Die Projekte der Wiener Panama Film sind fiktional, dokumentarisch oder hybrid; die künstlerischen Handschriften individuell.
Der Katalog der 2018 von David Bohun und Lixi Frank gegründeten Produktionsfirma ist (nicht zuletzt coronabedingt) klein, aber fein: Die ersten drei Filme eroberten
internationale Startplätze in Berlin oder Nyon, für Nachschub ist gesorgt. 2023 verspricht zwischen Dreharbeiten in Wien,
Drehvorbereitungen u.a. in Belarus und Verwertungsstrategien für eine fertiggestellte Koproduktion ein dynamisches Jahr zu
werden. David Bohun ist einer von 20 jungen europäischen PRODUCERS ON THE MOVE, die European Film Promotion wie jedes Jahr anlässlich des Festivals von Cannes zum grenzüberschreitenden Austausch einlädt.
Als einer der Produzenten von Panama Film, die Sie gemeinsam mit Lixi Frank führen, werden Sie bei PRODUCERS ON THE MOVE,
einer Initiative von European Film Promotion, vertreten sein. Mit welchen aktuellen Projekten werden Sie dort Ihre 19 europäischen
Kolleg:innen treffen?
DAVID BOHUN: 2023 ist für Panama Film ein sehr intensives Jahr: Drei Filme werden wir dieses Jahr drehen. Großteils abgedreht und sich
bereits im Schnitt befindend ist der auf 16mm-gedrehte Spielfilm Witterungen von Lilith Kraxner und Milena Czernovsky. Für Elsa Kremsers und Levin Peters Der grüne Wellensittich sowie für Bei aktueller Verkehrslage von Sebastian Brameshuber laufen gerade die Drehvorbereitungen auf Hochtouren. Der erstere wird ab Juni in Belarus und Lettland
gedreht, Sebastians Film entlang der A1 Westautobahn im Spätsommer. PRODUCERS ON THE MOVE in Cannes kommt da gerade recht,
weil es uns wichtig ist, bereits in der Herstellungsphase Kontakte zu World Sales zu knüpfen, damit die Leute von den Projekten
bereits einmal gehört haben, wenn man mit einem Rohschnitt auf sie zugeht. Und dafür ist Cannes sicherlich der beste Ort.
In Fertigstellung ist Die Theorie von Allem von Timm Kröger, eine trilaterale Koproduktion zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz, bei der wir mit dem französischen
World Sales Charades zusammenarbeiten. Geplant ist ein Kinostart in Österreich Ende des Jahres.
Ein Blick auf Ihren Lebenslauf dokumentiert, wie Sie step by step in dieses Metier eingetaucht sind: vom Kurzfilm zum mittellangen
zum Langfilm und zur eigenen Firma. Wissen Sie noch, was Sie in diesen Beruf geführt hat? Was Sie am Film fasziniert hat?
DAVID BOHUN: Als ich als Teenager entdeckte, dass die Filmproduktion auch einen Berufszweig ausmacht, ist der Wunsch in mir erwacht, Teil
des Prozesses zu werden. Ich habe mich früh für World Cinema interessiert, für Filme aus Japan, Argentinien, Brasilien, Iran
Es war der Einblick in andere Welten, in fremde Lebensrealitäten, die ich in meinem Leben wohl sonst nie erleben würde.
Das Ausbrechen aus dem bekannten Umfeld und durch die Leinwand an einen anderen Ort geführt zu werden, mit Emotionen, Bildern,
Geräuschkulissen – diese Kraft besitzt für mich nur das Kino. Mit 16 habe ich ein Schuljahr in Argentinien verbracht, gerade
zu einem Zeitpunkt, als das argentinische Kino ganz groß wurde – mit Lucrecia Martel, Pablo Trapero, etc., ich entdeckte das
mexikanische Kino von Alejandro Iñarritú und Alfonso Cuarón. Mein Blick wurde gewiss vom lateinamerikanischen Kino geprägt
und hat sich dann durch die eigene Erfahrung ausgeweitet.
Was hat Sie im breiten Spektrum der Möglichkeiten in Richtung Produktion geführt?
DAVID BOHUN: Ich liebte das Kino und wollte in diese Richtung meine berufliche Laufbahn einschlagen. Dabei merkte ich früh, dass meine
Stärken in der Organisation lagen, den Gesamtüberblick zu bewahren und darin, der Kommunikationsangelpunkt zu sein. Fähigkeiten,
die für die Produktion von großer Bedeutung sind. Damit wollte ich den kreativen Prozess bis hin zum fertigen Film begleiten
und unterstützen. Eingestiegen bin ich über Projekte an der Filmakademie. Ich habe als Teenager bei einem Musikvideo von Valentin
Hitz mitgespielt und bekam so erste Einblicke in ein Studierenden-Filmset. Insofern wurde mir in sehr jungen Jahren die Filmakademie
ein Begriff und dort zu studieren, wurde auf einmal eine reale Möglichkeit. Die Filmakademie war ein sehr wichtiger Ort, um
mir in der überschaubaren österreichischen Filmbranche ein Netzwerk aufzubauen, auf das ich bis heute zurückgreifen kann.
