Marko Doringer ist ein Zweifler. Der Titel seines neuesten Films Mein Wenn und Aber könnte es nicht klarer auf den Punkt bringen. Künstlerische Karriere, Beziehung oder Vater-Sein – die wirklich großen Fragen
legt er lange auf die Waage und es entsteht ein Film dabei. Was er als dreißigjähriger Filmemacher mit Mein halbes Leben begann,
führt er mittlerweile als Mitt-Vierziger weiter und verwebt das eigene Hin und Her mit den Lebensentwürfen einiger Zeitgenossen.
Mein Wenn und Aber richtet seinen Blick auf den Balanceakt zwischen Arbeit und Familie.
Mein Wenn und Aber lässt sich in zweierlei Hinsicht betrachten: zum einen per se, als ein Blick ins Leben einiger 30- bis 40-jähriger Paare und
auf ihre Zerrissenheit zwischen beruflicher Verwirklichung und dem Wunsch nach qualitätsvoller Partnerbeziehung und auch Elternschaft.
Man kann den Film aber auch als Teil 3 einer Serie sehen: nach Mein halbes Leben (2008) und Nägel mit Köpfen (2013) als eine Dokumentation Ihres von Zweifeln gesäten, privaten wie beruflichen Wegs durchs Leben. Wie ist grundsätzlich
die Idee entstanden, Ihr eigenes Leben zum Filmthema zu machen?
MARKO DORINGER: Da muss ich jetzt kurz zu meinem Film Mein halbes Leben zurückschweifen. Als ich 25 wurde hatte ich mein Studium der Verfahrenstechnik an der TU Graz abgebrochen, um mich als Filmemacher
„selbst zu verwirklichen“ und war, subjektiv gesehen, damit relativ erfolglos. Mit 30 hatte ich dann eine ähnliche Erfahrung
wie in Ingeborg Bachmanns Das dreißigste Jahr: ich bin aufgewacht mit der Erkenntnis 30 zu sein und nichts erreicht zu haben. Was sollte ich nun mit meinem restlichen Leben
machen? So entstand die Idee zu Mein halbes Leben, ausgehend von meinen ersten dokumentarischen Arbeiten, wo ich Lebensgeschichten meines Umfelds nachgegangen bin. Da der
Anstoß zu diesem Film ein sehr persönlicher war, lag der Gedanke nahe, auch meine eigene Lebensgeschichte filmisch festzuhalten
und sie in meinen Film einzubauen. Nach dem ersten Film hat sich die Idee dann verfestigt, eine Art Lebensverfilmung zu machen.
Das ist vielleicht eine Nische, die sich langsam entwickelt hat und an der ich nun schon einige Zeit drangeblieben bin. Aber
meine eigene Geschichte allein macht den Film ja nie aus, sondern es kommen weitere Lebensgeschichten – meist sind es drei
– dazu. Meine Intention liegt darin, diese individuellen Lebensgeschichten als Fallbeispiele für eine größere Gruppe und unsere
Gesellschaft zu sehen. Dabei sollen die Filme einerseits für sich und gleichzeitig zusammenhängend als übergeordnetes Werk
funktionieren. Und ich bin die verbindende Konstante zwischen den Filmen.
Was heißt es überhaupt, sich selbst und sein Dasein zum Kern eines Films bzw. – wie sich herausstellen wird – seines Oeuvres
zu machen. Sein Leben zu leben und gleichzeitig auf der Meta-Ebene mitzureflektieren? Gibt es da auch Abwägungen, ehe man
diesen Schritt unternimmt?
