INTERVIEW

«Ihre Welt steht mit einem Mal auf dem Kopf.»

Julias Lebensbilanz mit 40 kann sich sehen lassen: Künstlerischer Durchbruch, geglückte Beziehung, schickes Zuhause. Fürs perfekte Dasein einer Frau – so signalisiert es die Außenwelt – fehlt ihr jedoch immer noch eins: das Mutter-Sein. Julia entscheidet sich dafür und erlebt bei und nach der Geburt Entfremdung und Ernüchterung. Johanna Moder wagt es in MOTHER’S BABY, an einem Tabu zu rütteln und das gesellschaftliche Versprechen von der Erfüllung durch Mutterschaft zu entzaubern.
 
 
In einem früheren Interview erzählten Sie, dass Mutter-Werden Ihnen das Gefühl vermittelt hat, in eine andere Sphäre katapultiert zu werden. Steht Ihr Eröffnungsbild mit der Raketenbahn im Wiener Prater symbolisch für dieses Gefühl.
 
JOHANNA MODER:
Ja diese Kugel ist ein Symbolbild, wie Julia in dieser Geschichte in eine andere Welt geschossen wird. Ihre Welt steht mit einem Mal auf dem Kopf. Nichts ist mehr, wie es war. Das Muttersein wird Frauen ja oft als etwas verkauft, dass sie erst damit eine vollständige, erfüllte und vermeintlich glückliche Frau werden. In Wirklichkeit zerbrechen die Realitäten vieler Frauen genau in dem Moment, in dem sie einen Säugling zur Welt bringen. Plötzlich wird ihre Selbstbestimmtheit völlig in Fragen gestellt. Sie müssen sich mit neuen Rollenbilder auseinandersetzen, weil ihre Partnerschaften doch nicht so emanzipiert sind, wie sie bis dahin angenommen haben. Ihr Körper ist völlig aus der Form geraten. Ihr Beruf, der ihre Identität war, rutscht in einen diffusen Hintergrund. Sie stehen vor den Scherben ihrer Existenz und müssen sich neu zusammenbauen. Das ist nun eigentlich genau das Gegenteil von der Erfüllung, die sie sich erwartet haben.
 
 
Das Wort „Mutterglück“ (lange auch der Arbeitstitel des Films), ist ein Begriff, der kein Pendant im Englischen hat, der im Deutschen als eine unumstößliche Gegebenheit zu gelten scheint. Erinnern Sie sich noch an Ihre Gedanken dazu, bevor Sie selbst Mutter waren? Wie betrachten Sie ihn aus heutiger Sicht?
 
JOHANNA MODER:
Ich finde, dass die Themen Schwangerschaft, Geburt und die ersten Jahre, wo die Babys so klein sind und als besonders süß empfunden werden, extrem mit einer Verklärung aufgeladen sind. Den Frauen (inzwischen auch den Vätern) wird ein Versprechen gegeben, das sich in den wenigsten Fällen so einlöst. Die Geschichte meiner Hauptfigur Julia macht deutlich, dass das, worüber man nicht spricht, auch nicht existiert. Da die Geschichte der Menschheit eine patriarchale Geschichte und eine männliche Erzählung ist, wird bei vielen weiblichen Aspekten – dazu gehören Kinderkriegen, Geburt und die Zeit mit ganz kleinen Kindern – ausgespart, was diese alles mit sich bringen. In kurzen Momenten ist es in der Tat sehr schön, es ist aber auch unheimlich langweilig und bedrückend. Es hat eine Schwere, viel Zeit mit kleinen Kindern allein, ohne Ansprache, ohne Feedback, Tag für Tag in einer reinen Versorgerrolle zu verbringen. Es erstaunt mich nicht, dass viele Frauen in dieser Zeit depressiv werden.
 
 
Mutter-Sein als erfüllender Zustand ist auch ein medial transportiertes Konzept, das jene Frauen in Bedrängnis bringt, bei denen sich dieses Gefühl nicht einstellt. Besteht ein Motiv für Ihren Film auch darin, einen Diskussionsanstoß zu liefern?
 
