Die Furcht, unsere Arbeits- und Liebeswelt könnte bald von humanoiden Maschinen durchdrungen sein, ist ebenso groß wie die
Faszination des Menschen, an der Programmierung seines artifiziellen Ebenbilds und der Überwindung seines physischen Daseins
zu tüfteln. Maria Arlamovsky hat einmal mehr eine Reise Richtung Zukunft unternommen. In Robolove erkundet sie Ambitionen und Grenzen in Forschung und Entwicklung und stellt die Frage, warum alle Prototypen weiblich, hübsch
und freundlich sind.
Nach ihrem letzten Dokumentarfilm Future Baby beschäftigen Sie sich in Robolove einmal mehr mit der Thematik, wie die Polarität von Mensch und Maschine immer stärker zu einer Schnittfläche wird, wie sehr
Maschinen in der Lage sind, das Mensch-Sein zu durchdringen, oder den Menschen zu ersetzen. Worin liegt die Faszination an
dieser Thematik?
MARIA ARLAMOVSKY: Wir sind in einem Zeitalter, wo sich biotechnisch und technologisch wahnsinnig viel tut. Die Technologie hat unseren Alltag
total verändert. Wenn man vorne dabei sein will, muss man mitmachen. Future Baby hat mir bewusst gemacht, wie essentiell eine Teilhabe an der Diskussion ist. Das Thema ist aber so komplex, dass die meisten
Menschen das Gefühl haben, nicht mehr mithalten zu können. Das ist schade, denn so lange wir uns nicht einmischen, werden
auch unsere Bedürfnisse nicht berücksichtigt. Es geht nicht nur um die Roboter in der Fabrik, die Menschen arbeitslos machen.
Künstliche Intelligenz dringt zutiefst in unsere Privatsphäre ein und verändert auch unser Beziehungsverhalten. Schwierig
ist es, ein so komplexes Thema zugänglich zu machen.
Hat Future Baby Sie zu den Robotern geführt?
MARIA ARLAMOVSKY: Eigentlich schon. Es hat mich die Frage beschäftigt, warum wir Wesen kriegen wollen, die uns so ähnlich sind. Was steckt
hinter der Klon-Idee? Warum wollen wir unser Ebenbild schaffen? Warum spiegeln wir uns am liebsten in uns selber? Das findet
in eugenischen Visionen – des verbesserten Menschen seinen Niederschlag und natürlich auch bei humanoiden Robotern. Interessant
ist, warum sind diese Wissenschaften von so vielen männlichen Visionären durchdrungen, die vom Wunsch, technologisches Neuland
zu betreten, getrieben sind? Ich glaube, das Bedürfnis, Kreaturen mit den Mitteln der Technik zu schaffen, wurzelt auch in
einer Art „Gebärneid“, der Abhängigkeit von der weiblichen Fähigkeit, Kinder zu bekommen.
Der Titel ROBOLOVE wirft eine doppelte Bedeutung auf: Geht es Ihnen um die Liebe als zutiefst menschliches und sinnstiftendes
Gefühl der Verbundenheit zum anderen, das sich zu einem Ersatzobjekt verlagert oder um die Liebe zur Technik und zum Forschungstrieb,
mithilfe der Technik dahin zu gelangen, ein Abbild des Menschen zu kreieren und letztlich auch den Tod zu überwinden?
MARIA ARLAMOVSKY: Es wäre schön, wenn der Film beides transportiert. Der technologische und visionäre Aspekt überwiegt. Die Idee des perfekten
Sklaven, der perfekten Dienerin steht im Raum, eine Vorstellung von der Perfektion eines Gegenübers, das auch uns erhöht.
