«Stefan Knüpfer ist ein herausragender Künstler, fern des Rampenlichts. Gerade das macht ihn so interessant. Es gibt auch
wenige andere auf unserem Planeten, die auf ebenso hohem Niveau als Klaviertechniker wirken.» Robert Cibis über den Dokumentarfilm
Pianomania, den er gemeinsam mit Lilian Franck realisiert hat.
Pianomania erzählt einerseits von einem unsichtbaren wie hochpräzisen Handwerk hinter den Kulissen und gewährt im Zuge dessen auch kurze
Einblicke ins künstlerische Genie und seine Ansprüche. Wie kam es zu Ihrer Begegnung mit der Welt des Klaviers, sodass sich
daraus ein Thema für einen Film herauskristallisiert hat?
Robert Cibis: Kennen Sie die drei Dinge, die einen guten Dokumentarfilm ausmachen Casting, Casting und Casting. So
kam auch unser erster Impuls, den Film zu machen, als wir Stefan Knüpfer kennen lernten. Er war derjenige, der in uns die
Faszination für die Welt der Pianisten entfacht hat. Nicht nur seine humorvollen Anekdoten, über die wir von den besonderen
Charakteren der Genies erfuhren, haben uns begeistert, sondern auch seine eigene Hingabe an seinen Beruf, der viel mehr ist,
nämlich Berufung. Jetzt funktioniert der fertige Film ähnlich wie unsere ursprüngliche Motivation, ihn zu machen: Stefan Knüpfer
schafft als Identifikationsfigur die Verbindung zu den hoch gesteckten Klangvorstellungen der Starpianisten und vermittelt
mit viel Leichtigkeit, was es bedeutet, an einem Kunstwerk zu arbeiten.
Lag Ihr Fokus zunächst auf einem Portrait von Stefan Knüpfer, aus dessen Termin- und Arbeitsplan sich die thematischen Schwerpunkte
im Film ergeben würden.
Robert Cibis: Richtig. Wir wussten von Anfang an, dass wir ein Konzert oder eine Aufnahme als großen dramaturgischen Bogen
für den Film nutzen werden. Was das aber sein würde, konnten wir vorab nicht ahnen. Aus filmischer Sicht hatten wir Glück,
dass sich mit den Bach-Aufnahmen von Pierre-Laurent Aimard eine der größten beruflichen Herausforderungen von Stefan Knüpfer
anbahnte. Letztendlich war es auch nur möglich, dieses Event komplett einzufangen, weil sich der Hauptdreh von Pianomania
über zwei Jahre erstreckte. Wir brauchten auch Zeit, um das Vertrauen von Pierre Laurent-Aimard zu gewinnen, damit er uns
erlaubte, bei so einer heiklen Sache wie einer Platten-Aufnahme zu drehen.
Können Sie kurz beschreiben, was an ihm so faszinierend ist, ihn zum Protagonisten des Films zu machen? Gilt er im internationalen
Konzertgeschehen als eine besondere Vertrauensperson? D.h. kommt z.B. Pierre-Laurent Aimard nach Wien, um seine Aufnahmen
zu machen, weil er hier ideale Arbeitsbedingungen hat?
Robert Cibis: Stefan Knüpfer ist ein herausragender Künstler fern des Rampenlichts. Gerade das macht ihn so interessant. Es
gibt auch wenige andere auf unserem Planeten, die auf ebenso hohem Niveau als Klaviertechniker wirken. Die großen Pianisten
kennen sie alle und entscheiden dann, mit wem sie für ihre Aufnahmen arbeiten wollen. Pierre-Laurent Aimard hat der Plattenfirma
einige Umstände bereitet, indem er auf den Mozartsaal des Wiener Konzerthauses, sowie auf Stefan Knüpfer und seinen Flügel
bestanden hatte. Viel Geld hätte diese Firma gespart, wenn das Studio der Berliner Tonmeister hätte genutzt werden können.
Aber für eine Aufnahme braucht es viel mehr, als nur den Pianisten, damit sie wirklich für die Ewigkeit ist.
