INTERVIEW

«Sie hat dennoch nach den Sternen gegriffen.»

Wer als Musiker:in in den neunziger Jahren von einem Major Label träumte, hatte durchaus Chancen, denn Scouts durchstreiften auch die Provinz auf der Suche nach Talenten. Als ein Plattenvertrag aus London lockte, folgte Helen dem Ruf in die Welt und ließ nicht nur ihre Bandkollegen im Dorf an der Donau zurück. In Evi Romens HAPPYLAND kehrt eine Frau in ihren Vierzigern zurück nach Hause – ohne Geld, ohne Glamour, irgendwie verloren zwischen der Realität, gelebter Sehnsucht und verpassten Möglichkeiten.
 
Wenn man versucht, eine Parallele zu ziehen zwischen Hochwald und HAPPYLAND, dann entdeckt man in beiden eine Heimkehr- bzw. Aufbruch-Geschichte und auch das Thema, nicht am richtigen Platz zu sein. Erkennen Sie in den widersprüchlichen Kräften, die die Lebensentscheidungen eines Menschen beeinflussen, eines Ihrer zentralen Fragen, die Sie künstlerisch beschäftigen?

EVI ROMEN:
Ich denke, es ist ein zentrales Thema im Leben aller Menschen: Wo komme ich her, wo gehe ich hin und was mache ich dazwischen? Bin ich am richtigen Ort? Durch meine Herkunft aus Südtirol, einem zweisprachigen Gebiet mit einer schwierigen Geschichte, ist das wohl auch in meinen Genen, ich glaube aber, dass diese Frage im Herzen aller Menschen steckt. Das gilt auch für die möglichen Verluste, die die Entscheidung für etwas bedeuten kann. Man glaubt, sich beim Schreiben mit etwas sehr Persönlichem zu beschäftigen und stellt dann fest, dass gerade, wenn es um etwas wie Heimatgefühl oder Lebensweg geht, die meisten Menschen vor ähnlichen Fragen stehen.

 
Stand in Hochwald eher eine soziale Ungleichheit im Mittelpunkt, so ist es in HAPPYLAND eine Frau, die von einer künstlerischen Karriere träumt und dafür sehr viel zurücklässt. Helen ist eine Frau, die die sozialen Erwartungen an sie nicht erfüllt. Steht trotz der Allgemeingültigkeit der Frage, der Aspekt im Vordergrund, dass eine Frau die Missbilligung ihres Umfelds auf sich nimmt, um ihren Traum zu leben oder es zumindest zu versuchen?

EVI ROMEN:
Helen ist eine Figur, die über Leichen gegangen ist und jetzt zurückblickt auf die Schäden, die sie hinterlassen hat, bei sich selbst und bei anderen, ohne wirklich zum Erfolg zu kommen. In der Film- und Literaturgeschichte sind es meist Männer, die ausziehen in die Welt und eine gewisse Rücksichtslosigkeit in der Erfüllung ihrer Sehnsüchte an den Tag legen. Es hat mich sehr interessiert, so eine Figur für eine Frau zu inszenieren, ich kenne solche Frauen und dieses Verhalten ist kein rein männliches, der Grundgedanke, die Sehnsucht ist ja genderneutral. Frauen sind aber meist in eine Rolle gepresst, wo es um Caring, ums Zurückstecken geht. Deshalb war es mir wichtig, dass diese Figur von einer Frau verkörpert wird, auch wenn das gewisse „handlungslogistische“ Schwierigkeiten mit sich brachte.

 
Dass Ihre Hauptfigur in der Musikszene zu reüssieren versucht, hat vielleicht etwas mit der Spezifizität dieser Branche, aber auch mit Ihrer eigenen Geschichte zu tun. Worin besteht Ihre Affinität zur Musik? Wie lief das Musikbusiness in den neunziger Jahren, von dem Sie erzählen?