Es gibt Visionäre, die von der Ambition angetrieben sind, eine Maschine zu einem Pseudo-Menschen zu machen, mehr noch, etwas
Besseres als den Menschen zu kreieren. Beim Aspekt der Liebe zu einem Ersatzobjekt, steht die einfache Liebe im Vordergrund;
damit meine ich eine Liebe, bei der man sich nicht mehr anstrengen muss, die einen weder verletzen noch verlassen kann. Es
ist eine Liebe die kontrollierbar wird, weil sie Technik und nicht Mensch ist. Mensch bedeutet ja bis jetzt noch immer für
Natur’ und Natur steht für das Unbeherrschbare. 2007 ist das Buch Love and Sex with Robots erschienen, das einen enormen medialen Hype ausgelöst hat. In Wirklichkeit findet das ja gar nicht statt. Es wird zwar an
Prototypen herumgebastelt, die weit davon entfernt sind, einen Menschen zu ersetzen. Der Wunsch nach der perfekten Anderen,
die ich jederzeit abschalten kann, scheint tief verwurzelt zu sein. In konnten wir das auch in Bilder fassen, wo der Roboter
abgedreht wird, und in sich zusammensinkt.
Eine der zentralen Persönlichkeiten in Robolove ist der japanische Forscher Hiroshi Ishiguro. Wie kam es zur Begegnung mit ihm?
MARIA ARLAMOVSKY: Mich hat anfangs der Frauen-Aspekt besonders interessiert. Warum wird plötzlich an Plastikfrauen herumexperimentiert? Warum
sind die Roboter, die entwickelt werden, Frauen? Wie werden wir als Frau „angefertigt“? Wie binden wir uns an Objekte? Hiroshi
Ishiguro ist in der Androidenforschung einer der Pioniere. Ihn habe ich sehr früh bei einem Science-Festival in Tschechien
angesprochen und er hat mir angeboten, in seinem Labor, wo sein Roboter Erica entwickelt wird, zu drehen. Er sagte: „Wir arbeiten
vor allem an Frauen weil sich niemand vor ihnen fürchtet“. Außerdem hat er mich mit der Aussage irritiert: „Wir Menschen sind
einfach Affen, die Technik verwenden“. Das ist eine sehr streitbare, aber auch richtige Aussage. Er hat sehr viel zur Frage
„Was macht uns Menschen aus?“ geforscht. Je mehr humanoide Maschinen man bauen will, umso besser muss man den Menschen in
seinen kleinsten Mechanismen beobachten und verstehen, um in der Folge die Roboter programmieren zu können. In einer Studie
schreibt er darüber, wann Menschen an Gesprächen interessiert sind: Wir müssen zu 75% übereinstimmen, und mindestens zu 25%
anderer Meinung sein, sonst bleibt das Gegenüber uninteressant. Es hat mich schockiert, dass sich so ein Faktor rein mathematisch
bestimmen lässt, umgekehrt hat es mich wieder fasziniert, dass es so simpel ist. Das bedeutet, je mehr man sich damit auseinandersetzt,
wie wir funktionieren, umso mehr rutschen wir in die Kränkung, dass wir etwas „Maschinelles“ an uns haben. Wir sind nicht
so aufregend und individuell, wie wir uns das gerne vormachen.
War es Ihnen ein Anliegen, Ihre Zuschauer in ungewohnte Denkrichtungen zu lotsen?
MARIA ARLAMOVSKY: Das berühmte Aus-der-Box-Denken liegt bei diesem Thema auf der Hand. Das galt bereits für die Recherche. Es waren die unkonventionellen,
skurrilen Denkansätze, die mich weitergebracht haben. Ich denke nur an die transhumanistischen Ideen, mit denen ich grundsätzlich
gar nichts anfangen kann. Dennoch konnte ich gerade in Gesprächen mit Transhumanisten hochinteressante Fragen diskutieren.
Sie haben gute Argumente und es werden einem Dinge bewusst, die man sonst vorab schon als befremdlich abgetan hätte.
Was waren die wichtigen Denkanstöße und Knotenpunkte, die Ihre Arbeit vorangetrieben haben?
