INTERVIEW

«Was die Erde uns bietet»

Die Zukunft scheint für den Zillertaler Bauernsohn Elias von Kindheit an geebnet. Doch als er sein vom Vater angehäuftes Erbe antreten soll, ergreift er die Flucht: vor dem Tal, vor den Erwartungen, vor dem Geld und der Gier. Völlig allein im kargen Dasein oberhalb der Baumgrenze findet er seine Erfüllung. Erst vierzig Jahre später endet dieser Rückzug so radikal wie er begonnen hat. Es war ein Theaterstück von Felix Mitterer, das zunächst den Produzenten Michael Cencig (Metafilm) inspirierte, erstmals einen fiktionalen Stoff ins Kino zu bringen und den Filmemacher Adrian Goiginger mit Märzengrund seinen allseits erwarteten zweiten Spielfilm einer eindringlichen Außenseiterfigur zu widmen.



MÄRZENGRUND ist ein Titel, der nicht sofort thematisch zuzuordnen ist. Was verbirgt sich dahinter?

MICHAEL CENCIG:
Der Märzengrund ist ein Almgebiet im Gemeindegebiet von Stumm im Zillertal. Felix Mitterer hat ein Theaterstück mit dem gleichnamigen Titel geschrieben, weil ihm zugetragen worden war, dass Ende der sechziger Jahre ein junger Mann aus freien Stücken zunächst in die Einschicht auf den Märzengrund und später dann noch höher über die Baumgrenze in die so genannte Schacht gezogen ist, um dort vierzig Jahre seines Lebens zu verbringen. Er war der einzige Sohn und Alleinerbe eines Großbauern, der das Leben im Tal, in der Zivilisation, in der Gesellschaft, in der es schon damals in erster Linie um Geld, Macht, Einfluss und Status ging, nicht mehr ausgehalten hat. Elias, unser Protagonist, lebt zunächst in der Almhütte, die der Familie gehört, und als es ihm da auch noch zu laut ist, weil manchmal Touristen auftauchen, zieht er höher, in die absolute Einsamkeit. Nach vierzig Jahren – er ist da längst entmündigt – muss er, weil er schwer erkrankt ist, erstmals wieder ins Tal.


Wie sind Sie mit diesem Stoff in Berührung gekommen? Und wie kam es, dass genau diese Geschichte die Basis für Ihren ersten Kinospielfilm wurde, wo Ihre Produktionsfirma Metafilm vielmehr einen Schwerpunkt auf dokumentarischen Arbeiten hat?

MICHAEL CENCIG:
Einen Spielfilm zu machen, war für mich schon länger ein Thema. Die Metafilm ist in der Tat für Dokumentarfilm-Produktionen bekannt, das ist unser „homeground“. Dennoch hatte ich seit Bestehen der Firma (das sind jetzt 20 Jahre) immer auch den Kinospielfilm im Blick und habe auch mehrere Versuche in diese Richtung gestartet. Märzengrund ist nun das erste Projekt, das auch zur Realisierung kommt.
Was das Stück betrifft, muss ich sagen – glückliche Fügung. 2017 hat mich jemand darauf aufmerksam gemacht, dass in Stumm, wo ein kleines Theaterfestival namens Stummer Schrei stattfindet, ein Auftragsstück von Felix Mitterer zur Aufführung kommt. So verlockend war es zunächst nicht, wegen eines Theaterabends Wien – Zillertal und retour zu fahren, und es ist meiner Frau zu verdanken, dass wir es doch getan haben. Ich muss sagen, ich bin kein großer Theatergeher, und es haben mich nur wenige Aufführungen wirklich berührt. Diese hat mich geflasht. Und der Gedanke, dass dieser Stoff auf die Leinwand gehört, war schnell da. Wie ich später erfahren habe, hatte zuvor schon Felix Mitterer, als er mit dem Stoff konfrontiert wurde, gemeint, dass es eher ein Stoff für die Leinwand als für die Bühne sei.


Was war so berührend?

