Mit dem Rad von Österreich nach Australien. Man könnte meinen, zwei eingefleischte Triathleten hätten versucht, neue Grenzen
auszureizen. Doch Andreas Buciuman und Dominik Bochis wollten als sportliche Normalverbraucher wissen, ob sie sich einem Abenteuer
bis ans Ende der Welt stellen könnten. Das Fahrrad bot sich an, schien es doch schnell genug, um in einem knappen Jahr die
Distanz überwinden und langsam genug, um dabei der Welt begegnen zu können. Austria2Australia dokumentiert eine Radtour durch drei Kontinente und erzählt von gewagten Träumen und der Entschlossenheit daran zu glauben.
Der Wunsch, aus dem Alltag auszusteigen und mit einem Freund ein grenzgängerisches Unternehmen zu wagen, könnte viele Formen
annehmen. Wie kam es zur Route Österreich – Australien und zur Entscheidung, die Strecke per Fahrrad zu absolvieren?
ANDREAS BUCIUMAN: Das Fahrrad hat den Vorteil, dass man schnell genug von A nach B kommt, um signifikante Distanzen zurückzulegen, andererseits
ist es langsam genug, um gemächlich durch die Welt fahren, die Landschaft beobachten und Menschen begegnen zu können. Im Auto
steckt man in einem Metallkäfig, während man mit dem Fahrrad eine direkte Verbindung zur Umwelt hat. Gleichzeitig wollten
wir ein Abenteuer erleben und eine körperliche Herausforderung meistern. Wir wollten wissen, ob wir als nicht-sportliche Normalos,
die in der IT-Branche arbeiten und den ganzen Tag vor dem Computer sitzen, es schaffen, untrainiert und ohne große Vorbereitung
mit dem Fahrrad von Österreich nach Australien zu radeln. Für die Route habe ich mir irgendwann die Karte hergenommen und
nach dem Ort gesucht, der gefühlsmäßig am weitesten entfernt war. Irgendwo rechts unten habe ich Australien entdeckt. Ich
habe eine Linie gezogen, dabei darauf geachtet, dass sie sich durch Länder zieht, wo es nicht allzu schwer war, ein Visum
zu bekommen. Das war‘s. So kam es, dass wir durch Länder wie Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan oder Indien geradelt sind.
Sie sind im Frühling 2017 zu Ihrer Reise aufgebrochen. Wieviel Zeit verging noch zwischen dem Fassen einer etwas verrückt
anmutenden Idee und dem Aufbruch? Wie reift so ein Entschluss?
DOMINIK BOCHIS: Dass man so ein riesiges Unterfangen auf sich nimmt, realisiert man erst an dem Tag, an dem man tatsächlich aufbricht. Wir
haben zwei Jahre geplant und uns wirklich Zeit dafür gelassen. Es ging vor allem um Visa-Fragen und die Einschätzung, wieviel
Zeit wir in einem Land verbringen konnten, um die Strecke in einem Jahr zu schaffen. Dann überlegten wir, was wohl das Notwendigste
war, was wir für die Reise benötigten. Selbst am Tag, als wir aufgebrochen sind, hatte ich noch ein Gefühl von täglicher Routine,
wie wenn man sich auf den Weg zur Arbeit macht. Erst am Abend, wenn man sich bewusst wird, dass man nicht nach Hause zurückkehrt,
wird klar, dass etwas anders ist.
Hat die oft knapp bemessene Visa-Situation den Zeitplan sehr gestrafft?
ANDREAS BUCIUMAN: Auf alle Fälle. Man darf sich nicht vorstellen, dass hier alles eitel Wonne war und wir uns lange an schönen Stränden ausruhen
konnten. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: In Russland mussten wir 2500 km zurücklegen und hatten dafür ein 30-tägiges
Visum. Wir sind jeden ca. 100 km gefahren und hatten nur fünf Tage als Ruhetage und Puffer zur Verfügung. In Kirgisistan hingegen
hatten wir 60 Tage für nur 1000 km. Insofern haben wir uns nach den Visumsbestimmungen gerichtet, wie lange wir uns in einem
Land aufhielten.
Bereitet man sich auch mental auf die psychische Belastungsprobe vor?