EVI ROMEN:
Dass HAPPYLAND in der Musikszene angesiedelt ist, hat sicher auch damit zu tun, dass ich mal zusammen mit Sebastian Brauneis ein Record-Label hatte und damit kläglich gescheitert bin – wie viele andere auch. In den frühen 2000er Jahren gab es eine Aufbruchstimmung in der Indiewelt mit vielen Local Hero-Bands, Major Labels haben in ihrer damaligen Entdeckerfreude auch in der tiefsten europäischen Provinz gefischt, nicht nur in den USA oder UK. Gleichzeitig habe ich auch zugeschaut, wie sich Träume sehr schnell zerschlagen und Menschen einen hohen Preis für kurzen Erfolg gezahlt haben. Freundschaften sind in die Brüche gegangen, Bands haben sich aufgelöst, weil nur ein Bandmitglied einen Major-Vertrag bekommen hat. Der eigentliche Grund, die Musikszene zu wählen, war aber ein anderer: Ich wollte eine Figur, die Sehnsüchte lebt, die wir alle haben und die wir uns nicht trauen auszuleben. Wir neigen dazu, in unseren Idolen zu suchen, was wir selbst nicht leben. Jeder wäre gerne cool, würde gerne auf der Bühne stehen oder Rock‘n’Roll forever leben. Pop- und Rockstars verkörpern diese ungelebten Wünsche, die meisten von uns möchten aber natürlich nicht die Konsequenzen des großen Erfolgs tragen, die eventuell auch mit Drogensucht, Verzicht, Depression etc. einhergehen können. Das entnehmen wir dann lieber den Klatschzeitungen. Mit meiner Figur Helen wollte ich ein Leben zeigen, in dem versucht wurde Träume zu leben, und den Moment, an dem man merkt, dass es nicht so gut gelaufen ist, und welchen Preis man mitunter für das Ausleben von Sehnsüchten bezahlt, vor allem als Frau. Die jugendliche Angst vor der Idylle kann sich am Ende auch zu eine Sehnsucht nach der Idylle drehen – diesen Moment untersucht Helen in HAPPYLAND.

 
Die Erzählung von HAPPYLAND spielt am Ufer der Donau. Welche Gedanken zum Fluss haben bei der Wahl des Ortes eine Rolle gespielt?

EVI ROMEN:
Ich liebe Symbolik, auch wenn sich das ein wenig kitschig anhört. Ich wollte in HAPPYLAND den Fluss des Lebens erzählen. Die Donau hat sich angeboten, weil sie ein Fluss ist, der von Strömung bis Stillstand, von Überschwemmung bis beinahe Ausgetrocknet-Sein alle Facetten hat. Ein Fluss wie die Donau ist die perfekte Metapher fürs Leben. Die Hauptfigur kehrt an ihren Heimatort am Fluss zurück und dieser Fluss erzählt eine Parallelgeschichte: Er ist sehr ruhig, im Stillstand – genau wie Helen in dieser Woche, in der die Erzählung angesiedelt ist. Es gibt kein Weiterkommen, man spürt eine wabernde Bedrohung und schließlich gerät sie in Bewegung.

 
HAPPYLAND hat eine Konnotation mit einem real existierenden Freizeitpark. War es der als Ironie zu verstehende Name, war es die Freizeitwelt einer kleinen Provinzstadt, die Sie zum Titel dieses Films inspiriert haben?

EVI ROMEN:
Diesen Freizeitpark Happyland gibt es in der Tat. Für mich hatte der Name immer eine Ironie, weil dieser Betonbau in der Au auf mich eher trist gewirkt hat und ich wusste lange nicht, dass die Anlage für so viele Leute ein Ort ist, an dem sie sich sehr wohl fühlen. Im Original-Happyland in Klosterneuburg gehen an die tausend Leute am Tag aus uns ein. Ich wollte damit auch erzählen, dass auch der tristeste Ort etwas wie Heimat bedeuten und Beruhigung und Fröhlichkeit ausstrahlen kann.

 
Alle im Ort erkennen Helen sofort und erinnern sich; sie hat durch ihr Leben in London vieles vergessen. Was hat es für Sie beim Schreiben bedeutet, auch dieses „Damals“ in den Köpfen der Zuschauer:innen wachzurufen?

EVI ROMEN:
Dieses Gefühl, mit den Leuten, mit denen sie groß geworden sind, nicht anknüpfen zu können, kennen Menschen, die weggegangen sind und viel erlebt haben. Die Menschen, die geblieben sind, haben einen kleineren Kosmos bespielt, Helen hat inzwischen eine Karriere mit vielen anderen Musiker:innen gemacht und die Tage der Jugend mit der local Band sind in ihrer Erinnerung verblasst. Für die anderen Bandmitglieder war das Ende der Band auch das Ende ihres Musikerlebens. Durch den Film schwebt ein sogenannter Elefant, den das Publikum viel schneller erfasst als die Hauptfigur, die, gerade weil es sich um eine traumatische Erfahrung handelt, diese auch verdrängt hat. Helen kommt aufgrund ihrer prekären finanziellen Situation nach Hause zurück und rechnet nicht damit, dass hier schon längst eine Begegnung auf sie wartet, die etwas hochbringt, mit dem sie nicht mehr gerechnet hat.