MICHAEL CENCIG:
Vieles. Am meisten vielleicht die Gesamtatmosphäre und die Intensität im Theaterraum. Das ist ein umgebauter Stall, wo nach meiner Wahrnehmung eher Einheimische und darunter kaum Bildungsbürger vertreten waren. In gewisser Weise hat dieses Stück dem Publikum einen Spiegel vorgehalten und dazu angestoßen, über Prioritäten und Werte nachzudenken. Es hat eine totale Stille im Saal geherrscht und man hat gemerkt, dass es die Menschen zutiefst berührt hat. Es war zwei Sommer lang jede Vorstellung ausverkauft. Das andere war der Hauptdarsteller. Ich war überzeugt, dass er ein professioneller Schauspieler war, weil er so glaubwürdig und überzeugend gespielt hat. Als wir im Hotel waren, hat sich herausgestellt, dass Heinz Tipotsch, der Wirt und Hotelchef, diese Rolle verkörpert hatte. Er ist allerdings ein leidenschaftlicher Theaterspieler, und er war es auch, der Felix Mitterer ursprünglich auf die Figur dieses Einsiedlers aufmerksam gemacht hat.



Die Geschichte geht auf einen Mann zurück, der sich in den späten sechziger Jahren – einer klassischen Aussteigerzeit – auf eine hochgelegene Alm zurückzieht. Welche Themen transportiert der Stoff, die im Heute immer noch oder wieder ihre Gültigkeit haben?

MICHAEL CENCIG:
Das immer relevante Thema ist die Frage, worum es im Leben eigentlich geht. Warum sind wir hier? Was brauchen wir, um glücklich zu sein? Diese Frage hat sich Elias wohl sehr eindringlich gestellt. Seine Antwort ist: „Ganz wenig. Was die Erde uns bietet“. Am Ende hat er keine Tiere mehr gegessen und sich pflanzlich von dem ernährt, was über der Baumgrenze noch zu finden war. Dieser radikale Ansatz kann nicht die Antwort für alle sein, aber es ist der Gegenentwurf zu dem, was wir hier leben. Ein weiteres zentrales Thema ist Freiheit, auch das Frei-Sein von Leid. Elias war schwer depressiv, bevor er sich in die Berge zurückgezogen hat. Er wollte die Freiheit, so zu leben, wie es ihm entspricht. In letzter Konsequenz könnte man es Selbstverwirklichung nennen. Beides ist zu 100% auf dieser Welt nicht verwirklichbar. Leben bedeutet immer wieder einmal auch Leiden, und Freiheit ist nur in gewissen Grenzen möglich. Das wird in dieser Geschichte deutlich. Der Film hat auch eine metaphysische Dimension, zum vollkommenen Glück findet Elias erst in einer jenseitigen Dimension.


Haben Sie sich nach der Begegnung mit diesem Stoff um die Umsetzung in ein Drehbuch bemüht oder zunächst eine/n Regisseur*in gesucht?

MICHAEL CENCIG:
Ich habe mich zunächst auf die Suche nach der geeigneten Regie gemacht, was eineinhalb Jahre gedauert hat. Ich glaube die österreichische Regielandschaft recht gut zu kennen, habe viele erwogen und doch immer wieder gezögert. Adrian Goigingers Debütfilm Die beste aller Welten habe ich im Kino versäumt und erst bei seiner ersten Fernsehausstrahlung gesehen. Das hat einen sehr starken Impuls geliefert und mir das Gefühl gegeben, er könnte der Richtige sein. Bei der Berlinale 2019 habe ich Adrian zum ersten Mal getroffen, nun eineinhalb Jahre später sind wir bereits am Drehen. Es ist also sehr schnell gegangen. Beim ersten Treffen hat er mir sofort gesagt, dass er seit Die beste aller Welten sehr viele Angebote erhalten und alle abgelehnt hat, weil ihm keiner der Stoffe zwingend erschien und er sich auf seinen zweiten Langfilm Der Fuchs konzentrieren wollte. Wenn, dann wäre es ein Projekt für später. Ich hatte in all den Jahren gelernt zu warten und war bereit, das auch diesmal zu tun. Als ich ihm dann die Geschichte erzählt hatte, hatte ich den Eindruck, dass sie einen Nerv bei ihm getroffen hatte. Ich ließ ihm das Stück zum Lesen, und er versprach, sich binnen zehn Tagen zu melden. Nach exakt zehn Tagen hat er angerufen und zugesagt, immer noch mit dem Vorbehalt, zunächst den anderen Film zu realisieren. Wir haben uns dann im Dreierteam mit Adrian Goiginger und Felix Mitterer an die Entwicklung des Drehbuchs gemacht, wofür wir eine ÖFI-Förderung bekommen haben. Vor ca. einem Jahr hat mich Adrian dann informiert, dass die Finanzierung von Der Fuchs länger als geplant dauern würde und dass er MÄRZENGRUND vorziehen könnte, wenn es machbar wäre. Und so haben wir losgelegt – gemeinsam mit Isabelle Welter und Rupert Henning von WHee-Film. Die beiden habe ich eingeladen, als Mitproduzenten einzusteigen, weil sie über jene profunde Spielfilmerfahrung verfügen, die mir und dem Metafilm-Team fehlt. Diese Kooperation bewährt sich seither täglich aufs Neue.