ANDREAS BUCIUMAN: Wirklich vorbereiten kann man sich nicht. Es ist eine so einmalige und undenkbare Sache, die man vorhat, für die es auch
keine Erfahrungswerte gibt. Man fährt los und es passiert, was passiert. Man nimmt die Dinge so, wie sie kommen.
DOMINIK BOCHIS: Wir haben im Vorfeld auch Online-Foren besucht, aber schnell festgesellt, die Zugänge und Erfahrungen völlig individuell
sind; jeder muss für sich selbst herausfinden, wie er mit den Herausforderungen umgeht. Eine einzige Konstante konnten wir
feststellen: Immer, wenn zwei oder mehrere gemeinsam losgestartet sind, ist es zu Komplikationen und Streit und schließlich
zur Trennung gekommen. Wissend, dass es auch Tage geben würde, wo wir keinen Bock aufeinander haben würden, haben Andi und
ich uns vorab ausgemacht, dass wir uns durchbeißen würden, weil uns klar war, dass ja nicht der andere Schuld ist, wenn man
selbst einen schlechten Tag hat und wir haben uns vorgenommen, das nicht am Gegenüber, sondern irgendwie anders loszuwerden.
Für solche Fälle haben wir vorgesehen, dass wir ein paar Kilometer Abstand halten und uns ein paar Stunden später wieder treffen
würden, wenn die schlechte Laune verpufft war. So haben wir’s gemacht und es hat super funktioniert.
War es gut machbar, ein Gleichgewicht zu halten zwischen der körperlichen Herausforderung und dem Erleben der Welt, zwischen
Strapaz und Genuss?
DOMINIK BOCHIS: Uns war es besonders wichtig, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Deshalb hatten wir ja das Fahrrad als Fortbewegungsmittel
gewählt. Wir hatten auch vorab ausgemacht, dass wir Einladungen zu den Menschen nach Hause immer annehmen würden, solange
es die Visabestimmungen zeitlich erlauben würden. Es war uns sehr daran gelegen, einen Einblick zu bekommen, wie die Menschen
leben und wie sich ihre Lebenswelt von unserer unterscheidet. Das haben wir auch wirklich genutzt.
War sehr früh der Gedanke präsent, das Unternehmen filmisch so zu dokumentieren, dass es auf der Leinwand gezeigt werden kann?
ANDREAS BUCIUMAN: Sobald die Idee der Reise stand, waren auch Überlegungen da, ob wir auch einen Film darüber machen wollten. Wir hatten ein,
zwei Filme von einer Weltreise per Fahrrad gesehen – durchaus spannende Routen, wir haben aber festgestellt, dass unsere
Route durch Länder führte, wo es noch keine Dokumentation dazu gab. Wir sagten uns, dass wir als komplette Amateure vor wie
hinter der Kamera doch versuchen könnten, unsere Erlebnisse festhalten. Wenn wir uns da halbwegs gut anstellen (was konnten
wir erst im Nachhinein beurteilen konnten) und nötige professionelle Hilfe bekommen würden, dann sollte es einen Versuch wert
sein. Die professionelle Hilfe haben wir in der Person von Josef Aichholzer auch bekommen. Es war unser Wunsch, einen Film
daraus zu machen, es war aber nie wirklich fix, dass es funktionieren würde. Dass es geklappt hat, war eine schöne Überraschung.
Mit welchem technischen Equipment sind Sie auf die Reise gegangen?
DOMINIK BOCHIS: Wir hatten zwei handelsübliche Handkameras für Amateure, die man gut in einer Hand halten kann. 4K war eine technische Anforderung
fürs Kino. Dazu kam eine GoPro und eine Drohne. Das klingt nach wenig, alles zusammengerechnet – Kameras, Akkus, Festplatten,
Ladekabel – bedeutete das zehn Kilo Gepäck.
Was hat das gewichtsmäßig für den Rest bedeutet? Wie viel Gepäck, Verpflegung und Equipment war so einem Fahrrad zuzumuten?
