"Ihr habt uns für immer verändert", sagt Sonja Savic und eine sachte Bitterkeit schwingt in ihrem Ton mit. Sie sitzt in einer
der menschenleeren Abflughallen des Belgrader Flughafens und zieht Bilanz über zehn Jahre sukzessiver Zertrümmerung der Zukunft
ihres Landes. Bereits als kleines Kind verließ sie mindestens dreimal im Jahr den Flughafen in Richtung Ausland, heute mit
35 hat sie nicht einmal Post und Telefon, um mit der Welt von draußen die auch ihre war zu kommunizieren. Als modernes
Lager erlebt sie heute den Alltag im einst kosmopolitischen Belgrad, das die meisten ihrer Freunde verlassen haben. "Wenn
man uns etwas genommen hat", resümiert sie, "ist es das Recht auf ein internationales Leben". Die Abflugtafel, die einzig
einen Flug nach Moskau ankündigt, entbehrt jedes weiteren Kommentars. Knapper lässt sich Trostlosigkeit kaum beschreiben.
Ein Volk wird für die Taten und Worte eines Mannes verantwortlich gemacht und seiner Aussicht auf Zukunft beraubt.
In seiner knapp 90-minütigen Dokumentation The Punishment lässt der Regisseur Goran Rebic die Protagonisten der "verlorenen Generation", die sich von innen wie von außen in einer Art
doppeltem Lager vom totalitären Regime und den westlichen Nachbarstaaten im Stich gelassen fühlt, zu Wort kommen.
"Die wichtigste Zeit im Leben", so der in der Vojvodina geborene und in Wien aufgewachsene Filmemacher, "wurde diesen jungen
Leuten herausgeschnitten und auf den Müll der serbischen Geschichtspropaganda geworfen." Stimmen der Empörung Zumindest ihre
Stimmen sollen über diesen Film die Gelegenheit erhalten, auf Reisen zu gehen. Dem Bild des stigmatisierten, bösen Serbiens
die Gesichter der Resignation und der Empörung angesichts des Verrats durch die nationale wie internationale Politik entgegenzuhalten
war eine Intention dieser Arbeit, ein Portrait der trotz Repressionen lebendigen Zivilgesellschaft zu zeigen, eine weitere.
Stille Kinder und zornige Studenten, alleingelassene Mütter und einsame Väter erzählen von ihren Gefühlen und ihren Strategien
diesen Zustand der kollektiven Anästhesie zu überleben. Für Goran Rebic waren die Erkundungsfahrten in die serbische Hauptstadt
zwischen Juli und dem 31. Dezember 1999 Reisen zwischen zwei Welten: einerseits war da das Gefühl der Zugehörigkeit, da es
sich um eine Reise zu den eigenen Wurzeln handelte, andererseits jedoch das Privileg, nach getaner Arbeit wieder zurück in
den Westen zu können und deshalb von seinen Gesprächspartnern in eine Art Mitverantwortung gezogen zu werden. "Ich sehe mich
daher" erklärt Rebic, "auch als Protagonisten dieses Filmes. Es war mir wichtig auch ein Gesicht und einen Namen zu haben.
So ist der Film eine Reise, eine Suche mit mir.
Der Regisseur zieht sich nicht zurück auf den Beobachterposten, sondern taucht als Gesprächspartner vor der Kamera auf, die
Videokamera erfasst das Team bei der Arbeit, nimmt Bilder durch die verschmutzte Windschutzscheibe auf. An die Abgründe des
Chaos Die Beeinflussung der Berichterstattung durch westliche Medien war einer der Gründe für dieses Stilmittel: "Für mich
war klar", so Rebic, "dass ich für diese Form der Reise und des Dialogs eine transparente Form wählen möchte. Ich wollte,
dass man uns sieht, wie wir die Wirklichkeit, die wir vorfinden, abbilden und dass es immer mehrere davon gibt". Die ersten
Minuten kommt der Film völlig ohne Worte aus - ein Brautpaar auf dem Weg zur Trauung, unterbrochen vom Bombenalarm, der Abschuss
von Raketen, abstrahierte Explosionen auf dem Monitor, eine Autofahrt entlang von Brückenwracks in der Donau bis zur Hauptstadt,
die ihre verkohlten Wunden der Verwüstung preisgibt. Eine Einladung an den Zuschauer, sich auf eine Reise einzulassen, die
an die Abgründe des Chaos führt und die Dynamik von Hass und Gewalt verdeutlicht, die nirgendwo weder auf politische noch
geografische Grenzen Rücksicht nimmt. (ks)