Es gibt in diesem Beruf prinzipiell zwei Wege: Einerseits den über das Studium, im Idealfall an der Filmakademie, oder man
beginnt in einer Assistenzposition, wie z.B. als Produktionsassistent, direkt am Set und arbeitet sich kontinuierlich hinauf.
Ich wollte beides kombinieren: so habe ich als Lichtvolontär meine erste professionelle Set-Erfahrung hinter der Kamera gemacht
und dann als PA und Set-Aufnahmeleiter gearbeitet. Immer mit dem Ziel vor Augen, auf die Filmakademie aufgenommen zu werden.
Was waren für Sie entscheidende Erfahrungen im Werdegang eines Produzenten?
DAVID BOHUN: Entscheidende Erfahrungen habe ich mit spannenden Regisseur:innen wie Sebastian Brameshuber, Catalina Molina oder meinem
Bruder Stefan bei deren Kurzfilmen gesammelt. Mein erster Langfilm, den ich mit KGP Filmproduktion mitproduziert habe, war
der Dokumentarfilm Muezzin von Sebastian, der in Karlovy Vary uraufgeführt wurde. Ich war noch nicht lange auf der Filmakademie und habe bereits bei
Projekten dieser Größenordnung mitgearbeitet, was sicher wichtige Erfahrungen waren. Bald darauf habe ich meine erste Anstellung
als Produktionsleiter bei Mischief Films angenommen. Es war eine wichtige Chance, das an der Filmakademie Gelernte mit der
Praxis zu verknüpfen und zu potenzieren. Es war ein wichtiger und lehrreicher Schritt für mich, Teil einer Produktionsfirma
zu sein und lange Zeit in Firmenstrukturen mitarbeiten zu können. Der zweite wichtige Schritt, war dann, eine eigene Produktionsfirma
zu gründen. Gemeinsam mit den zwei Regisseuren Sebastian Brameshuber und Stefan Bohun schmiedeten wir erste Pläne. Die Idee
war aber immer, neben den zwei Regisseuren noch eine zweite Person als Produzent:in dazuzuholen – so sind wir dann glücklicherweise
auf Lixi Frank gestoßen, die gerade den Dokumentarfilm Paradies! Paradies! produziert hatte. Lixi und ich haben dann 2018 gemeinsam Panama Film gegründet.
Welche Motive standen bei der eigenen Firmengründung im Vordergrund?
DAVID BOHUN: Nach der freien Wahl für die Stoffe an der Filmakademie, war ich als Produktionsleiter größtenteils darauf angewiesen, an
Projekten zu arbeiten, die die Produktionsfirma für interessant hielt. Die Freiheit, selbst über die Projekte zu entscheiden,
ist aber nur in einer eigenen Firma möglich. Außerdem wollte ich mich auch weiter Richtung Spielfilm bewegen. In Österreich
sind die Produktionsfirmen beinahe ausschließlich klein- und mittelgroße Betriebe, die man nicht beliebig vergrößern kann.
Wenn man dann bei einer bestehenden Firma zu arbeiten beginnt, gibt es nur bedingt Aufstiegsmöglichkeiten als Produzent:in
geschweige denn in die Geschäftsführung. Diese Umstände gepaart mit dem Wunsch, eigene Projekte entwickeln zu können und mit
Menschen zu arbeiten, die man sehr schätzt und mit denen man eine Vision teilt, stand definitiv bei mir im Vordergrund.
Worin definiert sich diese Vision von Panama Film?
DAVID BOHUN: Für uns stehen Inhalt und Form gleichberechtigt. Wir begeistern uns nicht für ein Drehbuch allein, sondern für uns steht
die Frage, wer es realisiert, im Vordergrund. Stams ist ein gutes Beispiel, da kam die Initial-Idee, die Schikaderschmiede Österreichs zum Thema zu machen, von Sebastian Brameshuber,
gerade in Zeit der Firmengründungsgedanken. Zu viert haben wir die Idee dann durch Recherche weiterentwickelt und in weiterer
Folge nach der geeigneten Regie und filmischen Handschrift gesucht. Damals kam gerade Atelier de conversation ins Kino, Bernhard Braunsteins erster Film, der uns durch seine formale Stringenz beeindruckt hatte. Daraufhin haben wir
ihm vorgeschlagen, Stams als Dokumentarfilm zu machen. Der Blickwinkel, wie an Geschichten herangegangen wird, ist für uns zumeist entscheidender,
als dass Drehbuch an sich. Auch bei The Trouble With Being Born war das der Fall, das Zentrale war Sandra Wollners Vision dieser speziellen Geschichte.
