Karl-Martin Pold ist ein Kind der achtziger Jahre, dennoch ist Bud Spencer der Held seiner Kindheit und später Objekt seiner
Forschung geworden. In Sie nannten ihn Spencer versuchte er das Phänomen Bud Spencer die Persönlichkeit und den Kult um ihn in seinen unglaublichen
Facetten einzufangen. Exakt zum ersten Todestag Carlo Perdersolis feierte der Film seine Weltpremiere beim Filmfest München.
Wie kommt es, dass Bud Spencer, eine Filmfigur der siebziger Jahre, auch für jemanden Ihrer Generation zu einer Kultfigur
geworden ist? Worin liegt für Sie die Faszination , die ihn auch zu einem Thema eines Filmprojekts machte.
KARL-MARTIN POLD: Auch wenn die Bud Spencer/Terence Hill-Filme aus den siebziger Jahren stammen, so läuft praktisch immer noch täglich auf
irgendeinem deutschsprachigen Fernsehkanal einer dieser Filme. Dazu gibts sogar eine App. Es beweist, dass die Filme
auch heute noch funktionieren und zwar bei vier Generationen. Ich bin ein Kind der achtziger Jahre, habe nie einen Bud Spencer-Film
im Kino gesehen und bin dennoch damit aufgewachsen. Natürlich wollten wir die Schlägereien unter Freunden nachmachen. Und
dazu kam die sprachliche Ebene mit den unter Fans kultigen Sprüchen in diesem Schnodderdeutsch. Unter Fans kann man sich in
Filmzitaten unterhalten und erkennt auch gleich, ob jemand zur Bud Spencer-Familie gehört. Bud Spencer hat immer gegen die
Bösen gekämpft und ist eine Beschützer- , eine Vater- oder Großvaterfigur. Alle Filme senden am Ende die Botschaft aus, dass
trotz aller Probleme und Niederlagen im Leben der Humor die Oberhand behält. Zum Filmprojekt hat mich eine weltweit enorme
Fangemeinde ermutigt, die mich in vielerlei Hinsicht unterstützt hat. Ohne sie wäre der Film nie zustande gekommen. Das Projekt
ist von den Filmförderstellen mehrmals abgelehnt worden und ich stand unter Zeitdruck, wissend, dass einige der alten Haudegen,
die ich interviewen wollte, schon über achtzig waren. Mir blieb nichts anderes übrig als mit großer Anteilnahme der Fangemeinde
das mit eigener Kraft durchzuziehen. Ich musste diesen Traum, diese Vision verwirklichen. Dass es acht Jahre dauern würde,
hätte ich natürlich nicht gedacht.
Wenn man vor dem Thema Bud Spencer/Terence Hill steht, dann sind da einerseits die Filmfiguren bzw. Persönlichkeiten, auf
der anderen Seite die Fangemeinde, das Fan-Phänomen. Über welchen Aspekt haben Sie vorrangig das Konzept des Films entwickelt?
KARL-MARTIN POLD: Im Laufe der acht Jahre hat sich mein Konzept immer wieder verändert, weil immer wieder neue Aspekte aufgetaucht sind. Alle
kennen Bud Spencer, aber kaum jemand kennt das bürgerliche Leben von Carlo Pedersoli, der ein absolutes Multitalent war: er
war Abenteurer im südamerikanischen Dschungel, Erfinder, Pilot, als Schwimmer in der italienischen Olympiamannschaft, studierter
Jurist. Sein Ansatz war immer, wenn ihn etwas interessierte, es auch zu probieren. Vor acht Jahren lag noch keine Autobiografie
vor, die Quellen waren sehr dünn gesät. Die reichhaltigste Quelle waren die Fans, von denen ich im Zuge meiner Diplomarbeit
über Bud Spencer jede Menge kennengelernt habe. Ich machte einen Aufruf an die Fan-Community und lud alle, die eine ausgefallene
Geschichte oder eine Sammlung hatten, ein, sich zu melden und besuchte diese Menschen unter der Bedingung, dass sie mir einen
kostenlosen Schlafplatz zur Verfügung stellten. Ich war mehrere Monate in ganz Europa unterwegs und lernte im Laufe dieser
Reise auch meine beiden Protagonisten Jorgos in Berlin und Markus in Augsburg kennen.
Waren Sie auf der Suche nach einem Protagonisten-Paar, das physisch eine Analogie zu Bud Spencer und Terence Hill herstellen
lässt. Wie fiel Ihre Entscheidung auf die beiden?
