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Ruth Mader: NULL DEFIZIT

 

Alte Männer im Pflegeheim, eine Mutter, offensichtlich alleinerziehend, mit ihrer Tochter, Langzeit-Arbeitslose bei der Gesprächsschulung, geistig Behinderte im Tagesheim, ein farbiger Zeitungsverkäufer an einer Straßenkreuzung und eine bunte Schar in- und ausländischer Kinder beim Kostümfest im Kindergarten.

Sechs Situationen mit Blick auf Gesellschaftsgruppen, die vom neuen Kurs der Mitte-Rechts-Regierung am ehesten betroffen sind, zwölf Schlagwörter, die sich seit Februar 2000 im politischen Sprachalltag ihren Platz erobert haben. So ist kurz das Konzept umrissen, das Ruth Mader für ihren Kurz-Propagandafilm Nulldefizit entwarf, um einerseits zum politischen Wandel in Österreich Stellung zu beziehen und andererseits auch dem Begriff der Solidarität im neuntreichsten Land der Welt wieder Bedeutung zu verleihen. Solidarität im neuntreichsten Land der Welt Sozialpolitisches Engagement betrachtet die Regisseurin des 1999 in Saarbrücken ausgezeichneten Kurzfilms Gfrasta seit Beginn als Triebkraft ihres filmischen Schaffens: "Ich hab' die Illusion", so die 26-jährige Filmstudentin, "dass man mit Film beeinflussen, die Haltung der Leute verändern oder bestärken kann". Ruth Maders Anspruch "Wie kann ich die Leute, die das sehen, ins Herz treffen?" bedurfte einer sehr analytischen Vorgangsweise auf der Inhaltsebene und vor allem einer adäquaten formalen Lösung.

Die Arbeiten Leni Riefentstahls sowie die Collagen John Heartfields waren Gegenstand ihrer Recherche, "um,- so die Regisseurin, -auf die Tradition des Propagandafilms zurückzugreifen, wo es darum ging, nur mit einem Bild und ohne Kommentar alles auszusagen und emotional zu berühren, eventuell das Ganze durch Schrift zu verstärken oder konterkarieren". Inszenierte, zum Teil von den Protagonisten improvisierte Kurzszenen, die jedoch durch lange Kameraeinstellungen einen sehr dokumentarischen Charakter erhalten, rücken gesellschaftliche Randgruppen ins Zentrum. In Parteiprogrammen und Medien zitierte Schlagwörter bilden in Form von Zwischentiteln jeweils den Rahmen der sechs Episoden, die von einer tristen Gegenwart, aber auch von der Möglichkeit einer helleren Zukunft zeugen. (ks)