- und Behauptungsmarkt ist gefragt, was zählt sind Impact und Emotionalität, nicht Substanz, reales Wissen, reale Vision; das frisst sich gegenseitig auf. Monika Donner wird als Starfigur aufgebaut, ebenso schnell wieder abmontiert, sobald sie den Flow nicht erfüllt. Das ist aktuell links wie rechts so. Es gab auch genug ebenso oberflächliche Shit-Storms im Vorfeld, durch die ich als linker Filmemacher in Zweifel gezogen werden sollte: Jetzt nach Corona sei auch ich gekippt, biete „einer Rechten“ die Bühne, etc etc. Ich aber bin mit einer anderen Überzeugtheit hineingegangen. Ich kritisiere da viel an meinem linken Umfeld der letzten Jahre: Man braucht als Linker eine menschliche linke Glaubwürdigkeit, eine radikal humanistische Grundeinstellung im Umgang mit anderen Menschen, auch mit dem so genannten Feindeslager. Ich hasse da auch diesen Begriff „Reden mit den Rechten“, weil es von vornherein klingt wie ein missionarischer Akt mit verwundeten blöden Tieren. Daher maße ich mir an, mit menschlicher Wertschätzung und angstbefreit in diese Szene hineinzugehen, ohne mich auch nur einen Deut ideologisch verbiegen zu müssen. Das wurde begrüßt. Natürlich hat man auch versucht, mich zu vereinnahmen, ich gab da aber keinen Fußbreit abgewichen und hatte letztlich eher das Gefühl, dass ich, wenn auch unbeabsichtigt, positiv beeinflusst habe. Ich habe mich auf einen bizarren Erkundungstrip eingelassen. Es ist meine Überzeugung, dass in der allgegenwärtigen Klick- und Funktionskultur, die nichts mehr in größeren Zusammenhängen reflektiert, der Rechtsruck automatisch drinnen ist, weil diese Umgangsformen grundlegend rechts funktionieren.
 
 
Es gibt im Film Ausschnitte von eindeutig rechts agierenden Medien. Ging es Ihnen darum, auf eine parallele Medienwelt aufmerksam zu machen? Wie sind Sie mit diesen Medien umgegangen. Hatten Sie auch Bedenken?
 
PAUL POET:
Die Ausschnitte von AUF1 und das Gespräch mit Gottfried Küssel zu filmen, mit dem ich in anderen Zusammenhängen ganz andere feindschaftliche Konfrontationen durchlebt habe, waren definitiv ein Sprung über meinen eigenen Schatten. Es war nicht leicht, aber es ging sich aus. Ich hielt es für notwendig, um die Netzwerke offenzulegen und ein Tiefenverständnis zu erzeugen. Wenn ein verurteilter Neonazi wie Gottfried Küssel auftritt und innerhalb kürzester Zeit einen Saal von Coronaleugnern für sich vereinnahmen kann, dann ist das eine große Gefahr. Man muss sehen, wie schnell das funktioniert und dass es dafür keine „Naziglatzen“ braucht.
 
 
Provokation ist als Thema ständig präsent damit auch die Grenzen. Ich denke an Monika Donner, die zu Beginn des Films ein Gedicht von Adolf Hitler vorliest, den Nationalsozialismus/ die Wehrmacht relativiert, Gottfried Küssel verharmlost. Wie stehen Sie dazu?
 
PAUL POET:
Da geht es stark um ästhetischen Mut. Was traut man sich offenzulegen? Angesichts einer Protagonistin wie Monika Donner, die in Dauerambivalenz in alle möglichen Richtungen existiert, muss man sich anmaßen, diese verstörenden Widersprüchlichkeiten nachzuerzählen, um ihre Facetten würdig zu erzählen. Ich stimmte Monikas Wahl, ein Gedicht vom jungen Adolf Hitler vorzutragen zu, weil eben dadurch ein Schmerz entsteht. Aber auch Fragen. Und durch diese Reibung, diesen Widerhaken, dieses Anstoß-Nehmen, versuche ich, die Leute zum Nachdenken zu bringen. So gut Monika auch geschichtlich gebildet ist, sie fetischisiert gewisse Personen als Powerfiguren. Mir geht es um die Frage, warum uns diese Figuren beeindrucken und was sie in uns bewirken. Ich glaube nicht, dass ich jemandem wie Gottfried Küssel eine reale Plattform in meinem Film eröffne, da ich ihn ja nicht unterstützend abbilde, sondern seine Widersprüchlichkeit thematisiere. Die Provokationen machen einen Testparcours auf, der das Publikum zwingt, sich mit sich selber zu beschäftigen. Bei bisherigen Screenings bekam ich dankbare Rückmeldungen, dass der Film seine Zuschauer:innen fordere, weil er ihnen den Raum zum eigenständigen Denken aufmacht. Das ist eine Qualität, die wir auch als Gesellschaft essenziell brauchen. Wenn wir Demokratie als unser Grundwerte-Forum im politischen Sinn bewahren wollen, dann müssen wir auch die Wesenskomplexität des Menschen zulassen, die Nicht-Einschätzbarkeit, die Ambiguität, das Dasein im ungelenkten Prozess. Die Grundposition des Dialogs muss eine andere sein. Diskurs und Dialog sind in den letzten zwei Jahrzehnten durch den politischen Durchlauferhitzer der populistischen Selbstoptimierung verloren gegangen ist. Deshalb funktioniert so viel linke Kultur, soviel politische Kultur nicht mehr. Weil wir uns dem nicht mehr stellen. Denn das bräuchte Zeit, Aufarbeitung und Wahrnehmung dafür, warum und wann jemand wo hingekommen ist.
 