JOHANNA MODER:
Auch da geht es um die Erzählung. Ich habe gerade das Buch Mutterschaft von Sheila Heti gelesen, die sich sehr ausführlich mit der Frage des eigenen Kinderwunsches auseinandersetzt. Will man sein Leben, das man gerade sehr mag, aufgeben? Irgendwie weiß man ja, dass sich dann alles ändert. Es lässt sich rundherum beobachten, dass vor allem die Frauen dann voll belastet sind, denn eine echte gleichberechtigte Aufteilung gibt es ja in den wenigsten Fällen. Ich muss für mich persönlich sagen, ich war mir auch nie sicher; ich hatte früher keinen Kinderwunsch. Ich fand es spannend zu entdecken, wie sich die Autorin des Buches mit dieser Frage auseinandersetzt, es hat mich zutiefst an meine eigenen Gedanken und Abwägungen erinnert. Es war mir nur nie bewusst, dass sich auch andere mit dieser Frage beschäftigen. Ich dachte immer, dieses Dilemma zu verspüren, sei einzig und allein mein Problem. Mein Eindruck war, dass die meisten Frauen immer schon wussten, dass sie unbedingt ein Kind wollten, während ich diese Sehnsucht nicht verspürt habe.
 
 
Finden Sie als Filmemacherin, dass es dringend an der Zeit ist, andere Narrative ins Licht zu rücken?
 
JOHANNA MODER:
Ich finde es sehr wichtig, dass endlich Prominente über ihre Fehlgeburten, über ihre postnatale Depression sprechen. Umgekehrt arbeiten die „Instagram-World“ bzw. die sozialen Medien ganz generell in die Gegenrichtung, weil dort alles total verklärt wird. Man kann Instagram-Mütter verfolgen, die ihre unheimlich süßen Babys in einer unglaublich schönen Welt inszenieren. Das ist ein Versprechen, das auch eine Sehnsucht kreiert. Die Ambivalenz zwischen der tagtäglichen Realität und dem, was über die Kanäle in unseren Alltag gespült wird, damit muss jede:r erst einen Umgang finden. Ich glaube, es ist extrem wichtig, mehr darüber zu sprechen und uns darüber auszutauschen. In den Medien sind nun viel mehr Autorinnen präsent, die über ihre Erfahrungen schreiben, wie es ist, ein Kind zu haben, gleichzeitig zu arbeiten und die Erschöpfung, die daraus resultiert, anzusprechen. Dieser Ehrlichkeit steht immer der Druck, funktionieren zu müssen, gegenüber, den auch die Männer haben.
 
 
MOTHER’S BABY ist sehr stark von persönlichen Erfahrungen geprägt. Wie ist bei diesem besonderen Film das Drehbuch entstanden. Wie konnten Sie sich von der Hauptfigur distanzieren und dennoch diese wichtigen Themen bearbeiten.
 
JOHANNA MODER:
Interessanterweise ist mir das nicht so schwergefallen. Marie Leuenberger, die die Hauptrolle spielt, hat mir am Ende gesagt, dass sie es toll gefunden hat, dass sie sich nie von mir in eine bestimmte Richtung gedrängt gefühlt hat, obwohl sie wusste, dass die Geschichte viel mit mir zu tun hatte. Es ist mir leicht gefallen, die Geschichte abzugeben. Ich war auch sehr froh, dass Marie ihre eigene Geschichte daraus macht. Sie hat Dinge oft schauspielerisch anders interpretiert als ich es für mich gelesen hätte. Sie hat der Figur eine andere Farbe verliehen. MOTHER’S BABY ist in der Tat sehr von meiner eigenen Geschichte beeinflusst, es ist aber eine ganz andere Geschichte: Eine andere zentrale Figur und eine ganz andere Beziehung. Mein Mann hat den Film auch schon gesehen; er hingegen meinte, dass er ihn wahrscheinlich kein weiteres Mal anschauen wird. Es wäre ihm zuviel. Bei ihm kommt gewiss sehr viel hoch. Ich hingegen hatte den Vorbereitungs-, Proben- und Drehprozess, im Zuge dessen sehr viel ständig wiederholt wird; da schwindet diese innere Verbundenheit. Vor gewissen Szenen habe auch ich mich gefürchtet, weil ich nicht wusste, was es mit mir machen und wie ich plötzlich reagieren würde. Ich hatte durchaus die Sorge, nicht mehr in meiner Rolle als Regisseurin zu funktionieren, weil eine Szene etwas in mir auslöst.
 
 
Das Drehbuch zu MOTHER’S BABY haben Sie ja nicht alleine geschrieben. Wie erfolgte der Austausch und der gemeinsame Schreibprozess?
 