Die Begleitung der Bach-Aufnahmen mit Pierre-Laurent Aimard vermitteln eine Idee davon, wie lange und aufwändig sich die Vorbereitungen
für eine Aufnahme gestalten können und welch hohe Ansprüche (an der Grenze der Unerfüllbarkeit und angesichts des Endergebnisses
dennoch berechtigt) hier im Spiel sind. Wie haben Sie diesen Arbeitsprozess, der letztendlich den Kern des Filmes bildet,
erlebt?
Robert Cibis: Unser Team fühlte sich voll in den Aufnahmeprozess integriert. Wir hatten zeitweise das Gefühl, so wie die Tonmeister,
zum Team zu gehören. Aufnahmen machen ist schließlich auch unser Beruf. Durch die jahrelange Begleitung von Pierre-Laurent
Aimard und Stefan Knüpfer bei den Vordrehs und der Vorbereitung des Films, waren wir wirklich Teil des alltäglichen Umfelds
unserer Protagonisten geworden. (Der erste Trailer zum Projekt wurde 2002 fertig gestellt!) Kurz: Wir haben uns ungefähr so
gefühlt, wie die Menschen, die wir gefilmt haben.
Pierre-Laurent Aimard wird zum zweiten Protagonisten in Ihrem Film. Wie würden Sie ihn unter all den Spitzenpianisten, die
im Film zu sehen sind, als Künstlerpersönlichkeit charakterisieren?
Robert Cibis: Wir sind keine Musiker und wagen kaum über die Musik der weltbesten Pianisten zu urteilen. Wir haben allerdings
bei Pierre-Laurent Aimard sehr nah miterlebt, auf welch einzigartige Weise er die Klangwelt eines speziellen Stückes erarbeitet.
Er ist sehr analytisch und doch immer sinnlich. Das ist extrem beeindruckend, und es war ein Privileg, den Schaffensprozess
einer solchen Ausnahmeerscheinung mitzubekommen.
Wie offen waren die Künstler, sich von einer Kamera begleiten zu lassen?
Robert Cibis: Der Zugang zu den Orten der Handlung ist für einen beobachtenden Dokumentarfilm das Ein und Alles. Lang Lang,
Alfred Brendel und Pierre-Laurent Aimard waren nur zu überzeugen, sich an dem Film zu beteiligen, weil sie unseren Ansatz
mochten. Denn wir erklärten ihnen, dass unser Film ihre Zusammenarbeit mit dem Klaviertechniker zeige. Es ist für uns eine
große Ehre, die letzten Filmaufnahmen des konzertierenden Alfred Brendel eingefangen zu haben, welcher sich nur ganz selten
in seiner Karriere filmen ließ. Zudem war es auch ein großes Glück, dass wir bei den Bach-Aufnahmen dabei sein durften. Noch
nie hatte Pierre-Laurent Aimard so etwas erlaubt. In jedem Fall, auch bei Lang Lang, war es so, dass die Pianisten dankbar
sind, dass ihr Anliegen durch den Film in die Öffentlichkeit getragen wird. Sie müssen immer wieder ein neues Instrument nutzen.
Selbst bei großen Konzerthäusern ist es oft ein Kampf für die Künstler, die Zeit und die Mittel zu organisieren, dass der
Flügel so vorbereitet ist, wie sie es sich wünschen.
War es in Anbetracht Ihrer bisherigen Regie- und Kameraerfahrung eine besondere Herausforderung mit visuellen Mitteln der
Welt der Töne nahe zu kommen? Über welchen Zeitraum haben Sie gedreht?
Robert Cibis: Von den ersten Recherchedrehs an bis zum letzten Drehtag sind sechs Jahre vergangen. Im Mittelpunkt von Pianomania stehen die Menschen. Das Meiste im Film ist auf Augenhöhe seiner Protagonisten. Aber die Musik hat eine eigene
visuelle Umsetzung gefordert. Sie zu entwickeln, war tatsächlich ein langer Prozess. Wir hatten auch schon Erfahrungen. Mit
Supermerle, und Omen - 15 Stunden Tekkno hatte Lilian Franck, mit der ich für Pianomania gemeinsam Regie geführt habe, schon zwei dokumentarische Arbeiten zu Musikthemen
umgesetzt. Dabei schafft sie es auch, auf einer eigenen erzählerischen Ebene, die Musik mit Bildern zu unterstreichen und
auf eine besondere Art erlebbar zu machen. Bei Pianomania war uns ebenfalls wichtig, dem Zuschauer, nicht nur die Arbeit an der Musik zu vermitteln, sondern auch das Ergebnis. Die
Musikpassagen sollen eigenständig funktionieren, aber keinen Bruch im Film bedeuten. Das war eine große Herausforderung.
