Die Flaneurin ist nicht nur Titel eines Filmprojekts aus den neunziger Jahren, das leider unrealisiert blieb. Bei Ruth Beckermann spiegelt sich in diesem Motiv auch ihr filmisches Bewegungsmuster wider. Band 29 der FilmmuseumSynema Publikationen hat sich dem filmischen Oeuvre von Ruth Beckermann gewidmet.
Alexander Horwath, Michael Omasta (Hg): Ruth Beckermann.
FilmmuseumSynema Publikationen Bd. 29, Synema Verlag Wien 2016, 20,-
Die Flaneurin ist nicht nur Titel eines Filmprojekts aus den neunziger Jahren, das leider unrealisiert blieb (jetzt aber in seinen ersten
Skizzen nachzulesen ist). Bei Ruth Beckermann spiegelt sich in diesem Motiv auch ihr filmisches Bewegungsmuster wider. Ihr
Kino vertraut der Intuition und der Subjektivität, lässt sich in der Stadt wie in der Welt von den Menschen und Orten leiten
und setzt in der Begegnung mit dem Bild auf die Energie der Überraschung und des Flüchtigen. Dass die von Alexander Horwath
und Michael Omasta herausgegebenen Werkbetrachtungen zum Kino Ruth Beckermanns auch das Exposé eines Projekts berücksichtigen,
das nie verwirklicht wurde, verweist auf einen grundlegenden Wesenszug ihrer Arbeiten. Beckermanns Arbeiten sind immer auch
eine Auseinandersetzung mit dem fehlenden Bild, sie erzählen vom Nicht-Gesehenen und Nicht-Gezeigten, falten sich aus den
Gräben von Verschweigen und Verleugnung auf, spüren dem Nicht-Zeigbaren, dem Unvorstellbaren nach. Gegenöffentlichkeit in
einem von Informationsmonopolen dominierten Wien der siebziger Jahre schaffen, war der Ansporn für erste politisch engagierte
Video-Arbeiten, als jüdische Wienerin filmisch Gegenwartsbewältigung zu leisten, ist für Ruth Beckermann in der Stadt mit
dem vage ausgeprägten Geschichtsbewusstsein seit den achtziger Jahren zur unerschöpflichen Herausforderung gewachsen.
In der Nummer 29 der FilmmuseumSynema Publikationen (der zweiten, die in dieser Serie einer Filmemacherin gewidmet ist) spannt
sich ein Bogen von Bert Rebhandls umfassendem Essay zur Werkgeschichte zu einem ausführlichen Interview der Herausgeber mit
der Filmemacherin. Dazwischen webt sich ein Bild aus Analysen und Betrachtungen von Außen (Erinnerungen von Christoph Ransmayr
an große Tischrunden in der Marc Aurel-Straße oder Ina Hartwig an turbulente Drehtage in Italien) sowie Einsichten in
Drehtagebücher, Notizen, oder die (Post-)Produktion ihres neuen (programmatischen) Projektes Waldheim oder die Kunst
des Vergessens.
Karin Schiefer
Dezember 2016