Wie hat sich die Zusammenarbeit beim Drehbuch zwischen Adrian Goiginger und Felix Mitterer gestaltet?

MICHAEL CENCIG:
Es bestand von Beginn an große Sympathie zwischen den beiden. Felix Mitterer hat sehr schnell signalisiert, dass Adrian seinen eigenen Film machen und nicht möglichst haargenau das Theaterstück umsetzen solle. Felix hat für die Einreichung ein Treatment geschrieben, das für das Drehbuch als Basis gedient hat. Die eigentliche Drehbucharbeit hat dann aber Adrian Goiginger übernommen. Felix Mitterer hat immer wieder Fassungen gelesen, Feedback und Input gegeben. Wir drehen jetzt mit der zehnten Drehbuchfassung, die sich noch immer leicht verändert. Insgesamt hatte Adrian genug Zeit und Raum, sich den Stoff zueigen zu machen. Felix Mitterer hatte die Dialoge zunächst in einem allgemein verständlichen Tirolerisch geschrieben, Adrian, der ein großer Verfechter von Authentizität ist, hat die Dialoge ins Zillertalerische übersetzen lassen. Das war natürlich ein gewisser Eingriff in die ursprünglichen Dialoge, der aber von Felix Mitterer für gut befunden wurde. Alles in allem also eine sehr konstruktive Zusammenarbeit.


Viel Zeit scheint es nicht gewesen zu sein, zwischen dem Okay des Regisseurs und dem Drehbeginn.

MICHAEL CENCIG:
Es war für uns klar – lange vor Corona – , dass wir in diesem Sommer drehen müssen. Der Film deckt einen Zeitraum von vierzig Jahren ab und sollte alle vier Jahreszeiten abbilden, damit war Drehstart Sommer 2020 unumgänglich. Wir hatten nicht einmal Zeit, für Projektentwicklungsförderung einzureichen. Probeaufnahmen, Casting, Motivsuche und diese Dinge haben wir selbst finanziert, was nicht einfach war, und wir haben dann direkt für Herstellungsförderung eingereicht. Mitten in der Phase des Lockdowns haben wir die Förderzusagen von ÖFI, ORF, FFW und Cine Tirol bekommen, später auch von FISA. Als dann doch noch ein bisschen Geld gefehlt hat, haben wir eine deutsche Firma – die Stuttgarter it-media aus dem Tellux-Konzern, mit dem wir schon Koproduktionserfahrung hatten – ins Boot geholt. Angesichts der coronabedingten Rahmenbedingungen war allerdings klar, dass wir ohne Versicherung nicht starten könnten. Erst mit der Einrichtung des Covid19-Fonds kam dann die erlösende Nachricht. Wir können es nun riskieren, auch wenn es immer noch ein Wagnis ist. Die Unterzeichnung unserer Verträge hat sich dann noch kurz verzögert, weil die Abgeltung coronabedingter Mehrkosten noch zwischen den Förderern verhandelt wurde. Anfang August ist die Entscheidung gefallen, dass die Überschreitungsreserve nun von 5 auf 10% erhöht ist und damit dieser Mehraufwand gedeckt werden kann.


In den Hauptrollen sind sehr renommierte Schauspieler*innen zu sehen. Für das junge Geschwisterpaar Elias und Rosa haben Sie zwei Newcomer engagiert.  Wie hat sich in Covid-Zeiten das Casting gestaltet und auch das Engagement von Schauspieler*innen, die viel und nach der Öffnung nun wohl noch mehr beschäftigt sind?

