Zwei ungleiche Schwestern eine verkörpert Perfektion, totale Leistungs- und Optimierungsbereitschaft, die andere leidet
an einer psychischen Krankheit, am Kontrollverlust, an der eigenen Schwäche. Lola tut alles, um ihre Schwester zu verleugnen,
Conny alles, um die Zuwendung ihrer Schwester zu erzwingen. Marie Kreutzers Der Boden unter den Füßen folgt zwei auf den ersten Blick konträren Frauen in ihrem Ringen, zwischen Familienbanden und einer gnadenlosen Berufswelt
sich selbst zu retten.
In DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN lassen Sie zwei Welten aufeinander prallen, die eine ist eine Welt der High Performance, der
Perfektion, der Rationalisierung und Kontrolle, die andere eine Welt der Schwäche, des Kontrollverlusts, des Nicht-Performens.
Ist dieser Zusammenprall widersprüchlicher Kräfte und Ansprüche im Kontext unserer Gegenwart ein Auslöser für diese Erzählung
geworden?
MARIE KREUTZER: Ich weiß oft nicht mehr, welcher erste Gedanke mich in ein Projekt geführt hat. Beide Bereiche haben mich schon seit längerem
interessiert. Ich habe schon vor einigen Jahren einen kurzen Dokumentarfilm über eine Unternehmensberaterin gemacht, weil
mich diese Berufswelt fasziniert hat. Von dieser Erfahrung her wusste ich, dass man dieses Milieu nicht bei der Arbeit beobachten
und filmen kann, weil ihr Tun ja streng vertraulich abläuft. Das Interesse für die Psychiatrie besteht schon seit meiner Kindheit,
da ich eine Tante hatte, die psychisch krank war. Ich mich erinnere an Besuche bei ihr in der Psychiatrie, als ich noch ein
Kind war und schon früh hat sich diese Mischung aus Faszination und Grauen, wie sie wahrscheinlich viele Menschen zu dieser
Institution haben, in mir entwickelt. Irgendwann hat sich auch aus den beiden eine Geschichte herauskristallisiert. Ohne in
irgendeiner Weise autobiografisch zu sein, hat es dennoch sehr viel mit mir zu tun: nämlich, dass das Funktionieren-Wollen
und -Müssen, alles Schaffen-Wollen und -Müssen in meinem und wahrscheinlich im Leben vieler so viel Raum einnimmt. Interessanterweise
ist mir das eher in einer späten Schnittphase so richtig bewusst geworden.
Der Film beginnt mit einem Gedicht-Zitat, das sehr wahrscheinlich von Ihrer Tante stammt. Handelt es sich da um Texte, die
Sie besonders berührt haben?
MARIE KREUTZER: Ja, sie haben mich sehr berührt. Allerdings waren sie mir zur Zeit des Drehbuch-Schreibens völlig unbekannt. Meine Tante
ist gestorben, als ich mit dem Buch schon sehr weit war und ich habe dann in ihrer Wohnung Tagebücher und literarischen Texte
Prosa und Gedichte gefunden. Ich hatte keine Ahnung, dass sie so viel geschrieben hatte. Ich habe
hier im Film nur einen kleinen Text ausgewählt, von dem ich glaube, dass er Connys Zustand sehr gut beschreibt.
Auch wenn es diesen kurzen Dokumentarfilm bereits gab und Sie viele Erinnerungen an Besuche in der Psychiatrie hatten, nehme
ich an, dass die Stoffentwicklung mit einer eingehenden Recherche und Beobachtung dieser beiden Welten verbunden war. Wie
haben Sie ihr Funktionieren und ihre Sprachen erkundet? Haben Sie entgegengesetzte Pole oder auch Parallelen wahrgenommen?