DOMINIK BOCHIS: Das war auch eine der Streitfragen, auf die wir in den vorher schon erwähnten Foren keine Antwort finden konnten, weil jeder
dazu eine andere Meinung hat. Unser Richtmaß war 50 kg Gesamtgepäck, dazu meinten die einen, dass zehn Kilo das Maximum sei,
andere wieder sprachen von 100. Objektive Meinung dazu gab es keine. Wir haben alles, was uns wichtig erschien eingepackt
und sind auf ca. 50kg inkl. Fahrrad gekommen, das 17kg wog. In Wüstenregionen, wo wir sehr viel Wasser und Nahrung mitnehmen
mussten, waren wir allerdings bei ca. 80kg.
Ab welchem Zeitpunkt kam die Aichholzer Filmproduktion ins Projekt. Mit welchem Konzept sind Sie an sie herangetreten?
ANDREAS BUCIUMAN: Wir haben schon lange vor der Abreise Kontakt mit Josef Aichholzer aufgenommen und hatten mehrere Termine in Wien. Die Kontaktnahme
war sehr unkompliziert. Ich habe kurz unsere Idee gepitcht und bald darauf kam eine Einladung nach Wien. Was er immer von
uns wissen wollte, war die Frage nach unserer Geschichte, die wir erzählen wollten. Ein paar Filmclips von einer Weltreise
seien noch nicht genug für einen Kinofilm, der unbedingt eine Story brauchte. Josef Aichholzer hat uns im Positiven immer
wieder gedrängt, was denn nun die Geschichte sei. Diese Frage konnten wir nicht beantworten, solange wir nicht wussten, was
unterwegs passieren würde. Wir waren alle darauf gespannt, wie die Reise verlaufen würde, ob wir genug Interessantes erleben
und dann auf brauchbare Weise mit der Kamera einfangen würden. Konkretere Gespräche gab es nach unserer Rückkehr, als wir
auch schon einen Rohschnitt erstellt hatten. Von da an nahm der Film immer konkretere Gestalt an. Die Produktionsfirma hat
uns auch die Kamera zur Verfügung gestellt. Mit Robert Angst hatten wir ein paar Termine, wo er uns einige Basics u.a. für
Interviewsituationen vermittelt hat.
Was bedeutet es, wenn sich übers Abenteuer, dessen Bewältigung allein schon eine große Herausforderung darstellt, auch diese
Schicht darüberlegt, filmen und dokumentieren zu müssen, was ich gerade erlebe?
DOMINIK BOCHIS: Es war eine gewaltige Hürde, jeden Tag aufs Fahrrad zu steigen, ein Quartier oder einen Schlafplatz zu finden, Essen und
Wasser aufzutreiben und dann noch zu überlegen, was davon jetzt interessant genug sei, um es auch zu filmen. Besonders am
Anfang war das schwierig. Das ist auch der Grund, weshalb wir vom Beginn der Reise so wenig Material haben. Das erste brauchbare
Material beginnt in Russland, nachdem wir bereits ein, zwei Monate unterwegs waren. Da hatten wir uns langsam akklimatisiert
und alles war in Fluss gekommen, sodass man unbewusst zur Kamera greift und Situationen filmt, die interessant sein könnten.
Für Andi und mich war das sehr schwierig. Wir haben uns am Anfang vor die Kameras gestellt und völlig verkrampft irgendetwas
hineingesagt. Josef Aichholzer hat uns auch während der Reise immer wieder ermutigt, dass es im Laufe der Reise schon besser
werden würde. Er hat recht behalten, daran geglaubt und uns motiviert.
Die Fragen nach dem schönsten und den schlimmsten Momenten kommen wohl immer wieder und sind vielleicht auch im Film zu sehen.
Wie sah eigentlich der Alltag dieser mehr als 300 Tage aus?
ANDREAS BUCIUMAN: Dazu kann ich eine Anekdote erzählen, die das ganz gut illustriert. Wir waren elf Monate unterwegs, haben sehr viel im Zelt
übernachtet, die Welt war unser Wohnzimmer. Irgendwann ist das Zelt unser Zuhause geworden. Als wir im März 2018 zurückgekommen
sind, ist noch Schnee gelegen und ich hätte natürlich in meinem Zimmer schlafen können. Es hat mich aber so befremdet, wieder
von vier Wänden umgeben zu sein. Ich habe mein Zelt genommen und die ersten beiden Nächte draußen im Zelt verbracht. Das schien
mir natürlicher als in meinem Bett zu schlafen. Wir haben uns aber sehr schnell wieder eingelebt, einen Monat nach der Rückkehr
hatten wir beide wieder einen Job. Ich erwische mich manchmal, dass ich Google-Maps öffne und mit dem Mauszeiger die Straßen
abfahre, auf denen wir unterwegs waren. Man schwelgt schon in Erinnerungen, hängt dem aber auch nicht so sehr nach. Es war
eine schöne Reise, ein tolles Abenteuer, es ist aber auch gut, dass es vorbei ist.
