INTERVIEW

«Neugier und der Wunsch, die Welt zu verbessern.»

In Zeiten, wo Mauern, Ängste und Sparprogramme die Horizonte engen, erfrischt Christian Tods Free Lunch Society mit Reflexionen zum Bedingungslosen Grundeinkommen und einem erhellenden Blick auf die Gegenwart als weites Land der ungedachten Möglichkeiten.


Sie sind Filmemacher und Ökonom. Wie lange beschäftigen Sie sich bereits mit Modellen, die unser Wirtschaftssystem, aber auch unsere bestehende Gesellschaftsform neu denken? 
 
CHRISTIAN TOD: Das begann definitiv bereits, bevor ich begann Volkswirtschaft zu studieren. Der Ausschnitt aus Star Trek zu Beginn des Films ist mehr als nur ein Augenzwinkern. Eine Science-Fiction-Serie wie Star Trek – Next Generation in meiner Jugend zu sehen, war in der Tat prägend. Es wird darin ein Gesellschaftsmodell präsentiert, wo es kein Geld mehr gibt, wo Menschen nur noch deshalb arbeiten, weil sie es wirklich wollen und die menschliche Neugier sie antreibt. Als ich zum Abschluss meines Volkswirtschafts-Studiums nach einem Diplomarbeitsthema suchte, war die Vision vom Bedingungslosen Grundeinkommens bereits sehr präsent. Seit 2006 beschäftige ich mich nun intensiv damit. Ich habe sogar eine Dissertation dazu begonnen, die wurde aber immer wieder von meinen Filmprojekten unterbrochen.
 
 
Wann hat sich in Ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung ein filmischer Zugang zu diesem Thema aufgedrängt?
 
CHRISTIAN TOD: Ich habe nie als Volkswirt gearbeitet. 2007 entstand noch während des Studiums mein erster Film Fatsy – Der letzte Cowboy von Österreich und von da an bin ich auch beim Film geblieben. Ich habe die Filmidee zum Thema Grundeinkommen bei den Start-Stipendien des BKA eingereicht, Stipendium bekam ich keines, aber eine Weiterempfehlung an einen erfahrenen Produzenten, mit dem ich die Idee weiterentwickeln konnte: das war Michael Seeber. Durch ihn kam ich zur Golden Girls Filmproduktion, mit der ich dann mit OvalFilm auch den Koproduktionspartner in Deutschland fand.
 
 
Wie gelang es Ihnen, aus dem wissenschaftlichen in einen filmischen Fokus zu wechseln.
 
CHRISTIAN TOD: Es war nicht einfach, eine filmische Struktur zu finden, da ich sehr stark in meiner Arbeitsweise als Wissenschaftler geprägt war und ein filmischer Zugang sich völlig anders gestalten musste. Zunächst standen für mich jene Protagonisten im Vordergrund, mit denen ich in meiner wissenschaftlichen Recherche zu tun hatte. Filmisch betrachtet wurde das aber rasch langweilig und ich musste meinen Zugang in verschiedene Themenkomplexe ändern. Der Film setzt bei der ethischen Rechtfertigung des Grundeinkommens an, die sich darauf stützt, dass die Ressourcen uns allen gehören. Darauf aufbauend, suchte ich nach interessanten Köpfen, die sich zum Thema Gedanken gemacht haben und vermied es nach Möglichkeit, Ökonomen die Grundeinkommens-Experten sind, zu Wort kommen zu lassen.
 
 
Geht es Ihnen auch darum, entkoppelt vom konkreten Experiment des Grundeinkommens, Ihre Zuschauer dazu zu bringen, Grundfesten des Daseins und der Gesellschaft einmal anders zu denken, ... so gesehen philosophisch anzusetzen?
 
CHRISTIAN TOD: Das ist absolut der Fall. Man spürt es an sich selbst am stärksten, wie sehr man gewisse Modelle im Kopf hat, die man für die Realität hält. Es besteht ja eine ewige Wechselwirkung zwischen Modellen, die die Realität formen, die wiederum Modelle hervorbringt. Ich wollte dafür Bewusstsein schaffen, dass unsere Realität nicht unumstößlich ist und wir sie jederzeit ändern können, wenn wir das wollen. Man könnte die Gesellschaft z.B. dahingehend ändern, dass es etwas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt.
 
