Thomas Glavinic Roman Der Kameramörder ist schon für Leser keine leichte Kost. Den lapidaren Bericht von menschlichen wie medialen Abgründen fürs Kino zu adaptieren,
ein umso heiklerer Happen. Regisseur Robert A. Pejo ortet in den Exzessen der Medien ein Symptom weitverbreitet gelebter
Beziehungslosigkeit und hat sich darauf konzentriert, die Beziehungen zwischen seinen vier Protagonisten unter die Lupe zu
nehmen. Der Kameramörder ist seit Anfang Juni abgedreht und soll im kommenden Winter auf der Leinwand zu sehen sein.
Thomas Glavinic Roman Der Kameramörder fürs Kino zu adaptieren, bedeutet zwei harte Nüsse zu knacken: zum einen seinen Inhalt, zum anderen seine Form. Denn abgründig
düster ist die Untat, die sein Ich-Erzähler so emotionslos wie detailversessen auf 150 Seiten ohne Absatz der Polizei schriftlich
zu Protokoll gibt und mit einem lapidaren Ich leugne nicht beendet.
Regisseur Robert A. Pejo hatte anfangs seine Bedenken, als ihm Andreas Hruza das Buch vorschlug, denn, so
der Filmemacher, zunächst hat mich der Stoff abgeschreckt, weil er so gewalttätig ist, aber in der Folge ist mir bewusst
geworden, dass mir der Roman nicht mehr aus dem Kopf ging. Ich hab ihn analysiert und für mich zwei Grundkomponenten
herausgefunden - Manipulation und Dysfunktion. Das Hauptthema liegt meiner Meinung nach in der Frage, wie die Beziehungen
der Menschen zueinander nicht funktionieren. Die Herausforderung der filmischen Umsetzung lag für mich darin, eine Form zu
finden, an den Kern der Geschichte vorzudringen.
In einem Punkt waren sich die Produzenten Erich Lackner und Andreas Hruza wie auch der Regisseur von Beginn an einig - der
Ort der Handlung sollte von der steirischen Waldlandschaft an eine Uferlandschaft am See wandern. Die Grenze zwischen Land
und Wasser, Transparenz und Nähe zur Natur schienen den geeigneteren Rahmen für die Grenzerfahrung des Kameramordes zu schaffen.
Da mit Robert Pejo als österreichischem Regisseur mit ungarischen Wurzeln auch schon eine Koproduktions-Partnerschaft mit
dem östlichen Nachbarland nahelag, bot sich das ungarische Ufer des Neusiedlersees noch dazu als Grenzraum zwischen zwei Ländern
und zwei Sprachen geradezu an. Acht Wochen vor Drehbeginn stellte sich allerdings heraus, dass der rechtliche Rahmen des Drehs
auf nicht allzu festem Grund stand und es galt, unter einigem Zeitdruck nach neuen, solideren Ufern aufzubrechen. Fündig wurde
man unweit von Budapest, wo Ausstatter Csaba Stork am schilfgesäumten Ufer des Velenice-Sees einen schicken Kubus aus dunklem
Stein und viel Glas ins seichte Wasser setzte, der Innen- und Außenräume nahtlos miteinander verband und einen wohlgestalteten
Lebenstil wie frisch aus dem Design-Magazin reflektiert. Hausherr ist Thomas, der seine Jugendfreunde Heinrich und Eva auf
ein Wochenende am See eingeladen hat, um sein scheinbar so gelungenes Dasein und vor allem seine junge Liebe Sonja zu präsentieren.
Regisseur Robert Pejo fokussiert seine Erzählung auf ein Kammerspiel im durchsichtigen Raum, das langsam die Fassaden
seiner vier Figuren demontiert. Der Film handelt, so Pejo, im Großen und Ganzen von einer Vertreibung aus
dem Paradies. Zwei Menschen bauen sich ein Paradies auf, bekommen Besuch und im Zuge der Ereignisse bricht ein ganzes Fass
an Problemen, Geheimnissen und Verdächtigungen auf. Merab Ninidze und Dorka Gryllus als Thomas und Sonja, Andreas
Lust und Ursina Lardi als Heinrich und Eva verkörpern die beiden Paare, die am Rande ihres gemeinsamen Wochenendes ein
in ihrer unmittelbaren Nähe an drei Kindern begangenes Verbrechen über die Medien verfolgen, ehe sie ahnen, dass das Ereignis
Kreise um das Haus am See zu ziehen beginnt. Thomas Glavinic Roman transportiert in diesem Zusammenhang eine heftige
Medienkritik, die sich rund um den Zeitpunkt seines Entstehens vielmehr aufs Fernsehen und seine Reality-Shows bezog. Heute,
so Pejo spielt sich das im Wesentlichen im Internet ab und wir haben natürlich versucht, im Film auf diese Veränderungen
einzugehen. Ich glaube aber, dass die Form der Medien zwar wechseln mag, dass sie im Grunde immer nur ein Symptom der aktuellen
Beziehungslosigkeit sind. Ich habe mich nicht unbedingt bemüht, die Radikalität des Buches wiederzugeben, weil ich nicht
glaube, dass man sie in der heutigen Zeit filmisch wiedergeben kann. Das unbequeme Thema hatte auch den Produzenten
die Aufgabe nicht leicht gemacht, entsprechende Mittel bereitzustellen, die Finanzierung kam schließlich als innerösterreichische
Koproduktion zwischen Andreas Hruza, der zunächst die Rechte erworben und den Stoff zu entwickeln begann, ehe er mit der Lotus-Film
eine Kooperation einging, sowie mit Partnern aus Ungarn und der Schweiz zustande. Auch wenn das Buch sehr radikal
zu lesen ist, so Andreas Hruza, übt es eine Faszination aus, immerhin steht es bei der 6. Auflage, weil es offensichtlich
an grundsätzlichen menschlichen Fragen rührt. Aus der österreichischen Literaturszene kommt sehr viel Fruchtbares, es wäre
sehr schade, wenn sich der Film nicht damit auseinandersetzen würde. Seit Anfang Juni ist Der Kameramörder abgedreht, das temporäre Haus am See ist wieder dem Schilf des Naturschutzgebietes am Velenice-See gewichen, im frühen Winter
soll der Film zum Kino- und Festivalstart bereit stehen.
Interviews mit den Produzenten Erich Lackner und Andreas Hruza sowie mit dem Regisseur Robert A. Pejo finden Sie ebenfalls auf dieser Website.
Karin Schiefer
Juli 2009