Wie erlebt man aus einem reglementierten westlichen Alltag kommend die plötzliche Ungebundenheit? Kann man die Freiheit genießen?
DOMINIK BOCHIS: Viele Leute haben uns darauf angesprochen, wie es denn sei, wenn man aus dem Hamsterrad des Arbeitsalltags aussteigt? Für
uns war das auch eine große Unbekannte. Die Erkenntnis war ernüchternd, denn man wechselt von einer Routine in die nächste:
Der Alltag sah so aus, dass wir früh schlafen gingen, früh aufstanden, das Zelt abbauten und früh losfuhren, um unsere 100
km am Rad abzustrampeln. Man bricht nicht wirklich ganz aus gewohnten Mustern aus. Was allerdings schon dazukam, war die Abwechslung
und somit doch die Freiheit. Man kennt in der Arbeit, dass es Tage gibt, wo man keinen Bock hat. An solchen Tagen sagten wir
uns, dann fahren wir halt heute nicht, sondern bleiben in einer Stadt, gehen abends auf den Markt und übernachten dort. Diese
Freiheit haben wir uns gegönnt. Abgesehen davon haben wir dennoch wieder eine tägliche Routine durchlaufen.
In Australien scheint es ein sehr schwieriger Moment gewesen zu sein, der möglicherweise auch Teil der „Story“ ist? Ist da
die Route deutlich abgekürzt worden? Wie sieht es im Laufe eines solchen Unternehmens mit der Versuchung aufzugeben aus, umso
mehr, wenn man schon sehr weit gekommen ist und zufrieden sein kann?
DOMINIK BOCHIS: Der Impuls aufzuhören hat sich ist in uns beiden nicht zum selben Zeitpunkt gemeldet. Bei Andi war das vielleicht etwas
früher, ich hatte es unterwegs gar nicht gemerkt, er hat mir erst später davon erzählt. Bei mir war es später der Fall, dass
so Gedanken hochkamen, wie schön es jetzt wäre, wieder daheim zu sein. Bei Andi trat das schon mal nach einem Monat ein, bei
mir erst nach so vier, fünf Monaten, als uns mein Bruder die Reisepässe mit den neuen Visas nach Kirgisistan gebracht hat.
Als er wieder abflog, war ein schmerzvolles Gefühl da, ihn jetzt wieder für mehrere Monate nicht zu sehen. Von da an kam das
Gefühl immer wieder hoch. Wir haben die Route in Australien aber nicht abgekürzt, sondern in der Tat wie geplant bis Brisbane
durchgehalten, auch wenn die Versuchung aufzugeben immer wieder da gewesen ist. Wir haben es durchgezogen. Der Grund, warum
die Route kürzer als geplant ausfiel, lag daran, dass wir aus politischen Gründen in Myanmar nicht einreisen durften. Daher
mussten wir das Land überfliegen, das waren gleich mal 5 000 km, die wir da auf dem Weg nach Thailand verkürzt haben. Durch
Australien haben wir uns durchgebissen bis auf eine kurze Strecke, die wir auch aus Visa-Gründen überfliegen mussten. Mental
muss man sich diesem Impuls, dass man aufhören will, immer wieder stellen, aber wir haben uns immer wieder aufgerafft.
Wieviel Zeit nach der Rückkehr haben Sie sich an den Schnitt gemacht? Wieviel Material war vorhanden. War es wichtig, den
Schnitt auch selbst durchzuführen?
