Der in London lebende Filmemacher Fritz Urschitz hat sein Spielfilmdebüt Where I Belong ins England der späten fünfziger Jahre gelegt. Aus einem Lebensgefühl zwischen Tristesse und Aufbruch heraus, erzählt er
vom Identitätskonflikt der zweiten Generation von Emigrantenkindern und erinnert in einem Heute, wo Flucht und Exil so sehr
die aktuelle gesellschaftliche Realität bestimmen, an eine Epoche, als Österreich ein Land war, das seine Menschen in die
Emigration zwang. Das englische Flair der Nachkriegsjahre entstand detailgetreu in den Wiener Rosenhügelstudios, seit November
sind die Dreharbeiten von Where I Belong abgeschlossen.
Wenn Rosemarie sich für ein paar Stunden der Enge des väterlichen Heims entziehen will, dann schleicht sie in Alltagsklamotten
außer Haus, schlüpft erst am Weg zum Bus in die Tanzschuhe, um dann in einem Ballroom der Hauptstadt bei Boogie und Jive für
einige Stunden die Leichtigkeit des Seins zu kosten. Die Momente des Müßigangs sind rar im London der späten fünfziger Jahre,
und daher umso begehrter bei einer Generation der Zwanzigjährigen, die nach der Last des Krieges, Exil und Verlust, Tristesse
und Armut auch ein Gefühl von Jugend ausleben will. Als Tochter eines vor den Nazis geflohenen Juden, der nach dem Krieg im
englischen Exil blieb und verbittert wie vergeblich aus der Ferne um Restituierung seines Wiener Besitzes kämpft, muss die
24-jährige Rosemarie fürs finanzielle Auskommen dieser Kleinfamilie sorgen, ihrem kränkelnden, einsamen Vater Lebensbegleiterin
sein und hat wenig Freiraum, ihr eigenes Leben zu entwerfen. In einem Heute, wo Flucht und Exil so sehr die aktuelle gesellschaftliche
Realität bestimmen, ruft Fritz Urschitz in seinem ersten Spielfilm Where I Belong eine Epoche in Erinnerung, als Österreich ein Land war, das seine Menschen in die Emigration zwang.
Fremdsein und Identität, Migration und das Leben mit und zwischen zwei Kulturen und Sprachen kennt Regisseur Fritz Urschitz
aus erster Hand. Selbst hat er sich vor mehr als zehn Jahren für ein Leben in der englischen Hauptstadt entschieden, dort
sein Studium an der Filmschule absolviert, eine eigene Produktionsfirma, cineparallel, gegründet und ist in langjähriger Kuratorentätigkeit
fürs Österreichische Kulturforum London vielen Emigranten aus der Zeit des Nationalsozialismus und ihrem ambivalenten Heimweh
nach Wien und der deutschen Sprache begegnet. Ich habe mir, so der Filmemacher, für Where I Belong die fünfziger Jahre als Setting ausgesucht, weil ich mich mit der zweiten Generation der österreichischen Emigrationsgeschichte
sehr viel beschäftigt habe und glaube, dass die Verfremdung und die Distanzierung, die ein period piece erlaubt,
es dem Publikum leichter macht, Emotionen hervorzukehren und sich auf die grundlegenden Fragen der Geschichte zu konzentrieren.
Für die Herstellung fand Fritz Urschitz cineparallel den für ein Regiedebüt nötigen Senior Producer in der Satel-Film,
die die Produktion eines bereits weit gediehenen Projekts übernehmen konnte, das noch dazu den Vorteil hatte, durch seine
Zweisprachigkeit sowohl am englisch- wie am deutschsprachigen Markt Verwertungsmöglichkeiten zu eröffnen. Dazu kam,
schildert Produzent Heinrich Ambrosch, meine persönliche Geschichte: denn ich habe selbst einen jüdischen Großonkel,
der heute 90-jährig in London lebt und dem dasselbe Schicksal wie Rosemaries Vater, Friedrich Kohschitz, widerfahren ist -nämlich
nach seiner Flucht vor den Nazis als enemy alien in einem Internierungslager festhalten zu werden.