 
Der Film beginnt mit Bildern auf die Erde aus dem Weltall, mit einem Star-Trek-Zitat aus dem 24. Jahrhundert. Ist das eine Metapher für die Dimension der Distanznahme und des Weitblicks, deren es für so ein Gedankenexperiment bedarf? Oder eher ein Hinweis, der das Utopische der Idee untermauert?
 
CHRISTIAN TOD: Ich würde sagen, beides hat seine Gültigkeit. Fest stand immer, dass ich mit Star Trek beginnen würde. Die Bilder der Erde kamen auf recht natürliche Weise dazu, auch wenn die Bilder aus dem Orbit heute keinen großen Eindruck mehr erzeugen. Wir kennen alle Buckminster Fullers Spaceship Earth, diese Metapher aus den Sechzigern. Es tut immer gut, einen Schritt zurück zu machen und aus der Normalität herauszutreten. Der Film wird aus einer Zukunftsperspektive erzählt, was ursprünglich auf den Star Trek-Einstieg zurückgeht, es hat sich aber ganz natürlich so weiter entwickelt.
 
 
Interessanterweise scheinen die Experimente und Diskussionen zum bedingungslosen Grundeinkommen in Gesellschaften zu entstehen, die als besonders reich, leistungsgetrieben, kapitalistisch gelten, ich denke an die USA, die Schweiz ... Wie erklären Sie das?
 
CHRISTIAN TOD: Es gibt natürlich auch Namibia, wo ein sehr starkes Gefälle zwischen der reichen und der armen Gesellschaftsschicht besteht. Es finden zur Zeit viele Experimente in Entwicklungsländern statt. Die ersten Experimente gab es in den sechziger Jahren in den USA. Das bedingungslose Grundeinkommen wurde damals ja von verschiedenster Seite propagiert – von Martin Luther King, Lyndon B. Johnson – d.h. die Elite in Washington war dem Thema gegenüber sehr offen und es stand kurz vor der Einführung. Daraufhin entstanden die teuersten Sozialexperimente der Geschichte, von denen heute kaum mehr jemand etwas weiß. Die Frage, wie sich das Grundeinkommen finanziert, wurde in den USA nie diskutiert. Man stand damals kurz davor, den ersten Menschen auf den Mond zu bringen, Geld spielte keine Rolle. Das Konzept Grundeinkommen wurde aus einer Position des Wollens und der Stärke und nicht aus einer Perspektive des Mangels, wie es bei uns so gerne gesehen wird, diskutiert. Die Volkswirtschaft behauptet immer noch den großen Mangel und entwirft das Bild vom Kuchen, der irgendwann aufgebraucht ist. Mit dem digitalen Zeitalter, wo die Grenzkosten bei den meisten Produkten gleich Null sind, weil man sie kopieren kann, leben wir eigentlich wieder in einer Zeit des Überflusses.
 
Sehen Sie einen denkbaren Weg aus dem Mangel-Modell?
 
CHRISTIAN TOD: Durch neue Technologien, Digitalisierung, 3D-Drucker, die bald kommen, glaube ich, dass ein Umdenken stattfinden und ein Bewusstsein entstehen wird, dass man nicht mehr auf große Unternehmen mit Tausenden Mitarbeitern angewiesen ist. Mit 3D-Druckern, einer guten Idee und der richtigen Software, wird man auch in einem Keller hochwertige Produkte herstellen können.
 
 
Die großen Konzerne werden viel unternehmen, um dies zu verhindern.
 
CHRISTIAN TOD: Wir erleben gerade einen sehr interessanten Zeitpunkt, was das Grundeinkommen betrifft. Es sind im letzten Jahr viele CEOs großer Konzerne wie Siemens oder Telekom auf die Idee des Grundeinkommens aufgesprungen. Die Idee schwappt gerade in die traditionellen europäischen Großunternehmen über, aus dem Bewusstsein heraus, dass die Industrie 4.0., d.h. die totale Automatisierung, kommen wird und Walter Reuthers Frage an Henry Ford II: „Wer kauft ihre Autos, wenn nun alles automatisiert wird?“ an Relevanz gewinnt. Da erleben wir gerade einen spannenden Moment, der ein Umdenken auslösen könnte. Die Konzerne wollen ein Grundeinkommen, um sich ihre Konsumenten zu sichern. Das ist kurzfristig gedacht. Denn ein Grundeinkommen löst meiner Meinung nach viel mehr aus: Ich glaube, dass die Menschen dadurch auch demokratisch ermächtigt werden und die Grundordnung in Frage stellen.
 