JOHANNA MODER:
Ausgeschrieben hat das Buch Arne Kohlweyer, den wir über eine Agentur gefunden haben, die Produzent:innen und Autor:innen miteinander verknüpft. Es ist wie ein Dating. Wir kannten uns zu Beginn gar nicht, mittlerweile sind wir Freunde geworden. Das Interessante ist, dass auch er etwas Eigenes daraus macht. Er kam von einer anderen, unemotionalen, Seite und hatte einen ganz anderen Blick darauf. Er hat keine Kinder und hat sich beim Schreiben in Julia hineinversetzt, die gerade entbunden hat. Ich finde das noch immer faszinierend, dass das geht. Mir hat diese Form der Arbeit sehr geholfen.
 
 
Welche Szenen haben ihnen beim Dreh eher Sorge bereitet?
 
JOHANNA MODER:
Am schwersten empfand ich die Geburt. Diese haben wir auch besonders oft geprobt, weil das eine sehr lange Sequenz ist. Wir haben sie mit Hebammen besprochen und hatten auch Hebammen bei den Proben dabei, weil es darum ging zu erarbeiten, wie Schauspieler:innen glaubwürdig als Ärztinnen und Hebammen agieren. Wir wollten einen gewissen Realismus in dieser Szene schaffen. Die ersten Male waren für mich sehr aufwühlend. Ich hab auch versucht es zu kommunizieren innerhalb Teilen des Teams, dass ich die anderen brauche, damit alles im Bereich der Normalität bleibt. Es war anstrengend. Aber es ist immer anstrengend. Ich gehe meist sehr entspannt in einen Dreh hinein und merke dann erst, wie anstrengend es ist. Vielleicht muss ich da mein Mindset ändern. Umgekehrt hatten wir uns in den Produktionsbesprechungen große Sorgen gemacht, wie es mit den Babys funktionieren würde, die ja nur drei Wochen alt waren. Das wiederum ist ganz unkompliziert gelaufen, weil auch die Mutter der Zwillinge so entspannt war. Es gibt mit so kleinen Babys ganz exakte Regeln und wir wollten vor allem die Kapazitäten dieser Familie nicht erschöpfen. Es ist schon eine große Leistung, so kurz nach der Geburt am Set zu stehen und bereit zu sein, diesen Wahnsinn mitzumachen. Die Herausforderungen lagen ganz woanders: Dort, wo wir am wenigsten damit gerechnet haben. Zum Beispiel beim Umstand, wie schwierig es ist, in einem Krankenhaus zu drehen. Ich war erleichtert, als der Dreh vorbei war, obwohl ich sehr gerne drehe. Ich hatte auch noch nie einen Film gemacht mit einem so schweren Thema. Man sagt zwar, dass die besonders traurigen Filme besonders lustige Drehs haben. Das könnte ich nicht bestätigen. Jede:r im Team hat versucht, sein/ihr Bestes für das Projekt zu geben. Von der Idee, auf Film zu drehen, mussten wir aus Budgetgründen Abstand nehmen, Robert Oberrainer, der Kameramann hat dann versucht, einen Look zu kreieren, der analogen Bildern sehr ähnlich kommt. Ebenso gab es bei Ausstattung und Kostüm viele Überlegungen, diesen körnigen Look zu unterstützen.
 
 
Interessant ist da das Farbkonzept, das durch die Farbtöne eine Harmonie erzeugt und damit vielleicht auch der erwähnten, idealisierten Welt in den sozialen Medien entspricht. Welche Gedanken gab es dazu?
 
JOHANNA MODER:
Wir haben uns nach den pastelligen Farben orientiert, die in den Bobo-Baby-Geschäften gerade angesagt sind. Sie suggerieren eine Art von heiler Welt, die im Endeffekt nicht ganz so ist. Dass man vielleicht ständig am Wäschewaschen ist, weil das Kind ständig erbricht, das wird ja nicht miterzählt.
 
 
Julia hat sich in der künstlerischen Männerdomäne schlechthin, als Dirigentin durchgesetzt. Nach nur wenigen Wochen Karenz erfährt sie, dass man ihr ein geplantes Projekt weggenommen hat. Sie sagt: „Wenn du nach 15 Jahren ein paar Wochen auslässt, wirst du schon verdrängt“. Der Job ist aber nicht der einzige Bereich, wo MOTHER’S BABY erzählt, wie Frauen durch ihr Mutter-Werden etwas von ihrer Identität verlieren.
 