MARIE KREUTZER: Die ausführliche Recherche war auch ein Grund, warum sich die Arbeit am Drehbuch über mehrere Jahre erstreckt hat, natürlich
nicht kontinuierlich, aber dieses Buch konnte man nicht schnell schreiben. Es ist bis zum Schluss und sogar in die Dreharbeiten
hinein immer wieder von Psychiaterinnen und Psychiatern, Unternehmensberaterinnen und -beratern gelesen worden. Auch im Schnitt
hab ich es nochmals gegenchecken lassen und es ergab sich sogar vor der Tonbearbeitung eine Änderung, weil sich in der Psychiatrie
das Wording und auch gewisse Instrumente laufend geändert haben. Als ich zu schreiben begonnen habe, gab es das Netzbett noch
und ich habe auch eine Szene damit geschrieben. Kurz vor Drehbeginn hat mich eine Psychiaterin darauf aufmerksam gemacht,
dass ein Jahr zuvor das Netzbett in Österreich als letztem Land in Europa! abgeschafft worden war.
Die Sprache ist in beiden Welten sehr spezialisiert. Hatten Sie aus den genannten Vertraulichkeitsgründen da und dort überhaupt
die Möglichkeit, den Leuten auf den Mund zu schauen oder mussten Sie sich da auch auf die ExpertInnen verlassen?
MARIE KREUTZER: Ich musste mich in gewisser Weise auf sie verlassen. Es ist aber auch so, wenn man mit ehemaligen UnternehmensberaterInnen
spricht, dann kann man feststellen, wie sehr sie diese Sprache verinnerlicht haben. Die fließt ihnen aus dem Mund. Anwesend
durfte ich in der Tat bei keiner Mission sein, ich habe aber mit einer ehemaligen Unternehmensberaterin ein Szenario entworfen,
um welche Firma es sich handeln könnte, was dort zu tun ist, wer welche Funktion einnimmt.
Sind die Psychiatrie und die Unternehmensberatung in Ihrer Wahrnehmung zwei Pole geblieben oder haben sich auch Parallelen
aufgetan?
MARIE KREUTZER: Der Reiz lag zweifellos in der Polarisierung Chaos und Ordnung, Kontrolle und Kontrollverlust, aber natürlich
ergeben sich auch Parallelen. Schon bei den ersten Sichtungen bekam ich Rückmeldungen, dass beide Welten ähnlich absurd wirkten.
Ich fand es reizvoll, diese doppelte Sichtweise durchklingen zu lassen, ohne sie je zu strapazieren.
Ging es Ihnen auch darum, wie auf hohem Niveau bei Ausbildung und Gehalt, vor allem junge Arbeitskraft ausgebeutet wird, Privatsphäre,
Freundschaft, Solidarität praktisch unmöglich gemacht werden und der Mensch sich zur Gänze von sich selbst entfremdet. Etwas,
was man in der Regel eher mit der so genannten Arbeiterschaft assoziiert.
MARIE KREUTZER: Es ging mir um eine extreme, aber filmisch nicht überzeichnete Darstellung der Lebenswelt dieser jungen Frau. Aber darüber
hinaus natürlich darum, wie es uns allen in der Leistungsgesellschaft geht, wie sehr wir darauf programmiert werden, zu funktionieren.
Ihre Protagonistin Lola führt im ganzen Film (mit Ausnahme eines Gesprächs, das sie irrtümlicherweise für einen Moment des
Vertrauens hält) kein einziges privates Gespräch. Was bedeutet das beim Schreiben, eine Figur nur über ihre Beziehung in der
Arbeit und in Alltagserledigungen zu zeichnen?
MARIE KREUTZER: Es ist ein wichtiger Aspekt von Lolas Geschichte, dass sie kein Privatleben hat, es ist gleichzeitig ein Umstand, den sie
nicht unbedingt wahrnimmt. Ich habe ja nur mit BeraterInnen gesprochen, die nicht mehr in diesem Geschäft arbeiten, aber ich
habe den Eindruck gewonnen, dass die Tätigkeit in einer Unternehmensberatung manchmal beinahe etwas Sektenhaftes hat und die
Leute diese Art, ihren Beruf zu leben jahrelang nicht hinterfragen, sondern sogar verteidigen würden. Die ehemaligen BeraterInnen,
die mir ihr Wissen zur Verfügung gestellt haben, bestätigen alle, dass es ihnen unmöglich war, Freundschaften zu pflegen oder
längerfristig eine Beziehung zu führen. Die BeraterInnen, die ich im Film zeige, sind alle zwischen 20 und 30, sind sehr jung
und ambitioniert in diesen Beruf eingestiegen und fühlen sich anderen Menschen gegenüber, die aus ihrer Sicht weniger wichtige
Jobs haben, auch überlegen. Da haben Freunde und Familie noch nicht den Wert, den sie für mich z.B. jetzt haben. In den Teams,
in denen sie arbeiten, gibt es zwar keine Solidarität, sie bilden aber in der Zeit, wo sie an einem Projekt arbeiten, eine
Art Pseudo-Familie. Das ist wie beim Filmdreh, man verbringt so viel Zeit miteinander, ist einander sehr nahe und geht wieder
auseinander. Während dieser Zeit sind die Menschen rund um einen die Referenz, an der man sich orientiert.