 
Das Grundeinkommen kann wohl kaum langfristig garantiert werden?
 
CHRISTIAN TOD: Das Grundeinkommen wieder auszusetzen, stelle ich mir sehr schwierig vor. Wir waren in Alaska, wo es seit den siebziger Jahren den Alaska Permanent Fund (APF) gibt und seit den achtziger Jahren an alle Bewohner Alaskas eine Dividende auf die Gewinne aus der Erdölindustrie ausgeschüttet wird. Dieses Geld ist aus der ethischen Begründung, dass Gewinn aus Bodenressourcen allen Bürgern zusteht, zu einer Selbstverständlichkeit geworden, die kein Politiker mehr aufheben könnte. Da müsste etwas Gravierendes passieren.
 
 
Sie sprechen mit vielen interessanten Denkern quer durch verschiedene Generationen. Was hat Ihre Interviewpartner vereint?
 
CHRISTIAN TOD: Was diese Menschen alle miteinander verbindet, ist ihre Neugier und ihr Wunsch, die Welt zu verbessern, vom ganz konservativ-libertären Charles Murray bis zu einem der jüngsten Protagonisten Michael Bohmeyer. Interessant ist, dass beinahe alle Unternehmer sind: Technologieunternehmer, Klein- oder Großunternehmer, Menschen, die es sich leisten, sich Gedanken zu einer besseren Welt zu machen. Das ist ja auch ein Ziel des Grundeinkommens – dass sich durch die gewonnene Freiheit und Sicherheit, mehr Menschen darüber Gedanken machen können, wie sich die Welt verbessern lässt.
 
 
Welche Konsequenzen hätte ein bedingungsloses Grundeinkommen auf die Leistungen des Wohlfahrtsstaates?
 
CHRISTIAN TOD: Das müsste jede Gemeinschaft, die ein Grundeinkommen auszahlt, selbst bestimmen. Meine Präferenz wäre, die staatlichen Krankenleistungen und das Bildungssystem beizubehalten. Alles andere steht zur Diskussion. Wir sprechen dann nicht von „charity“ für die Bedürftigen, sondern von einem Recht, das jeder hat. Leistungen wie Bildungs- oder Gesundheitssystem, die ein Staat effizienter herstellen kann, sollten meiner Meinung nach in staatlicher Hand bleiben. Mit einem völlig privatisierten Gesundheitssystem wäre das Grundeinkommen schnell wieder weg. Da muss man sehr aufpassen. Konservative Kräfte werden das Grundeinkommen nutzen, um einen radikalen Kahlschlag bei diesen staatlichen Leistungen durchzusetzen.
 
 
Sie sprechen nicht mehr im Konjunktiv, wenn Sie vom Grundeinkommen sprechen?
 
CHRISTIAN TOD: Nein. Die Zeiten sind vorbei. Als ich mit meiner Diplomarbeit zu diesem Thema begonnen habe, hatte die Idee noch eine sehr utopische Anmutung, die in weiter Ferne schien. Zu Beginn meiner Arbeit an Free Lunch Society schien es schon viel realistischer, aber nun, nachdem ich das Jahr 2016 erlebt habe, bin ich mir sicher, dass es kommen wird. Die Frage ist, in welchen Ländern und in welcher Form es kommen wird. Das bedingungslose Grundeinkommen ist zur Zeit ein Thema, das sehr breit von den Medien aufgegriffen wird, an verschiedensten Orten poppen Unterstützer auf und somit rückt es ins Bewusstsein der Menschen. Das war vor einigen Jahren noch nicht der Fall.
 
 
Der Film enthält sehr viel TV Material, insbesondere aus den USA. Wie spürten Sie dieses Material auf?
 
CHRISTIAN TOD: Das war sehr schwierig, weil viel Material aus den USA der sechziger Jahre stammte und noch nicht digitalisiert war. Ich habe mich durch viele Katalogseiten im Internet durchgekämpft, die Kurzbeschreibungen der Filmrollen gelesen und sie in der Hoffnung, dass es sich um brauchbares Material handelt, bei Networks wie NBC oder ABC ausheben lassen. Wir waren bei den meisten Materialien die ersten, die sich dafür interessierten, sie wurden daher erst aufgrund unserer Anfragen digitalisiert.
 