 
Sie thematisieren die erotische Anziehung zwischen einem jungen Mann und einer Frau Mitte vierzig. Hatten Sie auch den Wunsch, in Ihrer Erzählung, das sozial etablierte Schema, Midlife-Mann + sehr junge Frau umzukehren?

EVI ROMEN:
HAPPYLAND ist mehr ein Film über Sehnsucht, denn über Erotik, wobei ich diese natürlich nicht verstecken wollte. Ich habe in meiner Jugend und als junge Erwachsene viele Filme gesehen, wo man Männern stundenlang beim viel Rauchen, beim Mit-dem-Leben-Hadern usw. zugeschaut hat, ohne große Entwicklung, bis auf vielleicht ein Beiwerk in Form einer jungen Frau, die Lebensfrische bringt, bzw. die die Angst vor der Vergänglichkeit nimmt. Ich fand das faszinierend und hab mich gleichzeitig gefragt, wieso sieht man Männern gerne in ihren Krisen, im Stillstand zu, warum müssen Frauen in der Krise in filmischen oder literarischen Erzählungen immer etwas drauflegen. Entweder tolpatschig durchs Leben tapsen oder, wenn sie in der Menopause sind, mindestens einmal einen Schwitzanfall haben, oder besonders intelligent, erfolgreich, humorvoll und und und … sein. Bei Frauen braucht es erzählerisches Beiwerk. Es genügt nicht, einfach da zu sein. Ich weiß, es ist ein Wagnis. Meine Hauptfigur ist bei den ersten Screenings ganz toll angekommen, es gab aber auch Kritik, worüber ich sehr froh bin, denn das heißt, man hat sich mit der Figur auseinandergesetzt. Womit ich gar nicht gerechnet hatte, war, dass es auch weinende Männer im Kino gab. Ich möchte Frauen zeigen, die ich auch kenne. Es ist nicht jede Frau so „weiblich“, wenn wir diese komischen Attribute überhaupt verwenden wollen. Es braucht nicht immer diese Attribute, um zu begründen, weshalb eine Geschichte nun so verläuft. Ich habe es mal umgedreht und das übliche weibliche Beiwerk männlich besetzt. Ich habe mit den bekannten Stereotypen gespielt, vielleicht ist ein neuer daraus geworden. Was ich im Kino erlebt habe, war, dass sich sehr viele Menschen genderunabhängig mit dieser sperrigen Hauptfigur identifizieren konnten und das freut mich.

 
Andrea Wenzel spielt die Hauptfigur Helen. Sie musste einerseits glaubhaft eine Musikerin spielen, die Rolle ist auch sehr physisch. Sie musste transportieren, wer sie mit 20 war. Wer ist sie jetzt? Nach welchem Typus haben Sie gesucht?

EVI ROMEN:
Ich habe zunächst einen ganz anderen Typus gesucht: nämlich eine aus dem Leim gegangene, ältere Frau, der man 30 Jahre Partylife ansieht und die nicht kapiert hat, dass ihr Rock’n’Roll vorüber ist. It’s all over now, Baby Blue war der Song, der mich durch den Film begleitet hat, leider war er zu teuer, um Teil des Films zu werden. Ich habe aber über viele Casting-Runden diese Frau nicht gefunden, was mich sehr überrascht hat. Beim letzten Casting stand Andrea Wenzel auf der Liste, meine erste Reaktion war: „Zu jung. Zu schön.“ Sie hat aber dann durch ihr Spiel beeindruckt, und sie hat mir etwas bewusst gemacht, mit dem ich auch gerne zu spielen bereit war: nämlich das ewige Teenager-Sein. Dieses krampfhafte zart, jung und trainiert und cool Bleiben erzählt etwas Ähnliches wie mein ursprünglicher Ansatz. Andrea hat sich sehr uneitel und mutig in diese Rolle gewagt. Als ich ihr sagte, dass sie eigentlich zu jung und zu schön sei, hat sie erwidert: „Das rocke ich schon runter bis zum Drehstart.“

 
Helen hat einen eigenwilligen Stil sich zu kleiden, der auch an eine Zeit erinnert, der sie immer noch verhaftet zu sein scheint. Wie haben Sie mit Kostüm und Maske an dieser Figur gearbeitet?