MARIA ARLAMOVSKY: Einen Anstoß lieferte wie gesagt die Entdeckung, dass an „neuen“ Frauen gebastelt wird, die brav und gefügig sind, eine freundliche
Stimme haben. Eine weitere wichtige Begegnung war das Projekt Bina 48, das von Martin Rothblatt finanziert wird, einem Transgender-Mann, der durch die Erfindung des Satelliten-Radios reich geworden
ist. Er ist ein ausgesprochener Transhumanist, der sehr viel darüber reflektiert, wohin sich die Menschheit entwickelt und
die Frage verfolgt, wie sehr Technik weiterhelfen wird, dass diese Entwicklung in eine interessante Richtung geht. Er ist
mit der „echten“ Bina verheiratet. Bei Bina 48 geht es nicht mehr um das brave Weibliche und Sexuelle, sondern um Fragen nach der Lebensverlängerung. Hier sind wir mitten
im Transhumanismus, bei dem es immer auch um die Frage geht, wie wir den Tod überwinden können. Ziel dieses Projekts ist es,
„mind“ (das mag man nun mit „Kognition“ oder „Geist“ übersetzen) upzuloaden. Bina 48 bekommt verschiedene Ideen, Vorstellungen
und Geschichten der menschlichen Bina Rothblatt programmiert, der Roboter kann aus diesem Pool an gefütterten Infos schöpfen.
Die Täuschung, der wir auch beim Sichten dieses Films erliegen, liegt darin, dass ja Menschen den Robotern Inhalt und Stimme
verleihen. Nur zu gerne möchten wir glauben, dass da eine selbstständige Maschine mit uns spricht. So weit, dass ein Roboter
selbstgefertigte Sätze mit uns sprechen, sind wir noch lange nicht. Es war in der Recherche- wie in der Drehphase viel Enttäuschung
dabei. Zunächst hat es sich so angehört, als ob schon in allen Ecken der Welt Menschen mit einem Sexroboter oder sozialen
Roboter leben würden. Das stimmt überhaupt nicht. Die Roboter sind immer noch im Labor. Was es gibt, sind Sexpuppen, denen
in Zukunft ein Roboterkopf aufgesetzt werden wird. Außer ein bisschen Stöhnen und einer Art Siri-Funktion können die aber
nichts. In einem nächsten Schritt beim Dreh begannen wir, die Macher dieser Maschinen und ihre Visionen mit möglichen unvoreingenommenen
Usern zu konfrontieren. In einer Art Mini-Intervention überprüften wir, was die Maschine mit den Menschen macht? Es war schnell
klar, dass diese Roboter, die vorgeblich für alle da sein sollten, eindeutig für einen männlichen Markt konzipiert wurden
und keinerlei weibliche Wünsche bedienen. Schnell hat sich für mich aber auch der Verdacht erhärtet, dass wir es mit einer
Art Märchen wie Des Kaisers neue Kleider zu tun haben. Jeder tut so beeindruckt, in Wirklichkeit ist nicht viel dahinter.
Wie groß war die Herausforderung, einen Film, der so viel für die Zuschauer unbekanntes Wissen transportiert, mit dem bildhaften
Erzählen für das Kino zu verbinden?
MARIA ARLAMOVSKY: Das war eine wirklich große Aufgabe. Da wir viel mit Forschern gesprochen haben, saßen wir immer wieder in kleinen Labor-
oder Büroräumen... ästhetisch ist das ziemlich frustrierend und filmisch sehr undankbar. Wir haben das schon bei Future Baby erlebt. Immerhin lieferten bei Robolove die „Mensch-Maschinen“ ästhetisch einen Anreiz. Wir haben daher viel über Nahaufnahmen gefilmt, weil ich das Körperliche
stark einbringen wollte. Wenn ich etwas durch die Auseinandersetzung für Robolove gelernt habe, dann, wie genial der menschliche Körper ist und funktioniert. Die kleinste Fingerbewegung, die wir mit großer
Selbstverständlichkeit ausführen, ist hochkomplex, wenn eine Maschine sie imitieren soll. Wäre das Menschliche nicht so unglaublich
großartig, wäre es nicht so schwierig, den Maschinen das beizubringen. Wir haben versucht, eine Art entsexualisierter Erotik
zu erzeugen, letztendlich auch, um den menschlichen Körper zu feiern. So haben wir die Sexpuppe z.B. beim Anziehen und nicht
beim Ausziehen gefilmt und dabei festgestellt, dass der Popo zu groß ist für die Kleider, die vorgesehen waren. Wir versuchten
immer, der Grundidee einer Figur entgegenzuwirken. Bei Bina 48 skypt der Sohn der tatsächlichen Bina mit der artifiziellen
Bina 48 und fragt sie nach Erinnerungen ab. Man sieht an seinen leuchtenden Augen, wie sehr er sich freut, dass diese Plastikmutter
davon spricht, wie toll er sich bei der Geburt seiner eigenen Kinder verhalten hat. Es macht ihn glücklich, obwohl er weiß,
dass nicht seine eigene Mutter zu ihm spricht. Dieses changierende Bewusstsein halte ich für sehr spannend.