 
Sie haben Ihren Filmtitel Free Lunch Society an ein Zitat Ronald Reagans angelehnt. War es Ihnen sehr wichtig, gerade auf diese Präsidentschaftsära anzuspielen, um auf eine radikale Trendwende zu verweisen?
 
CHRISTIAN TOD: Man denkt natürlich sofort an Reagan und seinen Satz: „There’s no such thing as a free lunch“. Der Begriff ist allerdings viel älter und in den USA ein geflügeltes Wort. Der Science Fiction-Autor Robert Heinlein hat den Begriff in den fünfziger/sechziger Jahren geprägt, außerdem wird der Satz auch Milton Friedman zugeschrieben, der ein großer Fan von Reagan war und umgekehrt. Die Ära Reagan ist nach wie vor sehr prägend, insofern als gerade da in der Volkswirtschaftstheorie der größte „brainwash“ stattgefunden hat. Seit dieser Zeit glauben wir an mathematische Modelle in der Volkswirtschaftslehre, die mit der Realität nichts zu tun haben, die aber von Politikern immer noch benützt werden, um Kürzungen im Sozialbereich zu rechtfertigen. Man denke nur an Griechenland und die EU. Diesen Maßnahmen liegen Modelle zugrunde, die nichts mit der Realität zu tun haben, die aber deutlich machen, wie bestimmend diese Ära immer noch ist. Groß ist auch der Zirkel an Nobelpreisträgern, die sich noch immer auf Milton Friedman berufen. Das ist wie in der Theoretischen Physik und der String-Theorie: Es wird nur noch gerechnet, die Annahmen sind realitätsfern und die Ergebnisse nicht überprüfbar. Das hat etwas Sektenhaftes. Der Unterschied zwischen der Theoretischen Physik und der Volkswirtschaftstheorie ist der, dass, wenn Letzterer sich irrt, Milliarden Menschen darunter leiden.
 
 
Wie kann man sich vorstellen, dass auch Modelle wie das des Grundeinkommens aus den abgeschotteten Zirkeln der Theorie ins Bewusstsein der Zivilgesellschaft und der Politik sickern?
 
CHRISTIAN TOD: Die Idee des Grundeinkommens ist ja durchaus mit den klassischen Modellen der Volkswirtschaftslehre vereinbar. Das macht sie selbst für konservative Ökonomen so interessant, weil sie so einfach und elegant ist. Das lieben die Mathematiker ja. Ich sehe keinen großen Widerspruch zur Volkswirtschaftstheorie des 19. und 20. Jhs. Wohingegen es im starken Widerspruch steht, das sind moralische Ansätze, die schon in der Bibel nachzulesen sind: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ und die vor allem in der calvinistischen Ethik verankert sind. Eigentlich reicht die Problematik bis in die neolithische Revolution zurück. Seit der Mensch sesshaft ist und für sich das Recht beansprucht, ein Stück Land sein eigen zu nennen. Dank der Errungenschaften der Technologie bietet sich jetzt wieder die Möglichkeit, in eine Gesellschaft des Überflusses einzutreten. Das macht das Grundeinkommen zum aktuellen Zeitpunkt so virulent, weil es immer parallel mit Digitalisierung und Automatisierung diskutiert wird.
 
 
Sie haben den Film im Jahr 2015 gedreht. Wir kennen inzwischen den Ausgang des Schweizer Referendums, das im Film noch offen ist: Es hat mit 78% Nein zum Grundeinkommen geendet. Hat Sie dieses Ergebnis enttäuscht?
 
CHRISTIAN TOD: Nein. Die Schweizer sind was Wirtschaftspolitik und neue Ideen betrifft, sehr konservativ. Die Schweiz hat aber einen Vorteil: die direkte Demokratie. Indem man ein Thema zur Volksabstimmung bringt, kann man es der gesamten Bevölkerung näher bringen. Jeder Schweizer hat vom Grundeinkommen gehört, aber zu glauben, dass die Schweizer in so kurzer Zeit dafür stimmen, wäre naiv. Immerhin haben 23% für das Grundeinkommen gestimmt, das ist ein beachtlicher Erfolg. Die Schweiz wird bei diesem Thema keine Vorreiterrolle einnehmen, erfahrungsgemäß braucht es meist zwei bis drei Volksabstimmungen, bis ein Thema mehrheitsfähig ist.
 
 
Wie haben Sie zwischen dem Archivmaterial und aktuellem Interviewmaterial im Schnittprozess dramaturgisch ein Gleichgewicht erzielt.
 