 
Es gibt auch fiktionale Elemente: Auftritte mit Schwert, die Begegnung mit der Achse des Bösen, Monikas Aufsuchen einer Barockkirche als sexy gekleidete Transperson, den Albtraum vom Tötungskommando. Was hat Sie in den fiktionalen Elementen ins Trashige geführt?
 
PAUL POET:
Ich wollte Monikas Kopfbilder bewusst überhöht lassen. Es sind die Träume klar als solche dargestellt, gleichzeitig wollte ich das Tänzerische beibehalten, das Interagieren von campy vision mit der grauen Realität. Mittlerweile gibt es auch andere Filme, die mit dieser ungewöhnlichen Art der Auflösung experimentiert haben wie Dick Johnson is Dead oder Olfas Töchter, die ich beim Konzipieren und Drehen meines Films noch nicht kennen konnte. Für uns war es ein reines Experiment, als komplexe Collage in eine Psyche hineinzugehen. Trash-Kultur ist als Aspekt davon etwas, das ich liebe, weil ich aus einem Genre-Verständnis komme, ich mag knallige, trashige, popkultur-relevante, arge Szenerien. Im Fall von DER SOLDAT MONIKA war es so, dass die Träume als Träume wahrnehmbar sein sollen. Es gibt auch Schauspielszenen, zum Teil als interaktives Gerüst, wo Doku und Spielfilm quasi im selben Moment ineinanderknallen und etwas Eigenes zur Geburt bringen.
 
 
Es gibt eine Szene mit der Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl, die  Monika Donner als rechts libertär einschätzt. Wo stehen Sie nun nach vier Jahren gemeinsamer Arbeit mit Monika Donner.  Zu welcher (politischen) Einschätzung von ihr sind Sie gekommen?
 
PAUL POET:
Ich bin derselbe Links-Anarcho, der ich schon vor dreißig Jahren war. Was Monika betrifft, bin ich eindeutig bei Natascha Strobl. Es war lange nicht denkbar, dass Monika Donner mit dezidiert linken Schlüsselfiguren gemeinsam auftritt. Ich war ein halbes Jahr auf der Suche und musste viel Überzeugungsarbeit leisten, um überhaupt jemanden aus linkem Zusammenhang dazu zu bekommen, sich mit Monika Donner gemeinsam vor eine Filmkamera zu stellen. Ich hatte auch Schauspieler:innen im Team, die wieder abgesagt haben, als klar war, dass Monika sich auch mit Gottfried Küssel umgeben hatte. Natascha Strobl war ein Glücksfall. Sie erzählte bei einem unserer ersten Treffen, dass mein Container-Film eine wichtige Etappe in ihrem politischen Werdegang war. Sie machte klar, dass sie mit einem gewissen Bauchweh am Projekt mitwirkte, mir persönlich aber vertraute. Die Szene mit den beiden und Nathalie Rettenbacher, der Trans-Sprecherin der Links-Partei, ist ein Schlüsselmoment. Auch für Monika war es ein wesentlicher Moment, mit jemandem aus der linken Szene zusammenzutreffen, nach der Enttäuschung, von der Queer-Szene verstoßen worden zu sein. Es war ein schöner Dreh. Wir sind einen halben Tag durch Laxenburg spaziert und haben das eigentlich Unmögliche eingelöst. Für mich ist es der Höhepunkt des Films, dass Monika, die 50 Jahre ihres Lebens damit verbracht hat, keine Überschrift für sich zu haben, in einem Boot mit Natascha Strobl sitzt, die ihr erstmals erfolgreich ein Label verpasst: „Du bist rechts-libertär.“ Und Monika antwortet: „Das ist ein kompletter Widerspruch, das passt zu mir.“ Genau in diesem Moment findet sie Frieden mit sich.
 
 
Erste und letzte Einstellungen sind Close-ups aufs Gesicht Ihrer Protagonistin. Zu Beginn gewichthebend, kraftstrotzend, am Ende traurig, geschlagen. Man scheint ihr die Ernüchterung, nirgendwo ein ideologisches Zuhause gefunden zu haben, anzusehen. Was hat Sie bewogen, mit diesen Close-ups, einen Bogen vom Beginn zum Ende zu spannen?
 
PAUL POET:
 Es war für Monika ein kathartischer Prozess, bewusst zu akzeptieren, wie die Dinge sind. Sie sucht ja ihre Heimatlosigkeit irgendwie auch. Sie hat wenigstens einen klaren Anker durch die glückliche dritte Ehe mit Jasmin. Ihre konstante Selbstneuerfindung ist ein offener Prozess, der sie langfristig darin gestärkt hat, dass sie auch den Mut hat, bei sich und unabhängig zu bleiben und nicht um jeden Preis einer Gruppe angehören zu müssen. Ich habe End-Teens, Anfang Zwanziger getroffen, die einfach nicht mehr wissen, wie sie sich positionieren können, ohne zwangsläufig anzuecken oder aus der Formatierung zu fallen. Ihnen kann ich mit diesem Film die positive Inspiration liefern, sich generell weniger zu scheißen, Mut zur Konfrontation zu haben und sich einen eigenen Lebensweg auszukerben. Das ist eine grundlegend wichtige Lebensphilosophie, die wir durch unsere überpräsente Readymade-Kultur gerade verlieren.

 
Interview: Karin Schiefer
November 2024
 
 






«Für mich wurde  mein ganz persönlicher John Waters-Wunschtraum wahr. Sie war eine dermaßen faszinierende, an sich unmögliche Person, so wie der Film ganz bewusst das Portrait einer unmöglichen Person ist.»