MARKO DORINGER: Bei Mein halbes Leben hatte ich keinerlei Zweifel. Da habe ich mich mit jugendlichem Leichtsinn einfach hineingestürzt. Im Vordergrund stand der
Gedanke, dass ich nicht nur „andere Lebensgeschichten“ filmen wollte, sondern eben auch selbst dafür bereit sein wollte. Denn
dass auch ich mein Leben vor die Kamera bringe, hat auch mit dem Gewissenskonflikt zu tun, dass ich meinen Protagonist*innen
viel abverlange; und so exponiere ich nicht nur deren Geschichten, sondern auch meine eigene. Zweifel darüber kommen manchmal
eher bei meiner Partnerin auf, die durch die Beziehung mit mir da hineingerutscht ist. Bei mir selbst kommen mit zunehmendem
Alter nun zwar keine Zweifel auf, aber es wird irgendwie anstrengender für mich, so zu arbeiten. Denn jetzt merke ich manchmal,
dass ich bis zu einem gewissen Grad mein Leben für den Film aufhebe. Wenn ich mit Marlene gewisse Dinge besprechen will und
ich das Gefühl habe, dass sie filmisch wertvoll sein könnten, dann halte ich sie zurück, bis zum Filmen Zeit ist. Ich merke
erst im Nachhinein, wie sehr diese Entscheidung, das Leben zu filmen, auch das Leben selbst beeinflusst hat.
Zwischen den Filmen der Trilogie liegen einmal fünf einmal sieben Jahre. Die Filme selbst sind keine Momentaufnahmen, sondern
verfolgen die Protagonist*innen über einen gewissen Zeitraum, um auch von einer Entwicklung zu erzählen. Rechnet man die Postproduktion
sowie das Konzipieren des nächsten Projekts ein, könnte man sich vorstellen, dass Leben und Filmen inzwischen eins geworden
sind?
MARKO DORINGER: Früher hatte ich zwischen den Filmen eine Pause, nicht zuletzt, weil ich von der filmischen Arbeit sehr ausgelaugt war und
auch für die Finanzierung des Folgeprojekts sorgen musste. Mein Wenn und Aber hat so lange gedauert, dass es nötig war, auch das nächste Projekt bereits aufzubereiten. Diese Pausen sind eigentlich nicht
mehr da. Die Übergänge von einem Projekt zum nächsten sind fließend.
Den Filmen wohnt eine Konstante inne – Marko bzw. Marko und Marlene. Was jedes Mal wechselt, sind die anderen Protagonist*innen
und die Fragestellung, die sie bewegt.
In Mein Wenn und Aber arbeiten Sie mit anderen Filmemacher*innen, die alle auf ihre Weise den Grat zwischen kreativer Arbeit und Familien-/Privatleben
zu bewältigen versuchen. Können Sie kurz beschreiben, wie und warum sie einen Platz in Ihrem Film gefunden haben?
MARKO DORINGER: Für mich geht es in Mein Wenn und Aber sehr stark um den Einfluss von Arbeit auf das Privatleben. Der Film zeigt Beziehungen im Hier und Jetzt. Arbeit hat für unsere
Gesellschaft einen wichtigen Stellenwert, das war schon immer so. Aber gerade heute bei den modernen flexiblen Arbeitswelten
ist der Aushandlungsprozess zwischen den Partnern stärker als in den Generationen davor. Und wie wirkt sich das auf das gesamte
Beziehungs- und Familienleben aus? Ich hatte nach Nägel mit Köpfen ein Burn-out, weil ich total überarbeitet war. So etwas wirft die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Arbeit auf. Warum identifizieren
wir uns so stark über Arbeit und Erfolg? Aus dieser persönlichen Erfahrung entstand die Fragestellung für den dritten Film.
Da ich selbst Filmemacher bin, habe ich mich dazu entschieden, meine Protagonist*innen in einem Umfeld zu suchen, das meinem
sehr nahe ist. Ich wollte nicht die Filmemacher*innen an sich in ihrem Beruf zeigen, sondern vielmehr die Menschen, die dahinter
sind. Ich filme mit Shaheen, der aus Bangladesh stammt und schon lange in Deutschland lebt; für ihn ist beruflicher Erfolg
ganz wichtig, seine Arbeit beschäftigt ihn rund um die Uhr und er gerät dadurch ins Spannungsfeld mit seiner Frau, die sich,
wenn sie von ihrem Bürojob nach Hause kommt, Beziehungsleben wünscht. Paul und Catalina, deren zweites Kind gerade unterwegs
ist, stehen vor der Frage, wie sich Elternschaft, Beziehung und Beruf miteinander verbinden lassen. Und es schwingt da auch
eine Angst mit, etwas zu vernachlässigen, was im Nachhinein nicht mehr gutzumachen ist. Der dritte Protagonist ist Wolfram,
der deutlich jünger und beruflich wie privat noch im Findungsprozess ist. Das Besondere an seiner Geschichte ist, dass er
eine Fernbeziehung mit Eva aus Taipeh führt und sich für ihn die Frage stellt: „Lohnt es sich, der Liebe wegen und nicht der
Arbeit wegen, in die Welt zu gehen?“ Dann gibt es im Film mich und meine Beziehung mit Marlene. Dabei steht am Anfang unsere
Entscheidung, ein Kind zu bekommen. Es geht sehr stark um meinen Vaterwerdungsprozess und meine damit verbundenen Ängste.