JOHANNA MODER:
Wenn eine Frau Mutter wird, dann wird sie das komplett. Sie wird von dem Moment an als Mutter gesehen und hört auf, Frau zu sein. Wird ein Mann Vater, dann ist er auch Vater, hat aber parallel dazu sein komplett anderes Leben als Mann in der Gesellschaft. Bei Frauen reduziert es sich sehr oft immer noch auf das Mutter-Sein. Meine Figur hat das Gefühl, dass sie nicht mehr als der Menschen gesehen wird, der sie vorher war, sondern es wird ihr die Mutterrolle übergestülpt, die alles andere unsichtbar macht. Und Julia stellt sich die Frage: Will ich das sein? Julias Beruf und damit das Thema Musik hat für uns in der Fertigstellung eine entscheidende Rolle für Julias Entwicklung gespielt. Ich hatte dabei zu meinem Glück eine große Unterstützung von meinem Sounddesigner Nils Kirchhoff. Er war mein musikalischer Supervisor, ob es das Geigenspiel von Julia betraf oder die Konzerte. Er war es auch, der mich mit Diego Ramos Rodriguez, dem Komponisten, zusammengebracht hat. Wir haben versucht Sounds und Musik sehr subtil einzusetzen. Julia verliert im Laufe der Geschichte ihre Musik, die ihr vor der Geburt Kraft und Identität gegeben hat. Erst am Ende transformiert sie sich und ihren Beruf in eine neue Richtung. Das haben wir versucht auf der musikalischen Ebene mitzuzählen.
 
 
Was geht in Julia und Georg vor, dass sie sich nicht entscheiden können, dem Baby einen Namen zu geben?
 
JOHANNA MODER:
Dass Julia sich nicht für einen Namen entscheiden kann, steht sinnbildlich dafür, dass sie das Kind von sich fernhalten möchte. Sie will sich gar nicht binden, weil sie das Gefühl umtreibt, dass etwas mit dem Kind falsch sein könnte.
 
 
Woran Julia am meisten zu leiden scheint, ist, dass ihre Wahrnehmungen nicht ernst genommen werden und auch die Erfahrung, nicht mehr die alleinige Kontrolle über die eigene Intimsphäre zu haben? Ist dies auch der Grund, weshalb Sie sich entschieden haben, Ihrer Geschichte einen Touch von Thriller zu geben?
 
JOHANNA MODER:
Ich habe Freundinnen, die offen gesagt haben, dass sie nach der Geburt Angst hatten, verrückt zu werden, weil sie mit solchen Emotionen nicht gerechnet hatten. Man hatte eine Vorstellung, wie es sein soll. Dann ist es aber ganz anders. Julias Partner lässt sie am Ende ja auch total im Stich, weil er meint, sie könnte das Kind gefährden. Anders zu sein, nicht in der Norm zu sein hatte für Frauen immer wieder fatale Folgen. Gesellschaftlich hat es immer so funktioniert und tut es immer noch: Wenn Frauen beginnen, etwas in Frage zu stellen oder sich weigern, sich der Norm zu fügen, dann beginnt die Gesellschaft sie zu verunglimpfen und Macht über sie auszuüben. Man sagt ja oft leichthin, die Geburt eines Kindes ist das schönste Ereignis in einem Leben. Eine Geburt kann aber auch ein Albtraum sein und mitunter das schrecklichste, was man erfahren kann. Ich halte es für wichtig auch darüber zu erzählen. Es handelt sich in MOTHER’S BABY ja nicht um einen klaren Genrefilm, sondern vielmehr um ein Genre-Mix. Es hat Horrorelemente ebenso wie Thrillerelemente, weil ich das Gefühl hatte, dass sich die Geschichte gar nicht anders erzählen lässt. Mein Gefühl war, die Geschichte gibt diese Stimmungen einfach vor. Dieser „Vorgabe“ bin ich eigentlich nur gefolgt. Aus meiner Perspektive als Filmemacherin war es auch spannend, mit anderen Genres und mit Erwartungshaltungen der Zuschauer:innen zu spielen oder mit ihnen auch zu brechen.
 