Es gibt neben ihrer Protagonistin Lola zwei weitere weibliche Hauptfiguren Conny Lolas schizophrene
Schwester und Elise, Lolas Geliebte und Vorgesetzte. Beide könnten auch ein Alter Ego von Lola sein. Wie sind diese Figuren
gewachsen und war die Idee, dass die beiden anderen Figuren Projektionen von Lola sein könnten, immer präsent?
MARIE KREUTZER: Conny war von Beginn an für mich eine sehr klare Figur, weil sie von einem Vorbild in meiner Familie inspiriert ist. Ich will
hier trotzdem nicht zu viel über ihre Funktion im Film sprechen, weil es ein wichtiger Aspekt der Rezeption des Films ist,
sich Conny und ihre Handlungen zu erklären, sie zu interpretieren. Ich habe erst gezögert, ob ich die Vorgeschichte der Figur
der Elise erzählen soll, ich halte es aber für eine interessante Nebengeschichte über das Funktionieren unserer
Branche. Die Figur der Elise war ursprünglich ein Mann, für den ich einen sehr guten deutschen Schauspieler haben wollte.
Es gibt in der Altersgruppe 30-35 einige, die sehr gut und bekannt sind, die alle mit einer eher vagen Begründung abgesagt
haben. Sowohl Agentinnen als auch eine deutsche Produzentin haben mich dann darauf hingewiesen, dass diese Rolle für einen
Mann zu klein ist. Ein Mann in dieser Liga spielt nicht eine Rolle, die nicht die deklarierte Hauptrolle ist.
Vom Umfang her konnte man die Rolle des Rainer in DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN sehr gut mit meiner weiblichen Hauptrolle in
Gruber geht vergleichen. Damals hatte ich das Gefühl, dass ich mehrere ganz tolle und bekannte Schauspielerinnen für diese Rolle haben
konnte. In einem Anflug von Frustration habe ich diese Rolle auf eine Frau umgeschrieben und habe dabei eigentlich nur den
Namen geändert. Nach einem ersten Schreck haben das alle sehr gut gefunden und ich habe auch sofort an Mavie Hörbiger gedacht,
mit der ich schon lange einmal zusammenarbeiten wollte. Und wir waren letztlich alle sehr glücklich über diese Fügung. Die
Umstände sind dennoch befremdlich und vielsagend zugleich.
Als dann klar war, dass ich drei Protagonistinnen haben würde, habe ich mir die Ambivalenzen doch ein wenig zunutze gemacht
und die Konturen leicht aufgeweicht und mit möglichen Spiegelungen von Lola in Conny oder Elise gespielt.
Mit Valerie Pachner haben Sie eine der besonders interessanten jungen Schauspielerinnen in Österreich für die Rolle der Lola
gewählt. War sie wie Mavie Hörbiger eine Wunschkandidatin? Welche Überlegungen bestimmten die Besetzung der beiden anderen
Hauptrollen?