KARL-MARTIN POLD: Die beiden haben eine so besondere Geschichte, Jorgos ist seit seiner Geburt blind und liebt die Filme, Markus hatte schwere
Halswirbelbrüche und hat dank dieser Filme wieder die Kraft gefunden, auf die Beine zu kommen, obwohl er schon für den Rollstuhl
verurteilt schien. Markus wollte aus einer tiefen Dankbarkeit Carlo Pedersoli aufsuchen. So etwas kann man nicht erfinden.
Hätte ich diese Geschichten ins Drehbuch geschrieben, hätte das jeder als unglaubwürdig abgetan. Nach der Begegnung mit ihnen
wusste ich, dass sie mein Duo waren, das ich auf eine Reise schicken würde. Die Entscheidung habe ich inhaltlich und emotional
getroffen, ihr Charme, ihr Charisma haben mich überzeugt und sie funktionierten wunderbar zusammen vor der Kamera. Dass sie
von ihrer Gestalt an Bud und Terence erinnern, ist uns erst im Schnitt aufgefallen und wird auch nun so vermarktet.
Der Film steht auf zwei Säulen: die Reise von Markus und Jorgos auf der Suche nach Bud Spencer und das Portrait Bud Spencers,
das durch die Interviews mit Menschen aus seinem Umfeld oder denen, die über ihn gearbeitet haben, entsteht. Könnte man auch
von einer dokumentarischen und eine fiktionalen Ebene sprechen?
KARL-MARTIN POLD: Ich wollte auf gar keinen Fall einen konventionellen Dokumentarfilm machen, vor allem mussten Charme und Humor der Bud Spencer-Filme
auch in meinen Film einfließen. Für den den Off-Text wollte ich unbedingt Thomas Danneberg, die deutsche Synchronstimme von
Terence Hill. Dann war es mir wichtig, Rainer Brandt zu treffen, der mit dem Schnodderdeutsch der deutschen Sprachfassung
den Spencer/Hill-Filmen eine ganz eigene Richtung gegeben hat. Die Filme sind auf Deutsch um einiges witziger als im Original
und haben auch viel mehr Text. In einer früheren Version war auch die Synchronstimme von Bud Spencer Teil meines Konzepts,
Wolfgang Hess ist leider 2016 verstorben. Dazu kamen die Ausschnitte von Filmsongs von Oliver Onions und auch unzählige Ausschnitte
aus den Filmen. Die vielen Facetten von Bud Spencers Leben habe ich über Interviews mit Menschen, die ihn gekannt haben, abgedeckt.
Ich habe mehrere Gespräche auch mit ihm persönlich geführt, fand es aber spannender, andere über ihn erzählen zu lassen; durch
die Irrfahrt von Jorgos und Markus auf der Suche nach Bud wird der Film zur emotionalen Reise, die man gemeinsam mit den Fans
erleben kann. Viele Begegnungen wie z.B. jene mit Guido de Angelis von Oliver Onions kamen sehr spontan zustande, das war
auch für mich dann eine neue Erfahrung, unmittelbar mitfilmen zu müssen. Es gibt nur ganz wenige Szenen, die man als inszeniert
bezeichnen könnte, um den narrativen Verlauf runder zu machen. Dinge wie der Rauswurf aus dem Berliner Hotel oder die Panne
auf der Autobahn sind in der Tat passiert.
Die Montage ist dann noch durch einen sehr intensiven Einsatz von Mini-Filmsequenzen aus Bud Spencer/Terence Hill-Filmen erweitert.
Kann man davon ausgehen, dass Sie bzw. der Monteur Thomas Vondrak die Filme nahezu auswendig kennen. Wie kann man sich diese
unglaublich aufwändige Arbeit vorstellen?
KARL MARTIN POLD: Ich habe für den Film nur Leute engagiert, die aus der Fan-Community kamen und sich in dieser Welt auskannten. Da genügen
drei Sätze und es herrscht gegenseitiges Verständnis. Ich hätte nicht die Zeit gehabt, jemanden von Außen lang und breit zu
erklären, was ich brauche. Thomas und ich, wir haben ein ganzes Jahr geschnitten. Selbst wenn man so wie wir alle Filme
auswendig kann, war es dennoch eine Riesenarbeit, die Ausschnitte perfekt auszuwählen. Dazu kam, dass wir über 100 Stunden
gedrehtes Material hatten. Aus dem vierstündigen Rohschnitt auf zwei Stunden runterzukommen, war sehr hart. Es wird aber noch
eine X-Large-Version für die Fans geben.
