INTERVIEW

Produzentin Gabriele Kranzelbinder über WHAT IS LOVE

 

Wenn man fragt „Was treibt uns Menschen? Was macht das Leben aus?“, dann ist die Antwort die Suche nach dem Lebenssinn und nach dem Lebensglück, vor allem wenn man sich die Mitte anschaut. Ein Gespräch mit Gabriele Kranzelbinder, Produzentin von WHAT IS LOVE.


Wie hat Ruth Mader bei Ihnen als Produzentin Interesse für das Projekt WHAT IS LOVE geweckt?
Gabriele Kranzelbinder: Ausgangspunkt war, einen Film über „normale“ Menschen zu machen. So etwas hat schnell einen negativen Beigeschmack, das sollte aber nicht so sein. Es ging um Menschen, die sonst in einem Dokumentarfilm nicht vorkommen würden, weil sie auf den ersten Blick nichts Besonderes an sich haben. Wenn man dann aber näher hinschaut ? und das war es, was mir an der Idee gefallen hat – hat jeder Mensch etwas Besonderes. Man muss sich nur mit ihm auseinandersetzen. Der Fokus sollte dabei auf eine Generation gerichtet werden, die in der Mitte des Lebens steht. Darüberhinaus ging es um Menschen, die aus einem sozialen Feld der Mitte kommen. Es sollten bewusst keine sozialen Randgruppen angesprochen sein, weil diese ohnehin oft Themen von Filmen sind. Davon ausgehend setzte sich bei mir ein Nachdenkprozess in Gang, wo ich mir sagte „Wir gehen durch die Straßen, treffen dauernd Menschen, deren Leben vielleicht sehr ähnliche Züge wie unser eigenes Leben hat, doch sind wir uns dessen nicht bewusst, weil wir nicht hinsehen.

Wie ausgereift war das Projekt, als die Zusammenarbeit mit Ruth Mader begonnen hat?
Gabriele Kranzelbinder: Es war eine Idee im Anfangsstadium, ich war davon überzeugt, dass ich diesen Film gerne sehen wollte. In der Entwicklung gab es einen regen Austausch zwischen uns, wir haben sehr viel darüber geredet, auch bei der Auswahl der Protagonisten, auch wenn letztendlich einige der ProtagonistInnen aus Ruths näherem Umfeld stammen.

Jetzt sind Normalität und Glücklich-Sein nicht unbedingt zwei Begriffe, die miteinander einhergehen. War die Frage nach dem Glück dennoch von Beginn an präsent. Ist das Glück mit der Liebe gleichzusetzen?
Grabriele Kranzelbinder: Selbstverständlich war diese Frage von Beginn an da. Wenn man fragt „Was treibt uns Menschen? Was macht das Leben aus?“, dann ist die Antwort die Suche nach dem Lebenssinn und nach dem Lebensglück, vor allem wenn man sich die Mitte anschaut. Wir sind in einer privilegierten Situation, in der wir uns keine Sorgen ums Brot von morgen machen müssen und da stellen sich eben dieses Streben und eine Suche ein. Hier deckt sich, glaube ich, meine These mit der von Ruth, dass es letztendlich um die Liebe geht, im Sinne einer weiter gefassten Liebe, um eine Liebe in verschiedenen Formen, wie es auch im Film zu sehen ist: das kann eine Paarbeziehung sein oder auch die Liebe zu Kindern, zu den Eltern, im Fall des Pfarrers vielleicht die Liebe zu Gott oder zur Gemeinde, Liebe zur Natur, Liebe zur Arbeit. Vielleicht auch die Liebe zum Motorrad. Auch wenn sich das jetzt weit von dem entfernt, was ich persönlich unter dem Begriff Liebe verstehe.

Erstaunlich ist, dass in einer Momentaufnahme der aktuellen Gesellschaft, die sehr von Konsum und Materialismus geprägt ist, das Religiöse eine wichtige Rolle spielt.
Gabriele Kranzelbinder: Das Thema ist wahrscheinlich in unserer Gesellschaft stärker als man annimmt präsent. Einerseits rückt die Institution der Kirche immer stärker in den Hintergrund, dennoch denke ich, dass bei sehr vielen Menschen ein Bedürfnis nach Spiritualität vorhanden ist. Es gab unsererseits keine bewusste Suche nach solchen Personen, sondern ich nehme an, das ergibt sich als Folge unserer gesellschaftlichen Entwicklungen.