CHRISTIAN TOD: Ich hatte ein sehr detailliertes Buch, das ich bis auf kleine Änderungen auch umsetzen konnte. Ich wollte auf alle Fälle nicht zu viele sprechende Menschen. Bei den Interviews haben wir uns einer Technik bedient, die auch Errol Morris benutzt: das Interrotron. Die Interviewpartner schauen in die Kamera und adressieren damit direkt das Publikum. Gleichzeitig ermöglicht, ein vor die Linse gebautes halbdurchlässiges Spiegelsystem, Blickkontakt zwischen mir und meinen Gesprächspartnern.
Was im fertigen Film vielleicht nicht ganz so deutlich rauskommt, sind Elemente wie Landschaft, die Erde, Ressourcen, die mir als sehr wesentlich erschienen. Ich hätte es mir etwas bombastischer vorgestellt, es hätte aber die Erzählung darunter gelitten. Die Form sollte sich in ihrer Reduktion komplett dem Thema unterordnen. Mein vordergründiges Anliegen war es, eine kompakte Erzählung zu schaffen, sodass das Thema immer nachhaltiger in die Köpfe eindringt. Mit diesem Gefühl der Präsenz dieser Idee sollten die Zuschauer aus dem Kino gehen.
 
 
Dazu hat die Musik gewiss auch ihren Beitrag geleistet?
 
CHRISTIAN TOD: Der Song This Land Is Your Land stand von Anfang an als musikalisches Leitmotiv fest; vor allem mit den Strophen, die weniger bekannt sind und in denen es um Grenzen und um das Überwinden von Grenzen geht. Es gibt z.B. eine Strophe: „As I went walking I saw a sign there and on the sign it said "No Trespassing." But on the other side it didn't say nothing, that side was made for you and me.“
Mein Musikkonzept für diesen Film war, alles auf dieses Lied zu konzentrieren. Der Film ist mit Überschriften in Kapitel eingeteilt in deren Rahmen immer wieder das Lied zitiert wird. Am Ende wird es im Nachspann mit den kritischen, eher unbekannten Strophen ausgespielt. Die Frage wird sein, ob die Menschen so lange sitzen bleiben, um bis zum Ende der Musik lauschen.
 
 
Verrät die Einteilung nach der meiner Meinung nach sehr inspirierend betitelten Kapitel noch den Wissenschaftler in Ihnen, der das Thema nun von mehreren Seiten aufbereitet hat?
 
CHRISTIAN TOD: Ich bin ein großer Fan von Kapiteln. Das ist etwas, wozu mich Quentin Tarantino inspiriert hat. Ich liebe Pulp Fiction und seither neige ich in meinen Filmen zu Kapiteln, wenn es sich anbietet.
 
 
Free Lunch Society war im Herbst 2016 fertig gestellt. Hat die Perspektive, dass nun Donald Trump zum neuen US-Präsidenten gewählt wurde, die optimistischen Thesen des Films etwas gedämpft?
 
CHRISTIAN TOD: Gedämpft, nein. Wir leben in einer sehr interessanten Zeit, wo alles möglich geworden ist. Das macht mich sehr optimistisch. Dass jemand wie Donald Trump jetzt zum US-Präsidenten gewählt wurde, finde ich erschütternd, gleichzeitig zeigt es, dass das System veränderbar ist, und zwar in jedwede Richtung. Obama hat sich als guter Anwalt wie viele unserer europäischen Politiker in einer Realverfassung bewegt. Trump ist aus dieser Realverfassung komplett ausgebrochen. Ich glaube, dass Trump eine kurze Episode sein wird. Die Frage wird sein, was danach kommt. Das Positive, das ich dem abgewinnen kann, ist die Erkenntnis, dass Veränderung möglich ist. Jetzt haben wir ein Negativ-Beispiel, das nächste wird ein positives Beispiel sein. Wäre Bernie Sanders Präsident geworden, wäre das auch eine Revolution gewesen. Die Entscheidung ist auf Messers Schneide gestanden und das wird in Zukunft wohl immer so sein: Es wird immer in die eine oder die andere Richtung kippen können. Es wird jedenfalls extremer werden.
 
 
Interview: Karin Schiefer
Februar 2017
«In den USA der sechziger Jahre wurde das  Konzept Grundeinkommen  aus einer Position des Wollens und der Stärke und nicht aus einer Perspektive des Mangels, wie es bei uns so gerne gesehen wird, diskutiert.»