... das hat mich auch an ihm interessiert. Marie Kreutzer über ihren zweiten abendfüllenden Spielfilm GRUBER GEHT nach dem gleichnamigen Debütroman von Doris Knecht.
Sie haben in Ihrem ersten Spielfilm, Die Vaterlosen, ein eigenes Drehbuch verfilmt, für Ihren zweiten einen Roman, GRUBER
GEHT, adaptiert. Wie hat sich die Drehbucharbeit anders gestaltet im Vergleich zum ersten Film?
Marie Kreutzer: Ich habe die Drehbucharbeit nun nicht so grundlegend anders erlebt. Ein Unterschied liegt darin, dass man
die Figur nicht neu erfinden muss. Das hat schon jemand für einen erledigt. Sobald man drinnen ist, verläuft der Prozess ganz
ähnlich. Doris Knecht hat mich sehr unterstützt, sich aber nicht in meine Arbeit eingemischt. Ich hatte den Eindruck, dass
ich mit dem Stoff umgehen kann, wie ich es gerne möchte. Ich habe den Roman immer wieder als Inspirationsquelle und Stütze
benutzt, ich hatte nie das Gefühl, etwas erfüllen zu müssen.
Hat sich der Roman von der Handlung, von seiner Sprache her schon zur filmischen Adaptierung angeboten?
Marie Kreutzer: Ich hatte beim Lesen des Romans schon den Eindruck, dass er sehr visuell geschrieben war und konnte ihn mir
als Film gut vorstellen. Als ich den Roman las, wusste ich noch nicht, dass ich ihn verfilmen würde. Es gab auch Leute, die
meinten, der Film ließe sich nicht verfilmen, weil er größtenteils aus inneren Monologen bestehe. Ich fand, es gibt genug
Szenisches, genug Momente, die man wunderbar filmisch erzählen kann. Die Sprache der inneren Monologe versuchte ich in den
Dialogen einzubringen, Grubers Schmäh ließ sich gut in Dialoge einbauen bzw. in seiner Betrachtung der Welt auch filmisch
verarbeiten.
Haben Sie sich dann infolge der Lektüre um die Rechte bemüht?
Marie Kreutzer: Kurioserweise wurde ich wenige Tage, nachdem ich das Buch gelesen hatte, von der Allegro Film angerufen, die
bereits die Rechte hatte und gerade überlegte, wer den Stoff umsetzen könnte. Es war alles ein sehr schöner Zufall.
In Die Vaterlosen gehen Sie zurück in die Lebens- und Beziehungsmodelle der siebziger Jahre. GRUBER GEHT spielt in der unmittelbaren Gegenwart.
Wie würden Sie den Wandel in diesen 30/40 Jahren erfassen und beschreiben. Was hat sich geändert?
Marie Kreutzer: Gruber ist eine extreme Figur, das hat mich auch an ihm interessiert. Er steht für eine Pseudo-Coolness, die
vermittelt, dass man Bindungen in keiner Form mehr braucht. Er belächelt die Kleinfamilie und hätte auch der Kommune gegenüber
keine andere Haltung. Seine Schwester hat eine Kleinfamilie und er lässt sich immer wieder darüber aus. Er will unabhängig,
bindungsfrei und egozentrisch einfach gut für sich allein leben. Ich glaube, da steht er sehr für unsere Zeit. Ich denke das
rührt auch aus einer Desillusionierung von Ideologien und Beziehungskonzepten her.
Gruber ist nicht nur egozentrisch, auch der Roman konzentriert sich sehr auf seine Figur. Wie würden Sie Ihre Hauptfigur beschreiben?
Marie Kreutzer: In vielen Filmen und vor allem in den sehr populären amerikanischen Serien der letzten Jahre gibt es viele
Hauptfiguren, die weder klassische Filmhelden noch klassische Sympathieträger sind. Gruber ist auf den ersten Blick weder
als Mensch noch von seinem Lebensstil her ein sympathischer Mensch. Man kann ihn ein bisschen beneiden, gleichzeitig mag man
ihn aber nicht so ganz. Er hat alles, lebt schnell und unabhängig, gleichzeitig ist er in Vielem sehr überheblich.
Hat er etwas von Don Draper?
Marie Kreutzer: Ja, so ein bisschen, nur ist er nicht so verlogen wie Don Draper. Eine Seite, die ich an Gruber von Beginn
an so mochte, war, dass er nie lügt. Er ist sehr offen, das ist für seine Umwelt sehr verletzend. Ich sah seine Direktheit
und Ehrlichkeit als einen sehr wesentlichen Zug an ihm. Er hat auch Schmäh und Charme und setzt das meist zum eigenen Nutzen
ein. Ich finde, das macht ihn aber auch als Figur spannend. Das stellte uns in der Drehbucharbeit und in der Besetzung zum
einen vor die Frage, wie kann man es wohl schaffen, dass man ihn mag? Mögen allein ist dabei gar nicht so sehr der zentrale
Punkt, man muss sich für ihn interessieren und ihm letztlich auch nahekommen. Ein wesentlicher Punkt in der Umsetzung war
es, Momente zu finden, wo man ihm wirklich nahe kommt.
War es daher eine schwierige Aufgabe, den passenden Darsteller zu finden?