Ich gehe in meiner Spurensuche immer sehr stark eine Generation zurück und frage mich, woher unsere Wünsche, Träume aber auch
Ängste und Unsicherheiten kommen. Bei mir führt diese ganz klar auf meinen Vater zurück, der einen Großteil meines „Wenn und
Abers“ ausmacht. Im Film stehen meiner Generation meine Eltern gegenüber. Bei ihnen war es klar, dass sich vorwiegend der
Mann beruflich verwirklicht – und das meist auf Kosten der Partnerin. Heute ist es nicht mehr so, dass ausschließlich ein
Partner für den anderen verzichten muss. Es ist ein Tauziehen zwischen Partner, Berufsleben und der Frage, ob man sich genug
Zeit für die Kinder nimmt. Und dabei wollen wir natürlich vieles besser machen als unsere Eltern machen. Mein Wenn und Aber ist somit ein generationenübergreifender Film.
Da Sie in Mein Wenn und Aber mit Kolleg*innen arbeiten, finden auch Filmausschnitte, wo sie sich jeweils mit eigenen Fragen zur Rolle ihrer Eltern oder
ihrem Beziehungsverhalten auseinandergesetzt haben, Einzug in den Film. Warum war es Ihnen wichtig, diese Ausschnitte im Film
zu haben? Mit einem weiteren Ausschnitt bauen Sie auch einen Bogen zu Mein halbes Leben. Wie sehr ist dieser Kunstgriff, in
den Film Loops einzubauen, auch ein konzeptueller Ansatz, der formal das Thema des Selbstreferentiellen unterstreicht?
MARKO DORINGER: Mein Wenn und Aber hat aufgrund meiner Burnout-Erfahrung einen sehr persönlichen Hintergrund. Daher rührt die Entscheidung, auf eine sehr persönliche
Spurensuche zu gehen und in Folge eine sehr spezielle Personengruppe zu wählen, um anhand dieses Berufstyps ein Generationenportrait
zu schaffen, das eine gewisse Allgemeingültigkeit hat. Der Gedanke, auch deren filmische Arbeit einzubauen, war naheliegend.
Denn ein Großteil des Berufs des Filmemachens besteht ja in Büro- und Computerarbeit, die in filmischer Hinsicht nicht sehr
spannend ist. Daher ist der Gedanke entstanden, Filmausschnitte von einem schon existierenden Werk meiner Kolleg*innen zu
zeigen – quasi das Ergebnis ihrer Arbeit. Dabei war es mir wichtig, das Werk der Kolleg*innen so einzubauen, dass es sich
in den Handlungsstrang von Mein Wenn und Aber dramaturgisch einwebt und man dabei auch über das Leben der Person selbst etwas erfährt. Daher habe ich mich bei meiner Recherche
auch auf Kolleg*innen konzentriert, die schon mal autobiografisch gearbeitet und ihr eigenes Leben filmisch thematisiert haben.
Der Ausschnitt aus Mein halbes Leben dient auch wieder dazu, ein Gleichgewicht zwischen meinen Protagonistinnen und mir herzustellen.
Es ist auch die Stelle, wo Ihnen Ihr Vater ironischerweise nahelegt, es mit dem Filmemachen sein zu lassen.