EVI ROMEN:
Kostüm und Maske haben es nicht leicht mit mir, weil ich sehr akribisch bin. Es ist mir unheimlich wichtig was Leute anhaben und ich hadere bis zum Schluss, bis die Klappe fällt, was eine Person trägt. Das ist ein enormer Aufwand, besonders, wenn man an einem Fluss dreht, wo man manche Kostüme dreifach braucht, weil sie nass werden können. Gemeinsam mit Cinzia Cioffi haben wir einen Stil für eine Person kreiert, die nie das Geld hatte, sich groß auszustatten und deshalb auf die Reliquien der Jugend zurückgreift, um daran zu erinnern, wie sie war, als sie noch cool und voller Kraft war. Wichtig war, dass Helen sehr spontan nach Hause fährt und keine gut gepackte Garderobe zur Verfügung hat. Es musste ein schnell gepackter Koffer sein, mit ein bisschen Glamour, ein bisschen Jogginghose, ein bisschen von allem. Ergebnis ist ein Stilmix, der sehr auffällt.

 
So prominent die Hauptfigur in HAPPYLAND ist, so treffend sind auch die Nebenfiguren in ihren kleinen Rollen. Sie erzählen von den Männern im Dorf und ihrer Sicht auf Helen, die Frauen, besonders Helens Mutter, haben ihren Modus vivendi gefunden. Was hat Sie in der Gestaltung der Nebenfiguren bewegt, über die Sie auch Provinz erzählen?

EVI ROMEN:
Die Aufgabe bestand darin, das Nest zu schaffen, aus dem Helen geflohen ist. Ich wollte es möglichst authentisch und gleichzeitig auch spürbar machen, warum Helen zu der geworden ist, der wir im Film begegnen. Herkunft prägt. Über die Filmhandlung, die sich über eine Woche erstreckt, musste ich auch die letzten dreißig Jahre erzählen; über das Londoner Leben und die Figuren, die Helen im Stich gelassen hat. Ich hab mir für alle eine lange Backstory ausgedacht. Die Mutter, Helene sen., zeige ich als jemanden, die etwas Mondänes hat, man sieht, sie hätte das Potenzial, aber keinerlei Intentionen für Größeres gehabt. Gleichzeitig habe ich sie mit einer extremen Kälte ausgestattet, was vielleicht ihr Schutzpanzer dafür war, dass sie nie von dort weggekommen ist. Mehr Bühne als ein Mehrzweckgebäude ist es bei ihr nicht geworden. Die anderen Figuren waren einfach. Für die Bandmitglieder musste ich mir nur die Lebensgeschichten vieler Freunde aus jungen Tagen anschauen und was aus ihnen wurde. Deren Geschichten spiegeln auch Helens Schicksal in den dreißig Jahren. Ich wollte sie aber nicht nur als die Daheimgebliebenen darstellen, sondern auch eine Zufriedenheit vermitteln. Ich wollte nicht in die Falle tappen, sie alle als Loser, die keine Karrieren gemacht haben, hinzustellen. Die grundsätzliche Frage dieses Films bezieht sich auf das Leben, das man nicht gelebt hat und die Frage, welches von beiden das bessere gewesen wäre. Helen hat sich entschieden, eine Sehnsucht zu verfolgen, etwas zu wagen. Die anderen haben es nicht gewagt und haben ihr Auskommen gefunden. Beide sind für mich gleichwertig. Ich glaube aber, dass, so wie die Dagebliebenen neidvoll auf die Weggegangenen schauen, es auch umgekehrt der Fall ist. Auch wenn die Sehnsucht nach der großen Welt vorhanden ist, hat man immer auch den kleinen Wunsch nach einem beschaulichen Leben.

 
HAPPYLAND hat den Diagonale-Preis für die Beste Filmmusik gewonnen. Wie hat die Musik in all ihren Facetten Gestalt im Film angenommen?