Marie Kreutzer: Es gab anfangs, als das Projekt als Koproduktion geplant war, eine deutsche Wahl. Als dann feststand,
dass es eine rein österreichische Produktion wird, wurde auch in Österreich gecastet. Es hat sich in allen Arbeitsphasen gezeigt,
dass wir eine recht persönliche und dadurch recht emotionale Sicht davon haben, wie der sein muss. Wir haben intensiv überlegt,
aber nicht lange gesucht. Manuel Rubey schien uns zunächst als eine (zu) offensichtliche Wahl, wir haben ihn dann doch eingeladen
und nach den ersten Casting-Terminen war für mich sehr schnell klar, dass er Gruber sein kann.
Was war da ausschlaggebend?
Marie Kreutzer: Optisch und von seiner Ausstrahlung her kam er der Figur des Gruber sehr nahe. Was mich beim Casting beeindruckt
hat, war sein großes Vertrauen in die Kamera, in meine Aufmerksamkeit und meinen Blick. Er ist ein wirklicher Filmschauspieler.
Er macht nicht zuviel. Er vertraut darauf, dass man sieht, was er tut, ohne dass es groß ist.
Komik und Tragik liegen in diesem Stoff ganz knapp nebeneinander. Das war gewiss auch eine der großen Herausforderungen an
dem Stoff. Wie haben Sie diese Gratwanderung in der Inszenierung angelegt?
Marie Kreutzer: Da ist sehr viel in der Drehbucharbeit passiert. Drehbuch-Schreiben ist für mich eher der Kopf-Teil
der Arbeit und die Regie ist dann eher der Bauch-Teil. Beim Drehen überlege ich nicht mehr so viel. Es ergeben
sich Dinge durch die Dialoge und auch die Anordnung der Szenen. Bei mir wird nicht viel improvisiert. Ich halte es für sinnvoll,
den mit Mühe und Sorgfalt geschriebenen Dialog auch zu drehen. Ich habe aber beim Drehen oft noch die Kamera laufen lassen
und dann sind nach der offiziellen Szene Dinge passiert, die teils sehr berührend, teils sehr lustig waren. Das geht natürlich
nur, wenn man den Ton der Figuren und des Films schon so gut kennt wie meine Hauptdarsteller, die nie aus der Figur ausstiegen
nur weil die Szene vorbei war. Im Schnitt wird sich jetzt herausstellen, wieviel man davon verwenden kann und wird. Ich hab
schon bei Die Vaterlosen gemerkt, dass ich es am spannendsten finde, in einer Geschichte, die per se nicht lustig ist, die lustigen und leichten Momente
zu finden. In GRUBER GEHT war das noch klarer und manchmal muss man gegen die Szene gehen. Ich hab z.B. versucht,
alle Krankenhaus-Szenen, wo Gruber Chemotherapie hat, gegen diese Situation zu inszenieren. Es ist oft so, dass die Fakten
einer Szene, so stark sind, dass es gefährlich ist, die auch noch zu spielen. Alle sind schwer krank in diesem Raum, das spürt
man auch ich war ja in der Recherche oft dort. Es ist aber auch nicht so, dass alle mit grauen Gesichtern herumlaufen,
sondern es ist deren Alltag zur Chemotherapie zu gehen. Es gab dann Regieanweisungen wie z.B. als würdet ihr im Freibad
nebeneinander liegen. Die Schwere ist ohnehin schon durch die Situation und die Geschichte da. Der Reiz lag vielmehr
darin, den Kontrast zu suchen.
Wer hat die Kameraarbeit gemacht?
Marie Kreutzer: Leena Koppe, mit der ich auch schon in Die Vaterlosen zusammengearbeitet habe. Mit Leena beginne ich sehr früh die Vorbereitungen für den Dreh, die letzten Wochen davor sind sehr
konzentriert. Wir arbeiten an sehr genauen Auflösungen, die wir immer wieder auch über Bord werfen. Wir sprechen sehr viel
darüber, wie der Film ausschauen und wirken soll. Es stellt sich im Vorfeld schon so eine Einigkeit ein, dass dann am Set
nicht mehr unheimlich viel besprochen werden muss.
Wie sind die Dreharbeiten verlaufen?
Marie Kreutzer: Wir haben von Ende März bis Ende April in Wien, der Steiermark und in Berlin gedreht. In Berlin spielt die
Geschichte, wo Gruber die Frau kennenlernt. Es war wie immer sehr intensiv, aber sehr gut. Der große Unterschied zu meinem
letzten Film war, dass wir 42 Locations hatten und dauernd umgezogen sind. Ich lernte es erst im Nachhinein zu schätzen, die
Ruhe einer einzigen Location wie es in Die Vaterlosen der Fall war, zu haben. Die Logistik im Hintergrund hat wenig mit meiner Arbeit zu tun, aber sie ist zu spüren. Man muss
vom einen Ort raus, um rechtzeitig am nächsten zu sein. Man muss sich ständig neu einstellen, es gab es auch viele Schauspieler,
da es viele kleine Rollen gibt. Es kamen immer wieder neue Leute ans Set, mit denen ich zum ersten Mal arbeitete. Es war also
sehr viel Flexibilität notwendig. Was es wiederum leichter gemacht hat, war die Tatsache, dass es eine zentrale Hauptfigur
gab und mit Manuel durch die Proben und die Vorbereitungsarbeit alles klar war. Die zentrale Arbeit war bereits getan.
Interview: Karin Schiefer
Mai 2014