MICHAEL CENCIG
: Das Gute am Anfang des Castingprozesses war, dass alle Die beste aller Welten kannten und gerne mit Adrian Goiginger drehen wollten. Er hat sehr hohe Ansprüche an Vorbereitung und Castings mit Kamera. Dafür mussten alle nach Salzburg anreisen, zu einem Zeitpunkt, wo wir noch keine Finanzierung hatten. Das haben alle gemacht – Gerti Drassl, Johannes Krisch, Harald Windisch, und auch Verena Altenberger, die großartige Mutter aus Die beste aller Welten, musste Probeaufnahmen machen. Adrian ist da sehr konsequent, er weiß sehr genau, was er will und daher muss jeder zuerst durch diesen Prozess durch. Die Hauptrolle Elias ist zweigeteilt, für die Altersphase von 18 bis 25 haben wir einen jungen, nicht professionellen Darsteller, Jakob Mader, und dann gibt es den großen Sprung auf Ende 50, wo Johannes Krisch der Darsteller ist. Wir hatten mit Angelika Kropej eine erfahrene Casterin, die sehr gute Vorschläge gemacht hat. Die große Herausforderung waren die beiden jungen Rollen – Elias und seine Schwester Rosa. Dafür haben wir ein breit gestreutes Casting mit Aufrufen in allen Tiroler Zeitungen gemacht.
Je prominenter die Schauspieler*innen sind, umso mehr stauen sich bei ihnen seit dem Ende des Lockdowns die Anfragen. Da die Verträge in der Regel sehr spät abgeschlossen werden, nämlich erst dann, wenn der definitive Drehplan feststeht, war es bei unseren Hauptdarsteller*innen sehr schwierig, terminlich alles unter einen Hut zu bringen.
Dass wir diese Besetzung durchgebracht haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Ich freu mich sehr, dass wir das geschafft haben.


Wie sieht der Drehplan, der vier Jahreszeiten abdecken soll, nun aus?

MICHAEL CENCIG:
  Wir drehen jetzt im Sommer gute vier Wochen und dann noch acht Tage im November/Dezember. Insgesamt sind dreißig Drehtage geplant. Für die kalte Jahreszeit verschärft sich nochmals die Wetterthematik, die ja völlig unvorhersehbar ist. Zumindest haben wir einen Drehort vorgesehen, wo es Ende des Jahres bisher immer genug Schnee gegeben hat. Es gilt aber auch spezielle Herausforderungen wie etwa einen Lawinenabgang zu bewältigen.


Werden Sie selbst bei Ihrem ersten Kinoprojekt viel am Set anwesend sein oder sind Sie aufgrund des Ansteckungsrisikos eher angehalten, nicht so viel dabei zu sein?

MICHAEL CENCIG: 
Während des Drehs wird das Team immer wieder durchgetestet. Alles geht langsamer voran, die Spontaneität am Set leidet ganz gewiss unter der aktuellen Situation. Im Spiel, so bestätigen es die Schauspieler*innen, lässt es sich dann für kurze Zeit ausblenden und vergessen. Ich persönlich halte mich relativ selten am Set auf. Isabelle Welter von der WHee Film wiederum liebt es, möglichst viel Zeit am Set zu verbringen, was mich natürlich sehr entlastet. Auch Eva Hödlmoser als Producerin der Metafilm und Rupert Henning von der WHee Film sind häufig vor Ort.   


Am ersten Drehtag waren Sie aber dabei. Was stand als allererste Szenen auf dem Drehplan?

MICHAEL CENCIG:
  Am Beginn stand eine späte Szene im Film am Plan.  Elias‘ Jugendliebe taucht nach Jahrzehnten – äußerlich völlig unverändert – bei ihm am Berg auf, während er inzwischen stark gealtert ist. Die beiden sind sich einig darüber, dass es die Zeit in Wirklichkeit nicht gibt. Eine andere Szene, die ich gestern völlig unvorbereitet und sehr eindringlich erlebt habe, war Johannes Krischs Schmerzensschrei, nachdem er als Elias nach vierzig Jahren am Berg schwer erkrankt ist. Ich glaube, ich habe noch nie so einen Schrei gehört – und das in der Stille der Berge auf über 2000 m. Selten ist mir etwas so durch Mark und Bein gegangen.


Worauf wird es in der Regie bei diesem hochemotionalen und nicht gerade leichten Stoff, wo es auch um Depression und Selbstmord geht, ankommen? Wo wird Adrian Goiginger als Regisseur besonders gefordert sein?