Wie haben Sie sich mit Jerzy Palacz die Kameraarbeit geteilt? Mit welchen Prämissen sind Sie in die Dreharbeit gegangen, die
vor allem sehr viel spontanes Reagieren gefordert hat.
Robert Cibis: Bei der Arbeit am Klavier brauchten unsere Helden vor der Kamera Ruhe und Konzentration. Auf gar keinen Fall
hätten Kameramann und Regisseur dort besprechen können, was gedreht wird. Der Kameramann musste Regisseur in der Situation
sein und wissen, wohin sich die Szene dramaturgisch entwickelt. Deswegen ist die Rolle des Kameramanns bei diesem Film sehr
groß. Einige Szenen sind von Jerzy Palacz gedreht, einige mit zwei Kameras. Bei heiklen Szenen wie den Bach-Aufnahmen musste
das Team so klein wie möglich sein. Dort waren nur die Tonfrau, Sabine Panossian, und ich als Regisseur und Kameramann, unterwegs.
Natürlich war uns besonders wichtig keine unnötigen Geräusche zu machen. Deshalb hatten wir extrem geräuscharme Kleidung an
und sind nur auf Strümpfen gelaufen. Unsere Tonmeister, welche die Musikaufnahmen für den Film durchführten, waren den gesamten
Film durch beim Dreh, aber nie für die Protagonisten sichtbar. Sie haben die Mikrofone aufgehängt und sich dann im
oftmals improvisierten Aufnahmestudio versteckt.
Es war Ihnen offensichtlich auch sehr wichtig, dass bei dieser hochkonzentrierten und seriösen Arbeit immer eine Note von
Humor mitschwingt.
Robert Cibis: Der Humor ist eine große Stärke von Stefan Knüpfer. Mit kaum einem Menschen haben wir soviel gelacht wie mit
ihm. Es tut uns und ihm gut, wenn er seinen beruflichen Wahnsinn erkennt und Witze darüber macht. Vor allem profitieren von
diesem Humor auch die Musiker, welche immer unter großem Druck stehen, und so ihre Spannung raus lassen können.
Pianomania wurde bei der Diagonale für seinen Schnitt ausgezeichnet. Wieviele Stunden Material standen zu Beginn des Schnittprozesses
zur Verfügung. Wie sah dabei Ihre Zusammenarbeit mit Michelle Barbin aus?
Robert Cibis: Da der Film beobachtend gedreht wurde, hatten wir sehr viel Material zu sichten, circa 270 Stunden. Denn bei
einer wichtigen Szene wie zum Beispiel bei einer Klavierabnahme oder bei den Bach-Aufnahmen war es schwer vorauszusehen, wann
die entscheidenden Sätze kommen würden. Auch die humorvollen Bemerkungen von Stefan Knüpfer kamen ungeplant. Die Konzerte
wurden komplett und mit mehreren Kameras aufgezeichnet.
Wir hatten das Glück in Michelle Barbin eine sehr selbstständige Cutterin gefunden zu haben, die ganz alleine Vorschnitte
aus dem Rohmaterial erstellt hat. Sie hat jeweils den halben Tag allein gearbeitet und den anderen halben Tag gemeinsam mit
Lilian Franck. Ich habe mir mit den beiden regelmäßig Schnittversionen angesehen und diskutiert, da ich beim Dreh immer dabei
gewesen war, und einen guten Überblick über das Material hatte. Wir drei haben uns als Schnitt-Team gut ergänzt, denn jeder
von uns hatte einen anderen Blick auf das Material. Je weiter wir im Prozess waren, desto mehr haben sich unsere Meinungen
aneinander angenähert. In den letzten Wochen haben uns dann Kinosichtungen mit Testpublikum geholfen, die Schnittfassungen
zu verbessern. Michelle Barbin hat sich auch dramaturgisch stark einbringen können und hatte das richtige Gespür für den Rhythmus
und die Bilder im Zusammenspiel mit der Musik. Sie hat den Schnittpreis absolut verdient!.
Interview: Karin Schiefer
Juli 2009