Der Film scheint ein Produkt zu sein, das abseits der klassischen Förderstrukturen dank der Fans für die Fans entstanden ist.
Wozu leidenschaftliche Fans bereit sind, um ihrem Idol zu begegnen. ist eines der Themen des Films und wird zugleich zur Metaebene.
Die Dynamik einer Fangemeinde scheint Thema und Motor dieses Films zugleich zu sein?
KARL-MARTIN POLD: Diese Filme leben ganz einfach und sind unsterblich. Die Meta-Ebene im Film ist auch stellvertretend für viele Fans, aber
auch für Menschen, die es nicht sind. Mein Film erzählt von Menschen, die einen Traum haben in diesem Fall, ein
Idol kennen lernen und dafür sich auf die Reise zu begeben und alle Hürden auf sich zu nehmen.
Bud Spencers Motto war immer auf napoletanisch Futtetenne (Scheiß drauf). Auch wenn das Leben ein Kampf ist, ist
es das Wichtigste, an sich selbst zu glauben und nicht aufzugeben. Man muss das Leben mit Humor nehmen. Das ist ja auch der
Tenor der Spencer/Hill-Filme, den die Filmkritiker in den siebziger Jahren nicht verstanden haben oder nicht verstehen
wollten. Die Filme wurden von der Kritik als plumper Klamauk abgetan. Für die Menschen, die diese Filme liebten, stand da
mehr dahinter das Leben mit einem Lächeln zu nehmen. Diese Botschaft möchte ich in meinem Film, der auch ein sehr persönlicher
Film ist, weitertragen.
Ein Film, den sie trotz der breiten Unterstützung als Einzelkämpfer tragen mussten.
KARL-MARTIN POLD: Die ersten sechs Jahre habe ich mithilfe der Fans auf die Beine gestellt. Dann hatte ich aber doch die epo-film in Wien und
Departures Film in Leipzig an meiner Seite, die mir halfen, diesen Film auch auf die große Leinwand zu bringen. Vor
allem hat sich ja die Rechteklärung bei der Filmmusik und den Ausschnitten als sehr problematisch erwiesen. Die große Schwierigkeit
war die Rechteinhaber zu finden, viele Firmen existierten ja gar nicht mehr. Da dann herauszufinden, wo die Rechte überhaupt
lagen, war ein enormer Aufwand.
Filme mit Bud Spencer und Terence Hill stehen auch für eine außerordentlich männlich betonte Welt. Ist diese große Fangemeinde
in erster Linie männlich? Wie sehen Sie das in diesen Filmen transportierte Männer- und Frauenbild mit den Augen eines Kinozuschauers
2017?
KARL-MARTIN POLD: Das ist eine gute Frage, der ich in meinen Umfragen auch nachgegangen bin. Mehr als 80% der Fangemeinde besteht aus Männern,
das Durchschnittsalter liegt bei 30 Jahren. Frauen sind in diesen Filmen in der Tat nur eine Randerscheinung. Political Correctness
ist heute sehr wichtig geworden, ich glaube, dass die Filme in Deutschland, wo sie besonders erfolgreich sind, eine Sehnsucht
nach laissez faire treffen, ein Bedürfnis danach, sich nichts antun zu müssen, so reden zu können, wie am Wirtshaustisch,
ohne lange nachdenken zu müssen.
Es ist heute der 27. Juni, exakt der erste Todestag von Carlo Pedersoli. Heute wird beim Filmfest München auch zum zweiten
Mal nach seiner Weltpremiere der Film gezeigt. Wie reagierte das Publikum bei der ersten Vorführung. Hat die heutige Vorführung
eine ganz besondere Bedeutung für Sie?
KARL-MARTIN POLD: Wir haben in den acht Jahren unserer Arbeit am Film immer damit rechnen müssen, dass es passieren könnte. Als mich dann die
Nachricht vom Tod Carlo Pedersolis heute vor einem Jahr ereilt hat, war ich unglaublich betroffen. Er war für mich zu einem
Familienmitglied geworden war, mit dem ich täglich zu tun hatte. Natürlich war es mein großer Wunsch, dass er die Premiere
des Films noch erleben würde, weil dieser Filme eine Hommage und ein großes Dankeschön an ihn von allen Fans sein sollte.
Es war vor einigen Tagen eine sehr emotionale Weltpremiere und ich gehe davon aus, dass es auch heute sehr emotional sein
wird.
Interview: Karin Schiefer
Juni 2017