 
Ein radikales Bild setzen Sie mit den Ausfahrten mit dem Kinderwagen im Park, wo Sie mit blattlosen, knorrigen Ästen, in den winterlichen Parkalleen von Schönbrunn – jegliche Idylle verweigern.
 
JOHANNA MODER:
Auf diese abweisende Natur hat uns unser Szenenbildner Hannes Salat verwiesen. Das ist seine Findung. Die Parkbilder ebenso wie die Aquarienbilder mit den Fischen und dem Axolotl haben sich wunderbar in unser Setting eingefügt. Ebenso wie wir bewusst eine Wohnung gewählt haben, die man wie ein Aquarium lesen kann, von allen Seiten einsichtig. Man ist ständig unter Beobachtung. Hat eigentlich keinen Rückzugsort. Da muss ich auf die Courage von Hannes Salat hinweisen, dass er uns überzeugt hatte, in diesem leere Künstleratelier eine glaubwürdige Wohnung zu erzählen. Axolotls sind faszinierende Wesen, wenn man sich mit ihren Selbstheilungskräften beschäftigt. Es gibt auch in Wien ein Institut, wo sehr intensiv in Hinblick auf Stammzellentherapie geforscht wird. Stammzellen von einem Axolotl können sich vereinfacht gesagt, wie embryonale Stammzellen in fast jede Art von Zelle verwandeln. Ließe sich das entschlüsseln, wäre jede Form von Heilung und letztlich ja auch ewiges Leben möglich. Die Forschung könnte medizinisch viele Fragen lösen.
 
 
Hat die Idee der Regeneration etwas mit Ihrer Hauptfigur zu tun?
 
JOHANNA MODER:
Man könnte es so lesen, wenn man möchte.
 
 
Sehen Sie grundsätzlich eine mangelnde Solidarität unter den Frauen?
 
JOHANNA MODER:
Es ist nach wie vor eine bedrückende Situation. Was ich besonders krass wahrnehme, und meine Figur erlebt, sobald sie schwanger ist, ist der Umstand, wie andere Frauen das patriarchale System unterstützen und beginnen, die Frauen zu schwächen. Ich finde, es fehlt oft an Solidarität. Grundsätzlich ist das nachvollziehbar. Wir sind alle in einem patriarchalen System geboren. Wir spüren, wo die Macht steht und natürlich wollen wir auch als Frauen auf der Seite der Macht sein und nicht auf der geschwächten Seite. Daher ist es logisch, dass viele Frauen auf ihre Art das System unterstützen. Erstens, wie sollten sie es anders können, sie sind selbst in diesem System groß geworden. Da bedarf es einer totalen Änderung des Mindsets, um herauszufinden, wie wir uns anders organisieren und anders unterstützen könnten.
 
 
Sie haben die Erzählung in einem sehr wohlsituierten Milieu angesiedelt. Warum war Ihnen das wichtig? Ging es Ihnen auch um die Frage des „to have it all“. Erfolg im Beruf, einen netten Partner, ein schönes Zuhause … was fehlt, ist das Kind zur perfekten Existenz. Möchten Sie hier auch ein Erfolgskonzept hinterfragen?
 
JOHANNA MODER:
Eine Frage stellt sich fast jede Frau: Ob sie erst dann sozial Anerkennung erfährt, wenn sie sagen kann, sie ist auch Mutter. Angela Merkel hat sich oft genug vorhalten lassen müssen, dass sie keine Kinder hat. Es wird einer Frau nach wie vor als Mangel ausgelegt, keine Kinder zu haben. Jeder kennt die Fragen … Ob? … und … Wann? Es ist ein Thema, wo sich Menschen immer wieder bemüßigt fühlen, anderen zu erklären, was an ihrem Lebenskonzept falsch ist. Kinderkriegen sei so schön.… Aber: Es gibt in meiner Generation immer mehr Frauen, die sich bewusst entscheiden, keine Kinder zu bekommen. Das halte ich für unheimlich stark und beeindruckend, wenn man dies entschlossen sagen kann, denn es ist gegen jede soziale Regel. Es schafft fast niemand, das einfach stehen zu lassen und nicht nachzufragen: Warum?
 
 
 
 
 
 
 
 



«Man sagt ja oft leichthin, die Geburt eines Kindes ist das schönste Ereignis in einem Leben. Eine Geburt kann aber auch ein Albtraum sein und mitunter das schrecklichste, was man erfahren kann. Ich halte es für wichtig auch darüber zu erzählen.