MICHAEL CENCIG:
  Ich kann mir vorstellen, dass die Figur des Elias insgesamt die größte Herausforderung für den Regisseur ist, zumal er für ein und dieselbe Figur zwei in jeder Weise unterschiedliche Darsteller zur Verfügung hat. Auf der einen Seite der junge Jakob Mader, der noch keine professionelle Erfahrung als Filmschauspieler hat, auf der anderen Seite der Vollprofi Johannes Krisch. Es wird darum gehen, dass die beiden Interpretationen derselben Figur eine stimmige Einheit ergeben – und über die physische Ähnlichkeit läuft es nicht. Es muss schon dasselbe Grundgefühl vermittelt werden, und das wird an der Regie liegen. Die Arbeit mit den jungen Darsteller*innen ist generell eine spezielle Herausforderung für Adrian – der er auch besondere Aufmerksamkeit widmet. Jakob Mader und Iris Unterberger hat Adrian für einige Wochen auf einen Bauernhof geschickt, damit sie verinnerlichen, was es heißt, in einem bäuerlichen Umfeld zu leben.
Und dann wird es wichtig sein, dass es trotz der Thematik nicht zu schwer wird. Es wird darum gehen, das richtige Maß zu finden. Natürlich ist es kein leichter Stoff, aber es gibt sehr zarte Momente, die in der Schwebe gehalten werden wollen. Und es gibt auch heitere Momente. Die vermeintlich erdrückende Schwere war für mich auch ein Grund, warum ich Die beste aller Welten nicht gleich sehen wollte – ich wurde dann eines Besseren belehrt. Genau da liegt ja eine Stärke von Adrian Goiginger: dass dieser Film nicht runterzieht. Er verkörpert das ja selbst; es hat vielleicht mit seiner Lebensgeschichte zu tun. Er weiß wovon er redet, wenn es um „Schwere“ geht, aber auch wenn es um „Liebe“ geht. Wenn man mich fragt, Die beste aller Welten kurz zusammenzufassen, dann würde ich es als Liebesgeschichte zwischen dieser allein kaum mehr lebensfähigen Mutter und diesem allein noch nicht lebensfähigen Buben beschreiben. Sie halten einander am Leben durch ihre Liebe. Das könnte mit ein Grund sein, warum Adrian zu Märzengrund so schnell Ja gesagt hat: diese gewisse Schwere, aber am Ende siegt die Liebe.


Wie sehr ist dieser Schritt in die Spielfilmproduktion eine logische Konsequenz und vielleicht auch ein Verweis zu Ihren Anfängen als Filmemacher, wo ein Spielfilm zu finden ist.

MICHAEL CENCIG: 
Es ist schon interessant. Ich habe mit 30 meinen ersten und einzigen Kinospielfilm als Autor und Regisseur gemacht – Giulia Super. Nun bei meinem ersten Kinospielfilm als Produzent bin ich 60. Der Spielfilm vor 30 Jahren ist sehr schnell entstanden. Ich hatte die Filmakademie absolviert, nach ein paar Jobs war dieser Kinospielfilm meine erste professionelle Arbeit. Mit diesem Film war das Thema Kinospielfilm aber auch gleich wieder vorbei. Ich machte noch einen Fernsehspielfilm und dann habe ich nur noch im dokumentarischen Bereich gearbeitet. Bis heute kann ich nicht sagen, warum. Es war einfach so. Ich habe viele Dokumentarfilme gemacht, wo es um Menschenportraits ging. Das war schon auf der Filmakademie meine Stärke. Es hat sich wie von selbst ergeben, und ich hatte auch drei Kinder und musste Geld verdienen. Ich bin immer noch auch als Gestalter tätig. Parallel zu Märzengrund drehe ich auch jetzt einen kleinen Dokumentarfilm, weil es auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Metafilm ist. Es ist ja nicht so, dass uns dieser Kinospielfilm von allem anderen enthebt. Wir müssen unser normales Geschäft weiterführen und die soliden, seit langem aufgebauten Partnerschaften müssen weitergepflegt werden. Gerne würde ich im Spielfilm etwas ausbauen und weiterentwickeln, es kann aber sein, dass uns dasselbe Schicksal ereilt wie nach Giulia Super. Niemand kann das wissen. Ich habe das Gefühl, diese Symmetrie mit 30 und 60 hat etwas von einer inneren Stimmigkeit. Ich habe nie mein Glück davon abhängig gemacht, Spielfilm zu machen. Ich habe ein paar Projekte bis zur Projektentwicklung gebracht, nie aber zur Herstellung. Das erzeugt schon auch eine gewisse Frustration, kostet Geld und Energie. Ich weiß nicht, wie oft ich es noch versucht hätte, wenn das jetzt nicht geglückt wäre. Bei Märzengrund hatte ich das Gefühl, wenn wir es mit dieser Konstellation nicht schaffen, wann dann?



Interview: Karin Schiefer
August 2020














«Dieser radikale Ansatz kann nicht die Antwort für alle sein, aber es ist der Gegenentwurf zu dem, was wir hier leben.»