Sind Sie grundsätzlich sehr früh in die Projekte involviert?
DAVID BOHUN: Normalerweise sind wir ab einem sehr frühen Zeitpunkt, mit den Filmemacher:innen im Austausch über ihre Ideen bzw. Projekte.
Immer wieder gibt es auch Ausnahmen, wie z.B. bei Witterungen, wo Lilith und Milena bereits bald ein Folgeprojekt entwickelt hatten, als ihr Debütfilm Beatrix, gerade in die Verwertung ging. Wir hatten ein paar gemeinsame Feedback-Sessions zum Drehbuch, aber es war schon sehr weit
entwickelt und die gemeinsamen Gespräche haben gezeigt, dass sich die Zusammenarbeit für uns beide – also Regie und Produktion
– gut und richtig anfühlt. Wir zwingen unsere Meinungen nie auf, dennoch ist es uns wichtig, Teil des Prozesses zu sein. Im
Regelfall kommen die Leute mit ihren Ideen, Treatments oder Drehbüchern auf uns zu. Obwohl es schon auch reizvoll wäre, in
Zukunft vermehrt auf Autor:innen zuzugehen und in weiterer Folge eine Regie zu finden, bei der uns die individuelle filmische
Handschrift in Verbindung mit dem Stoff interessiert.
Welchen großen Schritt hat die Firmengründung strukturell und hinsichtlich der zusätzlichen Verantwortung bedeutet?
DAVID BOHUN: Ich habe das Gefühl, es wird oft unterschätzt und auch im Studium nicht wirklich vermittelt, was das letztendlich bedeutet.
Man muss die arbeits- wie steuerrechtliche und finanzielle Verantwortung immer ganz großschreiben, weil Nachlässigkeiten die
Firma in Gefahr bringen können. Auch gegenüber den Mitarbeiter:innen trägt man eine Verantwortung, besonders in einem Gewerbe,
in dem wir uns von selektiven Fördergeldern finanzieren. Projekte, die abgelehnt werden oder sich verschieben, können da zu
erheblichen finanziellen Engpässen führen. Daher wollen wir die Infrastruktur überschaubar halten, nicht gleich explodieren,
wenn mal mehrere Projekte zeitgleich anfallen, sondern zu Spitzenzeiten eher extern Unterstützung zuziehen. Wir versuchen
eine Struktur aufzubauen, die nachhaltig wächst und die wir uns auch auf lange Sicht leisten können. Z.B hatte sich durch
Corona einiges verzögert, wie die Fertigstellung von Stams, der Drehstart des schon ausfinanzierten Die Theorie von allem. Trotzdem haben wir es geschafft, in den letzten fünf Jahren eine solide Struktur aufzubauen.
Wie setzt ihr in den gleichzeitig inhaltlichen, produktions- wie finanztechnischen Anforderungen an euch die Prioritäten?
DAVID BOHUN: Man braucht eine gute Balance und leider ist man zumeist gezwungen, viel mehr Zeit in die strukturelle Tätigkeit, wie Finanzierungen
und Abrechnungen zu stecken, obwohl man lieber Zeit mit den „Talents“ z.B. bei ausgedehnten Drehbuchbesprechungen verbringen
würde. Das kommt oft viel zu kurz. Eines wird immer wieder auf Produzent:innen-Workshops geraten: Man sollte langfristig mit
einem:r CFO arbeiten, also mit einer Person in der Firma, die sich in erster Linie um den finanziellen Aspekt kümmert, damit
man sich für die inhaltliche Arbeit freispielen kann. Wir merken es sehr deutlich, dass, wenn wir von den Filmemacher:innen
in der Entwicklung proaktiv Inhaltliches einfordern – gehen die Projekte bedeutend schneller voran. Wenn wir hingegen mit
Abrechnungen beschäftigt sind, anstatt uns den Projekten zu widmen, laufen wir Gefahr, Einreichtermine verstreichen zu lassen,
wodurch sich das gesamte Projekt verschiebt. Daher ist es wichtig, eine gute Balance zu finden, um Zeit für die inhaltliche
Arbeit zu haben. Das war auch für uns ein Lernprozess. Erst in unserem dritten Firmenjahr haben wir eine externe Buchhaltung
herangezogen, vorher haben wir das selbst gemacht. Außerdem haben wir seit ca. eineinhhalb Jahren zwei wunderbare Mitarbeiterinnen
angestellt, die uns sehr entlasten.
Was war Ihr erster großer Erfolg?