EVI ROMEN:
Ich wollte keinen Musikfilm, sondern einen Film über eine Musikerin machen. Der erste Gedanke war, von diesem Leben gänzlich ohne Musik zu erzählen. Beim Schreiben wollte ich mich auf alle Fälle geschmacklich nicht festlegen. Klar war nur, dass die Musik aus Helens Jugend Punk sein musste, das habe ich schließlich in den Flashbacks gezeigt, weil ich fand, man sollte sie zumindest bei einem Kompositionsversuch sehen. Ich zeige sie da sehr bewusst bei einem Song, der nicht gerade umwerfend ist, der vielleicht hätte gut werden können, der aber irgendwo steckenbleibt. Das Grundthema des Films ist ja der Stillstand, das Steckenbleiben, eine Art von Schocklähmung: Bis hierhin bin ich gekommen, aber in welche Richtung geht es jetzt weiter? Es wäre falsch gewesen, in so einer Situation einen Riesen-Erfolgssong draufzuknallen, was oft geschieht. Es gab auch die Idee, eine junge Punkband als Pendant in die Erzählung einzubauen, aber die Geschichte bekam immer märchenhaftere Züge. Punk passte nicht mehr dazu. Es musste etwas sein, was mehr dem Zeitgeist entspricht. Und da finde ich, dass sich sehr viel im Singer Songwriter-Folk-Bereich tut und ich nehme besonders Frauen dort wahr. So kam Alicia Edelweiß dazu; ich wollte eine Musikerin, wo man den Aufbruch und die Kraft spürt. Im Zusammenhang mit dem Diagonale-Preis für die Beste Filmmusik ist vor allem die Komponistin Dorit Chrysler hervorzuheben. Ich habe sie sehr bewusst als Komponistin gewählt, weil sie eine ähnliche Lebensgeschichte hat, die gottseidank mit mehr Erfolg ausging. Sie ist als Grazerin in jungen Jahren ohne ihre damalige Band nach New York gegangen und hat sich 35 Jahre lang dort aufgehalten. Dorits Hauptinstrument ist das Theremin, die Bewegungen, die man beim Spielen macht, entsprechen den Bewegungen der Donau. Und für das Lokalkolorit, haben wir einen Walzer –Liebesleid von Georg Kreisler, mit dem Theremin im Sinne der Wellen interpretiert. Es war wichtig, für die Komposition eine Frau zu finden, die weiß, was ich da erzähle.

 
Es gibt in HAPPYLAND Sequenzen, die Anlass geben, sie eher in einer Traumwelt als in einer realen Welt zu verorten. So wie auch Helen jemand ist, die die Realität ausblendet und ihren Träumen verhaftet bleibt. Gab es die Intention, die Geschichte in der Ambivalenz zwischen einer irrealen und einer realen Welt anzusiedeln?

EVI ROMEN:
Es ist auch bei der Uraufführung das Wort Magischer Realismus gefallen, was mir nicht bewusst war, was aber zutrifft. Diese Ambivalenz war zunächst viel stärker eingeplant. Man muss sich dann aber vor Augen führen, dass es in der Realität von fünf Drehwochen wenig Platz für Phantasiespiele gibt. Ich liebe, wie schon gesagt, Symbole und scheue mich nicht davor, sie einzusetzen. Es geht um einen traumgleichen Zustand der Lähmung, nicht um die Frage, was jetzt die Wahrheit ist. Es ging mir darum, mit Helen in dieser Fremdheit mitzugehen und den Zweifel aufkommen zu lassen, ob etwas jetzt gerade wirklich passiert oder ob man noch betrunken vom Vortag ist, und die Dinge deshalb so wahrnimmt. Diese Ambivalenz bringt Helens Leben, das sie dreißig Jahre gelebt hat, auf den Punkt.

 
Im Vorspann sieht man Helen in ganz vielen Facetten und Outfits. Paul sagt an anderer Stelle, “It’s our light, not our darkness that frightens us.” Wie sehr ist HAPPYLAND ein Statement für die vielen Facetten, die ein Leben einnehmen kann und für den riskanteren Weg ins Licht, auf die Gefahr hin zu scheitern?

EVI ROMEN:
Die vielen Facetten, die man da von Helen zu Beginn sieht, sind ja alle nicht so toll, sondern auch ein bisschen ungeschickt. Ich wollte eine durchschnittliche Frau zeigen, die vielleicht gar nicht so talentiert ist, wie sie selbst meint. Ich hätte gerne erzählt, dass sich jemand mit einer gewissen Selbstverständlichkeit – in den neunziger Jahren waren das Frauen wie Männer – an etwas herangewagt hat, ohne sich die Frage zu stellen: Bin ich gut genug? Heute sind wir wieder an einem Punkt, wo Frauen sich zu wenig zutrauen. Und ich schließe mich mit ein, ich erinnere mich an viele Momente des Zweifelns in der Arbeit am Film. Frauen stellen sich viel öfter die Frage nach dem Mittelmaß und wagen sich an etwas nicht heran, weil sie fürchten, nicht gut genug zu sein. Männern fällt der Griff nach den Sternen leichter. Mir war es ein Anliegen, eine Figur zu erzählen, die mit der Selbstverständlichkeit eines Mannes agiert, ohne Bedenken mit ihrer Mittelmäßigkeit klarkommt und eben dennoch nach den Sternen gegriffen hat.


Interview: Karin Schiefer 
April 2025

«Die grundsätzliche Frage dieses Films bezieht sich auf das Leben, das man nicht gelebt hat und die Frage, welches von beiden das bessere gewesen wäre.»