MARKO DORINGER: Es ist mir sehr wichtig, auch eine Ironie und einen Unterhaltungswert einzubringen. Es soll ja kein depressiver Film über
unsere Arbeit und Generationenprobleme sein. Ich hoffe, das gelingt. Neben der persönlichen Geschichte zwischen meinem Vater
und mir vertreten meine Eltern in Mein Wenn und Aber die Generation 60+. Indem ich diese und meine Generation im Film gegenüberstelle, erkennt man wechselseitig, wie Arbeit, Beziehung,
Familie gelebt wurde – und heute neu versucht wird. Man erkennt Prägungen, Neuversuche, Sackgassen. In diesen Sinne ist Mein Wenn und Aber auch ein Film, der quasi zwischen der Generationen vermittelt.
Allen drei Filmen gemeinsam ist das Festhalten sehr persönlicher und intimer Momente, an denen Sie und die Protagonist*innen
das Publikum teilhaben lassen. Wie gelingt es Ihnen, diese Bereitschaft zu erreichen und zu halten? Diese Momente mit der
Kamera festzuhalten, heißt auch, sie provozieren zu können und sie dann möglichst geistesgegenwärtig und technisch einwandfrei
festzuhalten. Wie erleben Sie die Drehmomente?
MARKO DORINGER: Das ist eine schwierige Frage. Manchmal bin ich mir da selber nicht so sicher, wie ich das mache. Ich habe beim Dreh kein
0-8-15-Konzept sondern arbeite situationsbezogen, intuitiv und dabei mit kleinstmöglichem Team. Während der Drehphase kenne
ich die thematischen Stoßrichtungen. Wichtig ist es dabei, vollkommen offen zu sein. Es bringt gar nichts, wenn ich versuche,
meine Protagonist*innen irgendwo hinzulenken, was gar nicht ihr Thema ist. Denn meine Filme werden vom Leben geschrieben.
Irgendwann habe ich das Gefühl, genug Material zu haben. Meistens spürt man auch beim Gegenüber, dass die Luft draußen ist.
Dann weiß ich, jetzt ist Drehschluss. Der intensivste filmische Prozess bei meinen Arbeiten findet im Schneideraum statt,
wo ich versuche, das gesammelte Material zu verdichten und dramaturgisch in die Form eines Spielfilms zu bringen. Aber ich
denke, am Wichtigsten ist das gegenseitige Vertrauen zwischen meinen Protagonist*innen und mir. Denn an meinen Filmen teilzunehmen
hat mit einer gewissen Selbstauslieferung zu tun. Das Vertrauen mir gegenüber ist vielleicht deshalb größer, weil auch ich
mich im Film exponiere. Zusätzlich wissen die Personen, dass sie vor der Veröffentlichung den Film nochmals sehen und Einzelheiten
diskutiert werden können. Erst dann bekomme ich von ihnen die Einwilligung zur Veröffentlichung. Somit passiert diese „Selbstauslieferung“
nicht nur der Protagonist*innen gegenüber mir als Regisseur – sondern auch in die andere Richtung.
Wie richten Sie die Drehsequenzen mit sich selbst und Marlene ein? Filmen Sie sehr viel mehr als im Film zu sehen ist? Provoziert
eine bestimmte Situation den Griff zur Kamera oder ist es eher umgekehrt?
MARKO DORINGER: Wahrscheinlich beides. Das Setting Privatsphäre weicht auch manches auf. Die Szenen zwischen Marlene und mir filmen wir manchmal
selber, manchmal haben wir ein Filmteam, das uns filmt. Ob wir selbst filmen oder gefilmt werden, hängt meist vom Thema ab.
Manchmal haben wir sehr intime Gespräche, dann ist es besser, wenn kein Einfluss von außen kommt und ich stelle drei Kameras
aufs Stativ und versuche ein Sofagespräch zu dokumentieren. Wenn es szenische Dinge sind, dann sind wir eher mit Team. Dabei
habe ich gewisse Themen, die ich mir als Regisseur für Momente mit Kamera aufspare. Aber Marlene ist im Laufe des filmischen
Prozesses ausgehend von Mein halbes Leben bis hin zu Mein Wenn und Aber als Teil 3 „filmisch emanzipierter“ geworden und bringt nun auch ihre Themen ein. Generell kenne ich während des Entstehungsprozesses
des Films aber selbst den Ausgang meiner Filme nicht. Ich glaube, es ist eine der Stärken meiner Filme, dass es nicht nur
ein Thema gibt, auf das alles abzielt, sondern dass sie sehr vielschichtig sind. Meine Filme können sehr individuell gelesen
werden. Genauso ist es beim Dreh. Es ist ja eine Lebensverfilmung mit offenem Ausgang, insofern weiß ich natürlich nicht,
wohin die Reise geht.