DAVID BOHUN: Der erste richtig große Erfolg war die Einladung zu einem A-Festival. Das war Sebastian Brameshubers Muezzin, der 2009 im Dokumentarfilm-Wettbewerb von Karlovy Vary gelaufen ist. Für mich war das damals der erste große Wurf. Oder
die Nominierung für den Europäischen Filmpreis von Catalina Molinas mittellangem Film Talleres Clandestinos – das waren erste schöne Erfolge in den Studentenzeiten. Ganz besonders war dann allerdings, mit The Trouble with Being Born bei der Berlinale im Encounters-Wettbewerb zu laufen und dann auch noch den Spezialpreis der Jury zu gewinnen. Für uns als
Produktionsfirma haben dann die vier Österreichischen Filmpreise, allen voran der für Bester Spielfilm, das Gefühl bewirkt,
in der Branche angekommen zu sein.
Mit Sebastian Brameshuber verbindet Sie bereits eine lange künstlerische Zusammenarbeit seit Muezzin, Sandra Wollners zweiter gemeinsamer Langfilm ist am Entstehen. Ist es der Panama Film wichtig, eine künstlerische „Familie“
aufzubauen und Regisseur:innen in ihrer Entwicklung zu begleiten?
DAVID BOHUN: Auf jeden Fall. In unserer Beziehung zu den Filmemacher:innen steht das gegenseitige Vertrauen an erster Stelle. Das erlangt
man nur durch Zusammenarbeit und gegenseitige Wertschätzung. Wir bemühen uns sehr, den Kreativen einen Raum zu geben, der
ihnen ermöglicht, das Beste aus ihren Projekten rauszuholen. Die Arbeit muss immer auf Augenhöhe passieren, der Prozess des
Filmemachens ist schwierig genug. Es ist immer eine schöne Bestätigung unserer Arbeit, wenn die Regisseur:innen mit uns weiterarbeiten
oder Neue auf uns zukommen, weil sie unsere Arbeit sehr schätzen.
Welche Ziele verfolgen Sie in Richtung internationaler Koproduktionen?
DAVID BOHUN: Für komplexere und teurere Projekte, ist eine internationale Koproduktion oft die einzige Möglichkeit, sie zu realisieren.
Auch auf inhaltlicher Ebene, wenn diese international ausgelegt ist, bietet es sich oft an, über den österreichischen Tellerrand
hinauszuschauen. Das bringt auch Vorteile in der Verwertung, weil eine Koproduktion einen potenziell größeren Markt mit sich
bringt. Koproduktionen sind aber gleichzeitig auch teurer, aufwändiger und manchmal auch mühsamer. Man sollte sie nur machen,
wenn sie sich anbietet. Everytime von Sandra Wollner z.B. ist eine Koproduktion mit Deutschland, die organisch gewachsen ist. Erstens ist Sandra Österreicherin,
die seit vielen Jahren in Deutschland lebt, zweitens verbindet uns mit Viktoria Stolpe und Timm Kröger, die gemeinsam in Berlin
die Produktionsfirma The Barricades gegründet haben und mit denen wir bereits The Trouble with Being Born und Die Theorie von allem (eine deutsch-österreichisch-schweizer Koproduktion) koproduziert haben, eine sehr enge Vertrautheit. Beide Firmen sind filmisch
wie inhaltlich auf einer Wellenlänge, wir sind gemeinsam gewachsen. Prinzipiell sind wir sehr offen für internationale Koproduktionen
und schätzen es immens, uns mit unseren internationalen Partner:innen auf Augenhöhe auszutauschen.
Worin bestehen nun Ihre Erwartungen an die Teilnahme bei PRODUCERS ON THE MOVE in Cannes?
DAVID BOHUN: Das wichtigste Ziel bei allen internationalen Produzent:innen-Workshops, die ich bisher gemacht habe – und so sehe ich es
auch für PRODUCERS ON THE MOVE – ist es, auf einer breiten internationalen Ebene netzwerken zu können. Das bringt einen nicht
akquirierbaren Vorteil für unser Schaffen, das sehr auf internationalen Kontakten aufbaut.
Z. B. wenn man internationale Teammitglieder sucht oder um sich über gemachte Erfahrungen mit Weltvertrieben auszutauschen
– dann ist es sehr wertvoll, sich bei den Produzent:innen erkundigen zu können, die man auch schon vor Jahren bei dem einen
oder anderen Workshop kennengelernt hat. Es ist auch auf internationaler Ebene eine recht überschaubare Branche. Meine größte
Erwartung und Hoffnung ist es, dort spannende Leute zu treffen und mit ihnen einen langfristigen Austausch zu initiieren,
der uns bereichern kann.
Interview: Karin Schiefer
Mai 2023