ANDREAS BUCIUMAN: Wir wollten den Film so schnell wie möglich herausbringen. Es hätte keinen Grund gegeben, es unnötig hinauszuzögern. Wir haben
uns sehr zügig an die Schnittarbeit gesetzt, aber wiederum
als komplette Amateure. Mit allen Kameras zusammen hatten wir
ca. 150 Stunden Material. Die schwierige Aufgabe war, nicht nur aus dieser Menge interessante Clips zu finden, sondern auch
die berühmte „Story“ zu entwickeln. Das hat zweieinhalb Jahre gedauert, bis alle Beteiligten zufrieden waren. Bis dahin hat
es sehr viele Fassungen gegeben, die tolle Landschaften gezeigt, aber noch keine Geschichte erzählt haben.
DOMINIK BOCHIS: Einen Monat nach der Rückkehr haben wir wieder unseren Vollzeit-Job angenommen, die Arbeit am Film ist dann neben dem Job
weitergelaufen. Der Wunsch, einen Film zu machen, war immer da. Der Zweifel, ob wirklich einer daraus werden würde, hat uns
sehr lange begleitet. Es hat schon eine Weile gedauert, bis wir einmal einen sauberen Schnitt hatten, der auch Hand und Fuß
hatte und von dem man ausgehen konnte, dass es auch andere Leute interessieren könnte. Der Umstand, dass wir komplette Amateure
waren, hat es auch nicht einfach gemacht, vor den Geldgebern zu argumentieren. Ende 2019 kam der erste Geldgeber an Bord
und dann kam alles so richtig in die Gänge und wir konnten auf ein Endergebnis zusteuern.
Mit welcher Bilanz schaut man nach drei Jahren auf so eine Erfahrung zurück?
ANDREAS BUCIUMAN: Eine Erkenntnis war, dass die Welt kein so schlimmer Ort ist, wie es die Nachrichten vermuten lassen. Die andere, wie schnell
es mit der Freiheit auch wieder vorbei ist, wie die aktuelle Situation zeigt. Jetzt könnte man weder mit dem Flugzeug noch
mit dem Fahrrad verreisen. Insofern sind wir dankbar, dass wir diese Reise offensichtlich zum richtigen Zeitpunkt gemacht
haben. Und wir haben auch erfahren, wie schwierig es ist, einen Film zu machen.
DOMINIK BOCHIS: Für uns stand fest, dass wir mit unseren Erfahrungen, die wir gemeinsam gemacht haben, nicht andere belehren wollten. Für
uns war es richtig, uns auf dieses Abenteuer einzulassen. Wir haben diesen Wunsch verspürt und es war uns ein großes Anliegen,
ihn auch in die Tat umzusetzen. Wir wollten nicht irgendwann reumütig feststellen, dass wir etwas verabsäumt hätten. Ich bin
froh, darauf zurückblicken zu können, ich würde es kein zweites Mal tun. Es war uns auch von Beginn an bewusst, dass wir weder
Sportler noch Radfahrer waren. Es war sehr anstrengend. Wir haben sehr schöne Erinnerungen gesammelt, das war es dann aber
auch. Wenn man einen Traum hat und das auch wirklich will, dann soll man alles daran setzen, dieses Ziel auch zu erreichen.
Das haben wir aus dieser Erfahrung mitgenommen.
Inwieweit ändert so eine Erfahrung den Blick auf das bisherige Leben? Wie lange hält diese relativierte Perspektive an? Verpufft
sie auch schnell wieder?
DOMINIK BOCHIS: Man kommt wieder zurück und nimmt sich vor, so viel anzuwenden, von dem, was man unterwegs gelernt hat. In Wirklichkeit fällt
man wieder in die Routine zurück, von der aus man aufgebrochen ist. Man muss sich aktiv an die Erfahrungen erinnern, sonst
verblasst es wieder. Das war der Grund, weshalb wir auch ein Buch herausgegeben haben. Gerade weil wir merkten, dass die Erinnerungen
von Tag zu Tag blasser wurden. Uns ist aufgefallen, dass wir auch viele Geschichten zu erzählen hatten, für die wir mit der
Kamera zu langsam gewesen sind oder die Situation ein Filmen nicht zugelassen hat. Die Geschichten, die im Film keinen Platz
finden konnten, die wir aber mitnehmen wollten, haben wir dann in das Buch gepackt. Man muss wirklich daran arbeiten, dass
etwas von diesen Erlebnissen bleibt. Der Film ist sicher ein gutes Mittel dazu.
Interview: Karin Schiefer
Februar 2021