MARIE KREUTZER: Ich hatte zunächst an eine andere Schauspielerin gedacht, die wegen eines anderen, langen Projekts nicht konnte und ich die
Dreharbeiten sehr weit hätte verschieben müssen. Der erste Vorschlag von Rita Waszilovics, die bei mir immer das Casting macht,
war Valerie Pachner, zu der ich sofort ein sehr gutes Gefühl hatte, auch wenn sie ein ganz anderer Typus war. Ich wollte auch
keinen Ersatz finden, sondern den Film mir neu vorstellen. Ich habe für Lola aber immer nach einer Schauspielerin gesucht,
die per se eine Wärme und Emotionalität ausstrahlt, sozusagen entgegen dem Bild, das man von der Figur Lola gewinnt. Valerie
hat viel mehr Boden als Lola, das hat mich an ihr als Besetzung gereizt. Und es war großartig, mit ihr zu drehen.
Man hat nicht das Gefühl, dass sie arbeitet, wenn man ihr zusieht, es hat alles eine Leichtigkeit.
Gleich zu Beginn sehen wir Lola, die aus dem Schlaf hochfährt (eine Szene, die sich später nochmals wiederholt)
ein unentspannter, vielleicht erschöpfungsbedingter Schlaf oder vielleicht auch ein Hinweis auf die Wahrnehmungsgrenzen, wo
die Geschichte zu verorten ist in der Phantasie, im Traum oder in der Wirklichkeit? Ging es Ihnen ums Aufweichen
der Wahrnehmungsgrenzen? Vor welche filmischen Herausforderungen hat Sie die Darstellung dieser psychischen Krankheit gestellt?
MARIE KREUTZER: Eine für mich sehr inspirierende und berührende Szene ist in Requiem von Hans Christian Schmid, wo Sandra Hüller, die an einer psychischen Krankheit leidet und einen Zusammenbruch hat, offensichtlich
halluziniert und sich am Boden eines Speisesaals zusammenkrümmt. Es hat mich so fasziniert, dass ich so etwas auf der Leinwand
sehe, ohne dass mir visuell nahe gebracht wird, was in dieser Person gerade vorgeht. Von Anfang an war mir sehr wichtig, den
Film als Drama und nicht als Thriller zu erzählen, auch wenn es gruselige, thrillerartige Elemente gibt. Es gab mit allen
Departments viele Diskussionen, weil es natürlich verführerisch war, Lolas Gedanken und Erlebnisse formal zu unterstützen.
Ich wollte alles gleichwertig und so geradlinig wie möglich erzählen. Das war meine Basis und meine Referenz, mit der ich
mich selbst immer wieder dieser Verführung entzogen habe. Für die Zuschauer sollte alles real erscheinen.
Mit Ausnahme der Szenen, wo Lola läuft, gibt es keine Szenen, in denen sich Lola über weitere Strecken und längere Zeit im
Freien bewegt. Vielleicht ein Hinweis auf ihre Isolation im doppelten Sinne? Ein Akzent im Umgang mit dem Thema Raum lag gewiss
auf den Innenräumen. Dennoch galt es auch, die treffende Außenkulisse zu finden. Wie fiel die Wahl auf Rostock?
MARIE KREUTZER: Die größte grundsätzliche Frage war: In welcher mittelgroßen deutschen Stadt wird Lola arbeiten? Ehemaliger Berater erzählen
davon, dass man nicht gerade an einen coolen Ort entsendet wird, sondern irgendwo landet. Während einer
Berlinale habe ich mir einige Städte im ehemaligen Osten angeschaut und bin u.a. nach Rostock gelangt. Diese Stadt hat mich
so fasziniert, weil man sie nicht einordnen kann. Sie liegt am Meer und es fliegen die Möwen herum, es hat aber auch etwas
von einer Satellitenstadt und ist dann in der Altstadt wieder so pittoresk. Es war mir fremd und deshalb war es auch interessant.
Ein großer Teil des Films spielt ja dort, wir konnten aber nicht alles dort drehen. Das bedeutete ein langwieriges Suchen
und auch Kämpfen um Innenmotive, die das erfüllten, was ich dort so eigen fand. Letztlich hatte ich auch da Glück. Das Wiener
Hotel, das für das Hotel in Rostock stehen sollte, fiel aus und wir fanden hier keinen Ersatz, wo Innen und Außen zusammengepasst
hätten. Letztendlich haben wir dann doch in Rostock gedreht. Ein großer Luxus. Wir haben den Blick aus dem Fenster viel verwendet.