Wie kann man sich das Casting vorstellen? Was mussten die Leute einbringen, immerhin mussten sie sich ja ins Privatleben schauen lassen?
Gabriele Kranzelbinder: Wir haben im Vorfeld schon einmal Berufsgruppen definiert: wir wollten eine Arbeiterin, eine Ärztin, eine Försterfamilie, einen Pfarrer. Es war sehr schwierig, die richtigen Leute zu finden, als die Leute aber einmal ausgesucht waren, dann waren sie auch vollauf dabei. Nur in einem Fall haben wir nach den Testdrehs nicht weitergearbeitet. 

Was hat man den Leuten als als Leitlinie vorgegeben?
Gabriele Kranzelbinder: Es wurde ihnen gesagt, dass es um ein Portrait von Leben ging, um normale Menschen in ihrem Alltag, in ihrer Arbeit, in ihrer Familie. Ruth hat einige ausführliche Gespräche mit ihnen geführt, hat dann auch eine intensivere Recherche mit der Kamera gemacht und hat da schon Elemente für den Film herausgefiltert, die sie dann mit dem Team definitiv gedreht hat. Nach der Zeit, die sie in der Familie verbracht hat, hat sie schon sehr genau gewusst, was sie drehen wollte.

Das Projekt hieß ursprünglich Leben. Nun hat es nur noch einen englischen Titel. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?
Gabriele Kranzelbinder: Der Auslöser war die Unübersetzbarkeit des deutschen Titels in seiner Doppelbedeutung als Verb und als Substantiv, das im Deutschen noch dazu in der Einzahl und der Mehrzahl verstanden werden kann. What Is Love hat ganz bewusst kein Fragezeichen, weil wir den Satz auch als Feststellung verstehen. Wir haben ausführlich darüber diskutiert, ob es What Is Love oder What Love Is heißen soll. Wir haben uns dann für die etwas ältere Ausdrucksweise What Is Love entschieden, die meinen soll „what love is“.

Wie ordnet sich ein Film wie WHAT IS LOVE in Ihr Firmenprofill der KGP Filmproduktion ein? Inwiefern vertritt er Ihre Philosophie?
Gabriele Kranzelbinder: Für mich gibt es zunächst einmal inhaltlich einen sehr starken persönlichen Anknüpfungspunkt. Es ist ein Thema das mich selber interessiert und es hat eine gesellschaftliche Relevanz. In Zeiten zunehmender Individualisierung halte ich es für wichtig, einen Blick für andere zu entwickeln. Andererseits ist es ein AutorInnenfilm mit einer sehr ausgeprägten formalen Handschrift, es ist ein künstlerischer Film und das ist mir sehr wichtig.

Wie würden Sie Ruth Mader als Filmemacherin charakterisieren?
Gabriele Kranzelbinder: Ich arbeite sehr gerne mit ihr zusammen, weil man bei ihr sehr genau spürt, worum es ihr geht und wie sie es erzählen will, was aber nicht heißt, dass sie sich dem Dialog verschließt. Wir arbeiten schon sehr lange zusammen, haben viele Höhen und Tiefen miteinander erlebt. Daraus entwickelt sich im Laufe der Zeit eine Qualität des Umgangs miteinander, die sich verbessert, je mehr Erfahrung man miteinander hat. Ruth ist sehr gerade und das mag ich. Das Überzeugendste für mich ist, dass sie ein außergewöhnliches Talent hat, wie sie gewisse Dinge sieht und beschreiben kann. Ihr filmisches Erzählen ist immer sehr stark von einem Anliegen bestimmt, sie will nicht nur unter einem formalen Anspruch einen Film machen. Und sie will auch ein großes Publikum ansprechen. Wie das mit einem solchen Film gelingen wird, ist eine schwierige Frage. Ich hoffe, es gelingt uns, hier eine realistische Schwelle für einen Autorenfilm zu überschreiten.

Interview: Karin Schiefer
Dezember 2011