Mit 1,9 Mio konnte ein für einen Spielfilmerstling mehr als passables Budget bereitgestellt werden, das dennoch dem
historischen Stoff und seiner Umsetzung einen engen Rahmen setzte. Normalerweise, so Heinrich Ambrosch würde ich
jedem davon abraten, mit einem historischen Film zu beginnen. Manchmal kommt aber ein Projekt daher, für das aufgrund seiner
besonderen Qualität andere Regeln gelten. Where I Belong ist so ein originäres Projekt. In und um London wurden im englischen
Oktobergrau die Außenszenen gedreht, auch die Innenräume on location zu drehen, hätte den finanziellen Rahmen rasch gesprengt,
da sich der Originalzustand der Gebäude nur durch einen kompletten Wohnungsumbau hätte rekonstruieren lassen. So nahmen die
Räumlichkeiten, vor allem jene des decrepit house, unter dessen Dach Rosemarie und ihr Vater ihr bescheidenes
Dasein fristen, im vergangenen August in den Wiener Rosenhügelstudios Gestalt an. Der Look im Detail wurde aus England importiert,
ob es sich um originalgetreue Fenster und Türen handelte oder Spezialisten kamen, die den Wänden und Tapeten den abgewohnten,
feuchten Look verpassten. Wir haben, so der Regisseur, mit viel Geduld und Liebe die Sachen bis ins Detail
zusammengesammelt. Beschläge oder Lichtschalter schauen in England einfach anders aus. Wenn sie authentisch sind, dann hilft
es auch den Schauspielern, denn jede Kulisse repräsentiert auch den Charakter und dessen Sehnsüchte. Das Reizvolle am Studiodreh
war für mich, dass sich die Interiors wie eine weitere Figur gestalten ließen. Der Schöpfungsprozess eines Raums interessiert
mich beim Filmemachen ebenso sehr wie der einer Figur.
Überzeugt davon, dass der Regisseur in allen Bereichen des Entstehungsprozesses eingebunden sein muss, hat Fritz Urschitz
nicht nur in der Locationsuche, Ausstattung und Kostüm seine Vorstellungen eingebracht, sondern er hat auch zu einem Zeitpunkt,
als noch keine Finanzierung des Projekts gesichert war, seine beiden Wunschkandidaten - Nathalie Press und Johannes Krisch
- an Bord geholt. Johannes Krisch spielt Anton, den Friedrich Kohschitz als kleinen Jungen im Internierungslager unter seinen
väterlichen Schutz genommen hatte und der sich nach dem Krieg trotz seiner Wurzeln in Österreich seine Existenz in England
aufbaut. Ein Besuch bei seinem Ziehvater führt zur schicksalhaften Begegnung zwischen ihm und Rosemarie. Begegnung, die Rosemarie
ins Unglück und Glück zugleich stürzt und ihr den Anlass liefert, endlich ihren eigenen Weg einzuschlagen. Sie steckt
in einer Situation voller Widrigkeiten, beschreibt Nathalie Press ihre Figur, und ich denke, der Kern liegt darin,
dass es ihr gelingt, trotz allem zu triumphieren und kein Opfer zu sein. Zum ersten Treffen zwischen beiden Darstellern
kam es bereits sehr früh - Gelegenheit für den Regisseur, herauszufinden, ob sein Filmpaar seiner Intuition gehorchen und
wie es vor der Kamera harmonieren würde, und auch, um mit beiden gemeinsam an der Feinarbeit der Dialoge zu arbeiten. Ich
verlasse mich bei Schauspielern, so Fritz Urschitz, sehr stark auf die Physiognomie. Ich halte das Filmemachen
nicht für einen intellektuellen Ausflug. Es geht da um Emotionen, Körper, Räume - und darum, wie man sie bewegt.
Karin Schiefer