Zufällig gab es auch noch einen großen Weihnachtskirmes, der uns zuerst eher irritiert hat, bis mir bewusst wurde, dass wir
dadurch noch eine eigenwillige visuelle Ebene einziehen konnten. Letztlich haben wir sehr viel an Originalschauplätzen gedreht.
Spiegelungen, Verdopplungen, Reflektionen spielen in dieser Erzählung über Schizophrenie eine wichtige Rolle. Was waren die
entscheidenden Punkte in der Zusammenarbeit mit Ihrer langjährigen Kamerafrau Leena Koppe?
MARIE KREUTZER: Das Allerwichtigste war, dass wir dieses Mal von Beginn an unseren Wunsch, auf 35 mm Filmmaterial zu drehen, durchsetzen
konnten. Ich habe alle meine Arbeiten auf der Filmakademie und auch noch Die Vaterlosen auf Film gedreht, dann wurde es aber immer schwerer. Meine letzten beiden Filme waren eigentlich meine ersten digitalen Arbeiten.
Ich finde Film aber schlicht und einfach schöner. Es lebt viel mehr. Wenn man in der Farbkorrketur analoge und digitale Sequenzen
miteinander vergleicht, wird klar, dass man am digitalen noch so lange herumschrauben kann und dennoch nie erreichen kann,
was das Filmmaterial auf natürliche Weise hergibt. Ein weiterer wichtiger Punkt war das Licht. Ich wollte diesmal ein sehr
natürliches, neutrales, ungestaltetes Licht. Ein Winterdreh hat natürlich immer viele Nachteile, umgekehrt habe
ich sehr zu schätzen gelernt, dass das Winterlicht viel sanfter ist als das harte Sommerlicht. Die Bildgestaltung besprechen
Leena und ich gar nicht mehr im Detail, da haben wir schon unsere Erzählweise. Das geht so weit, dass wir gar keine Auflösung
mehr im Vorfeld machen, sondern am Set sehr intuitiv vorgehen. Es fällt mir von Film zu Film schwerer, vor dem Dreh die Auflösung
festzulegen, weil ich sie dem Tun und Bewegen der Schauspieler anpasse. Die wichtigen, inhaltlichen Proben finden schon vor
dem Dreh statt, bei der Stellprobe am Set geht es dann vielmehr um die Positionen und da sage ich den Schauspielern oft, dass
sie während der Stellproben nicht oder irgendetwas anderes als den Text sprechen sollen. Ich will nicht, dass sie zu viel
spielen, bevor die Kamera läuft. Es ist schade drum. Ich mag es, wenn es frisch aus ihnen rauskommt und nicht schon 14 Mal
gesagt ist.
In Ihrem letzten Film Was hat uns bloß so ruiniert? geht es um das Zerbröckeln und Aufweichen der Ideale der Jugend, in DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN um eine junge Frau, die in
ihrem Job, in einer Welt etwas erreichen will, wo kein Platz für ihre persönliche Geschichte/ Schwäche ist. Sie erzählen
von einer Generation, die grob gesagt in den 80er Jahren in einem großen Komfort geboren wurde und aus dem Vollen schöpfen
konnte. Ist es Ihnen in Ihrem Filmemachen ein besonderes Anliegen, die wenig sichtbaren Bruchlinien im Leben dieser Generation
zu orten, vielleicht gerade weil sie als weniger legitim gelten?
MARIE KREUTZER: Ja, dem würde ich zustimmen. Nach Was hat uns bloß so ruiniert wurde ich immer wieder mit der Frage konfrontiert Was sind denn das für Probleme? Nur weil man objektiv
gesehen keine hat oder haben darf, entstehen manchmal erst recht welche. Genau die Frage interessiert mich sehr: Was
kann hinter einem glücklichen oder erfolgreichen Leben schmerzhaft sein? Gerade weil Kontrolle und Leistung in unserer
Gesellschaft so wichtig sind, kann die Angst, etwas davon zu verlieren, auch extrem viel mit uns machen. Darum geht es immer
wieder in den Geschichten, die ich schreibe.
Interview: Karin Schiefer
Dezember 2018