Das entgrenzende Denken ist sehr schwer ohne Grenzen vorstellbar. Was passiert, wenn sich jeder Mensch perpetuiert und sein
Selbst in einer Form weiterhin vorhanden sein wird,
Wird die Welt voll von künstlichen Wesen sein? Wird über eine letzte Konsequenz nachgedacht?
MARIA ARLAMOVSKY: In allen Ländern, wo Bildung steigt, sinkt die Reproduktionsrate. Gesellschaften wie die japanische veraltern. Deshalb hat
die japanische Regierung vor Jahren sehr viel Geld in Robotik gesteckt, mit der Vision, für die alten, pflegebedürftigen Menschen
Roboter zu kreieren, auch um Arbeitsmigration in Pflegeberufen zu vermeiden. Technischer Fortschritt ist immer etwas, das
zunächst unerhört und beängstigend ist, weil es einen aus den Gewohnheiten drängt. Wenn eine Neuheit dann aber ein Bedürfnis
in uns befriedigt, dann wird sie angenommen. Richtig schräg ist, dass in Japan viele 30/40-Jährige keinen Sex mehr haben,
sondern lieber mit Anime-Freundinnen und Freunden am Handy über Social Bots kommunizieren. Da beginnt es gruselig zu werden.
Es ist auch schon üblich, sich über eine App jemanden zu bestellen, der einen gegen Bezahlung ins Café begleitet. Den emotionalen
Aufwand für Freundschaft kann sich keiner leisten und ist mit den Jobs und dem Alltag nicht vereinbar. Ich glaube, hier werden
zwei Haltungen auseinanderdriften. Es wird die geben, die Technik immer stärker ablehnen und sich zurückziehen und jene, die
immer einen Anreiz entdecken werden, mitzumachen. Eine Frage bleibt für mich im Vordergrund: Warum wollen Menschen sich immer
weniger emotional anstrengen und verlieren die Bereitschaft, eine Art von sozialer Arbeit nämlich Liebe zu leisten?
Wie Future Baby ist auch Robolove eine Reise um die Welt mit Gesprächspartnern in den USA, Europa und vor allem Südostasien. Haben Sie eine Erklärung dafür
gefunden, dass besonders in Ostasien die Forschung und Entwicklung von Robotern so weit fortgeschritten ist?
MARIA ARLAMOVSKY: Ich glaube, es gibt dafür viele Erklärungen. Ich fühle mich nicht berufen, hier eine profunde Analyse abzugeben. Es gibt
aber jede Menge Literatur zu diesem Thema.
Gewiss ist, dass der kulturell-religiöse Ansatz eine Rolle spielt. In Asien wird kein Unterschied zwischen beseelter und unbeseelter
Materie gemacht. Alles gilt als beseelt. Insofern hat man auch kein Problem damit, mit einem Kaffeeautomaten zu sprechen.
Das ist vom Menschlichen nicht getrennt, noch ist es weniger wert. In Europa kommen wir aus einer sehr hierarchisierten Kultur.