Die Dreharbeiten sind oft mit sehr weiten Reisen verbunden. Vielleicht auch mit vielen Drehs, die nicht unbedingt ergiebig
sind. Wie arbeitsaufwändig ist diese Art dieses scheinbar sehr privaten Filmemachens?
MARKO DORINGER: Ich glaube nicht weniger aufwändig als Filmemachen generell. Und „zu Hause“ zu filmen ist nicht minder anstrengend. Die
Schwierigkeit liegt eher darin, und ich ertappe mich immer dabei, dass man weniger gezwungen ist, straffe Zeitpläne einzuhalten
wie das bei den Dreharbeiten in Bangladesh oder in Taipeh der Fall war. Wenn die Leute wissen, der Dreh findet in Wien statt,
dann wird auch leichter verschoben, weil es vermeintlich ohne großes Umorganisieren auch am nächsten Tag stattfinden könnte.
Und noch extremer ist es, wenn man in der eigenen Wohnung filmt. Man gibt immer den anderen den Vortritt, schiebt weite Reisen
ein und stellt plötzlich fest, dass man schon ganz lange nicht mehr mit der eigenen Familie gedreht hat.
Wer die drei Filme verfolgt hat, hat Sie als ewigen Zweifler kennengelernt, der sich in keiner Rolle wirklich sicher ist.
Wie sehr ist Marko Doringer im Film er selbst oder doch inzwischen eine Rolle geworden?
MARKO DORINGER: Dieser Diskrepanz kann man sich vor der Kamera natürlich nicht entziehen. Das Bewusstsein, dass eine Kamera im Raum mit filmt,
spielt nicht nur bei mir sondern auch bei den anderen Protagonist*innen eine Rolle. Es macht auch die Qualität meiner Filme
aus, dass ich mit Leuten arbeite, die mir in Augenhöhe gegenübertreten und wissen, was da passiert. Was mich selbst betrifft,
so versuche ich beim Drehen, möglichst ich selbst zu sein. Also ja: der Marko auf der Leinwand ist ein Teil von mir. Aber
natürlich ist der Film nur ein kleiner Ausschnitt von meinem Leben, von meinem Ich und von den Lebensgeschichten der anderen
Menschen, die zu sehen sind. Ich bemühe mich, während des Drehs möglichst offen und ehrlich zu sein und eine Authentizität
zu wahren. Im Schneideraum stelle ich keinerlei Anspruch auf Objektivität, sondern versuche, Geschichten zu erzählen, in denen
sich das Publikum wiederfindet und die eine Relevanz für die Zuseher*innen hat.
Die Jahre vergehen, die Zweifel bleiben. Hat sich Ihr Zugang zum Leben, zum Scheitern verändert? Hat diese Arbeit Ihre Zweifel
zumindest befriedet?
MARKO DORINGER: Ich habe mir gestern zur Vorbereitung des Gesprächs Mein Wenn und Aber zusammen mit Marlene angeschaut. Ihr Kommentar war: „Marko, du bist nicht sehr viel weitergekommen“. Aber: ich halte meinen
Lebenszweifel für meinen wichtigsten filmischen Motor. Zurzeit sitze ich wieder am Schneidetisch für meinen nächsten Film,
der nach Mein Wenn und Aber erscheinen wird. Marlene erlebt es hautnah, wie anstrengend dieser Schaffensprozess ist und wie sich schwierige Momente auf
meinen Gemütszustand schlagen. Dann stelle ich mir Fragen, die sich wohl viele andere Menschen auch stellen. „Warum mache
ich das?“ Andererseits stellt sich die Frage: „Was soll man sonst machen?“ Und langsam wird man dabei 50.
Interview: Karin Schiefer
Februar 2021