Hiroshi Ishiguro erzählt, wie schwer es für ihn nachvollziehbar ist, dass man in Europa jahrhundertelang Sklaven und Frauen
keine Seele zugesprochen hat. Auch ein Gedankenexperiment: Wer bekommt das Menschsein zugesprochen? Auch das ist immer in
einem kulturellen Wandel begriffen.
War es in Europa schwieriger, spannende Ansätze zu finden?
MARIA ARLAMOVSKY: In Europa beginnt es schon damit, dass ein Roboter, der in der Wohnung zum Einsatz kommt, der seine Nutzer immer hören und
sehen muss, datenschutzrechtlich Probleme aufwirft. Wir wissen allerdings, dass Fernsehgeräte oder Handys auch mithören. So
gut sind wir also auch wieder nicht geschützt. Dennoch ist in Europa das Bewusstsein viel größer, dass die Privatsphäre verletzt
werden kann. In Asien steht die Hilfestellung, die ein Gerät leistet, viel stärker im Vordergrund als der Aspekt, dass man
gleichzeitig als Privatperson beobachtet wird. Im Gegenteil, man betrachtet, die Daten, die man ungewollt liefert, auch als
Chance, dass dadurch auch in einer Weiterentwicklung der Geräte die persönlichen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Es ist
mit viel weniger Angst verbunden. In Europa ist aber auch die erste Eisenbahn durch die Gegend gefahren und hat die Leute
erschüttert. In Europa gab es mit der luddistischen Bewegung eine Arbeiterbewegung, die sich gegen die neuen, dampfbetriebenen
Maschinen, die den Arbeitern die Arbeitsplätze raubten, erhoben hat. Das ist auch Teil unseres kulturellen Erbes. Ich habe
viel an die Umwälzungen der industriellen Revolution gedacht, die auch das Leben der Menschen grundlegend auf den Kopf gestellt
und für einen Wandel vom bäuerlichen zum urbanen Arbeiterleben vollzogen hat.
Im Gegensatz zu heute hatte Europa im 19. Jh. bei technischen Innovationen die Nase vorne.
MARIA ARLAMOVSKY: Diesen Rückstand können wir lange nicht mehr aufholen. In Kanada lernen Volksschulkinder kodieren. Europa verschläft ganz
entscheidende Entwicklungen. Ich halte es für gefährlich, wenn man diesen technischen Wandel nicht mitvollzieht. Meine Ausgangsfrage
zu diesem Film war, ob Plastikfrauen uns (Frauen z. B.) nun ersetzen werden. Die Antwort ist definitiv „Nein“. Aber wir sind
an einem Punkt, wo sich etwas tun wird. Wir werden uns HelferInnen erschaffen; die Form ist noch nicht klar. Die ersten Autos
haben auch wie Kutschen ausgeschaut. Man wollte am bekannten, bis dahin gängigen Fortbewegungsmittel anknüpfen. Was wir an
Home- oder sozialen Robotern haben werden, wird à la longue nicht wie Menschen ausschauen. Die humanoiden Roboter sind nur
der erste Schritt. Heute schauen Roboter wie Menschen aus, weil wir den menschlichen Aspekt einbringen wollen, um Akzeptanz
zu schaffen. Man beginnt immer mit der bekannten Form, um dann am eigentlichen Zweck zu arbeiten und diesen zu verfeinern.
Sie sprechen gegen Ende des Films auch mit einem buddhistischen Mönch auf einem Friedhof, wo die Natur, das Organische und
Vergängliche zu spüren sind und Sie aus den sterilen Laborsituationen ausbrechen. Was hat Sie zu ihm geführt?
MARIA ARLAMOVSKY: Der Mönch, mit dem ich im Film spreche, war davor IT-Spezialist und verbindet somit beide Welten. Er ist für mich ein gutes
Beispiel dafür, dass man beides leben kann. Er kann darüber reflektieren, was Technik für ein religiöses Denken und eine geistige
Auseinandersetzung bedeutet. Seiner These zufolge sind die großen Datenmengen die neuen Götter, weil wir glauben, dass mathematische
Mengen, die unser Verhalten erfassen, unfehlbar sind. Darin ruht zur Zeit das Heilsversprechen. Je mehr wir an Daten sammeln,
desto mehr wissen wir über uns. Früher galt: je mehr wir an Gott glauben, desto mehr wissen wir über uns. Abgelöst wurde das
vom Glauben an die Wissenschaft, heute ist Big Data die dominierende Philosophie. Was bleibt, ist die existentielle Frage
– Wer sind wir? Welche Geschichte erzählen wir über uns selber? Wir befinden uns an einem der wenigen Momente in der Geschichte,
wo sich das Bild des Menschen über sich selbst ändert und erneuert. Ein wichtiges Bild ist mehr der Kind-Roboter, der ins
Freie geht und das Blatt angreift. Da schließt sich für mich ein Kreis. Jeder hocheffiziente Algorithmus, jedes selbstlernende
Programm wird wieder beginnen, sich an der Natur zu orientieren, weil sie so komplex ist. So Vieles davon ist uns noch gar
nicht verständlich.
Es ist faszinierend, wie sehr die Technologie immer wieder die Natur kopiert. die in ihren evolutionären Ideen so genial ist,
dass technische Erfindungen ganz oft von in der Natur inspiriert sind.
Sie haben auch mit Künstlern zusammengearbeitet. Eigentlich eine interessante Polarität, dass einerseits die hochambitionierte
Technik und die Kunst von einer philosophischen, aber auch intuitiven Seite mit Robotik auseinandersetzt. Wo setzen die Künstler
an?
MARIA ARLAMOVSKY: Ich denke KünstlerInnen haben ein feines Gespür für Umbrüche, sie arbeiten oft bewusster mit menschlichen Bedürfnissen und
dem Spiel der Emotionen. Die Trauer die mit dem Verlust der menschlichen Nähe einher geht und diese um sich greifende digitale
Einsamkeit werden die Einfallstore für technische Ersatzgeräte sein. Dieses Wissen darum und die Spielmöglichkeiten der Kunst
– das wollte ich aufgreifen.
Hatten Sie das Gefühl, sich mit Robolove in einer weiten Zone des Übergangs zu bewegen?
MARIA ARLAMOVSKY: Ja. Wir sind doch immer in einem Prozess. Von Zeit zu Zeit gibt es Entwicklungssprünge. Die Frage ist, ob wir gerade an so
einer Schnittstelle eines Entwicklungssprungs sind und ob wir bereit sind mitzumischen oder lieber sagen, das ist uns alles
zu komplex, da steigen wir aus. Ich wollte Fragen nachgehen wie: Warum sind diese Roboter alle Frauen, warum sind sie alle
hübsch und klein? Als ich mit der Technofeministin gesprochen habe, hatte ich erwartet, dass sie die Notwendigkeit ansprechen
würde, dass mehr Frauen in der Technik arbeiten. Sie sagt aber, es sei wichtig, dass Frauen arbeiten, um finanziell in der
Lage zu sein, sich Roboter zu kaufen und um damit Einfluss auf die Anpassung an ihre Bedürfnisse zu nehmen. Oder, ich habe
mir überlegt, ob wir irgendwann statt der Fotos von unseren Großeltern ein Roboterköpfchen am Kaminsims haben werden, mit
dem wir kommunizieren. Jetzt erscheint uns das als sehr skurril. Wer hätte vor 50 Jahren gedacht, dass wir alle mit einem
Handy herumlaufen werden um mit Freunden zu skypen. In der Forschung wird immer nach dem nächsten Entwicklungssprung gesucht.
Letztlich geht es um die grundlegenden Fragen: Was macht das mit uns? Was wollen wir von diesem Zeug? Da haben wir auch eine
gesellschaftliche und somit politische Verantwortung. Wo aber wird in der Politik darüber eine Debatte geführt, obwohl diese
Technik unser Leben massiv verändern wird? Dokumentarfilm sollte im besten Fall auch Menschen bewegen, das Denken über die
Welt ins Rollen zu bringen.
Interview: Karin Schiefer
Oktober 2019