Nach Stefan Ruzowitzkys Oscar-Erfolg 2008, setzte Götz Spielmann mit Revanche im Jahr darauf gleich nach und schaffte den Sprung unter die fünf Nominierten für den Auslandsoscar 2009. Ein Gespräch mit
den Filmemachern über Begegnungen mit Hollywood wenige Wochen und ein Jahr danach.
Götz Spielmann: «Man ist in einer anderen Welt und auch wieder nicht. »
Wie war Ihre Reaktion im Jänner, als Revanche zunächst in der Shortlist der neun Filme stand, die für die Nominierung in die engere Wahl gekommen sind.
Götz Spielmann: Ich hab mich gefreut und ehrlicherweise auch damit gerechnet. Ich war seit Ende August mit dem Film
in den USA unterwegs, beginnend in Telluride, dann Toronto und weiter noch im Spätherbst in Los Angeles. Das Publikum
dort, viele aus der Branche, haben mit einer Leidenschaft und Begeisterung auf den Film reagiert, wie es nur selten der Fall
ist. Ich habe bemerkt, dass sich unser Film rasch herumspricht, ich wurde in Toronto von Regisseuren oder Produzenten auf
den Film angesprochen, obwohl sie ihn noch nicht gesehen hatten und noch kaum Kritiken erschienen waren. Unter anderem ein
großes Plus war die Qualität und Intensität im Schauspiel. Es wird dort als eine Qualität wahrgenommen, wie man sie selbst
im amerikanischen Film nur selten zu sehen bekommt.
Ich hatte einfach gespürt, dass da was drinnen ist. Wir haben dann gezielt ein paar weitere Screenings platziert und in die
Internet-Präsenz des Films Energie gesteckt. Die Zeichen haben sich gemehrt, dass Revanche immer weitere Kreise zieht. Agenten
haben begonnen, sich bei mir zu melden, Produzenten. Darum hatte ich das Gefühl, wir könnten auf der Shortlist dabei sein.
Dass uns dann auch die Nominierung gelingt, hat mich doch überrascht, dazu waren einfach sehr starke Filme mit im Wettbewerb
um die Nominierung.
Wie haben die Medien in Österreich reagiert und wie schnell ging dann die PR-Tour in den USA los?
Götz Spielmann: Zwei Dinge waren für mich überraschend und ein wenig überwältigend: das eine, war die Kraft, die der Film
in der Branche und bei Kritikern in den USA entfaltet hat. Damit war nicht zu rechnen, er ist ja in manchem anders, ungewöhnlich
als das, was man von Hollywood kennt. Das zweite war die unglaubliche Mitfreude und Medienenergie, die diese Nominierung in
Österreich ausgelöst hat. Damit hatte ich ebenso wenig gerechnet. Ich hab keinen Neid, keine Häme dabei bemerkt. Es war eine
recht ungetrübte Freude. Ich bin dann eine Woche vor der Oscar-Verleihung nach Los Angeles gefahren und diese Woche hieß sehr
viel Arbeit.
Im Konkreten?
Götz Spielmann: Einerseits mit Medien, auch österreichischen Medien. Ich hatte mittlerweile einen hervorragenden und engagierten
Agenten, der seinerseits den Film bereits Produzenten und Schauspielern gezeigt und der eine Reihe von Meetings mit Produzenten
vereinbart hatte. Für mich waren das Treffen, um die dortige Branche kennen zu lernen - eine Art Intensivkurs, im Laufe dessen
ich so um die fünfzehn Produzenten kleine und große, wichtige, junge getroffen habe. Sehr interessant, sehr
anstrengend.
Was war der Eindruck im Vergleich zu Europa?
Götz Spielmann: Ich kann nur von einem ersten Eindruck sprechen und den würde ich nicht auf die Goldwaage legen. Man ist in
einer anderen Welt und auch wieder nicht. Natürlich fallen immer wieder Namen von Schauspielern und Regisseuren, die man weltweit
kennt. Mich beeindruckt das nicht so rasend. Natürlich gibt es dort viele tolle Schauspieler und auch viel größere Budgets.
Ich entnehme mein Urteil über Schauspieler aber nicht der Zeitung, sondern dem Augenschein. Mir kommt es auf die Essenz eines
Filmes an und nicht auf das Budget. Auf den ersten Eindruck hin habe ich den Umgang der Produzenten mit mir als Regisseur
als ungleich respektvoller und neugieriger erlebt als hier in Österreich. Alle wollten zunächst einmal wissen, wirklich wissen,
was ich will und was mich interessiert. Ich halte diesen anderen Umgang für klüger und professioneller, wenn ein Produzent
zunächst einmal herausfinden möchte, wo die Leidenschaft bei einem Regisseur liegt. So können sich auch für ihn andere Ideen,
weitere Inspirationen ergeben. Aber ich betone noch einmal: das war ein erster Eindruck.
Würde es Sie prinzipiell reizen, dort etwas zu machen?
Götz Spielmann: Prinzipiell ja, natürlich. Nicht um jeden Preis, und ohne mich künstlerisch zu verraten. Es ist für mich auch
denkbar, mit einer fremden Vorlage zu arbeiten, das wäre vielleicht sogar ganz interessant zur Abwechslung. Ich habe ein paar
rasche Angebote bekommen, die aber noch nicht wirklich interessant waren für mich. Nur weil dort die große Filmwelt ist, ändere
ich meine künstlerische Haltung nicht. Und nur um dort irgendeinen Film zu machen, gehe ich nicht hin. Ich mache lieber etwas
in Österreich, das toll werden kann, als dort etwas, von dem ich im Vorfeld schon weiß, dass es sich nicht sehr weit vom Üblichen
absetzen wird. Aber mal sehen. Alles steht in den Sternen. Türen stehen offen, das ist schön.
Wie ist der Tag der Oscar-Verleihung dann verlaufen?
Götz Spielmann: Es waren drei unserer Schauspieler dabei ? Ursula Strauss, Johannes Krisch und Andreas Lust und Mathias Forberg,
mein Koproduzent von der Prisma-Film. Am Tag der Verleihung haben wirs uns schön gemacht. Wir haben im Hotel einen Brunch
veranstaltet und ein paar Leute eingeladen und es gemütlich angehen lassen. Man muss dann ziemlich bald dorthin und wir wurden
schon gegen 14.30 in einer Limousine abgeholt. Das muss man sich dort vergönnen, sonst kommt man gar nicht hin. Dann ist man
halt dort und schlendert über den roten Teppich. Ich hab mich darauf konzentriert, nicht mich, sondern alles andere am roten
Teppich wahrzunehmen, wie es aussieht, wie die Atmosphäre ist. Ich bin da recht sachlich drüber spaziert.
Und wie war die Atmosphäre?
Götz Spielmann: Es ist im Grunde etwas Künstliches und daher nicht meine Welt. Aber es ist durchaus interessant zu sehen,
wie gut diese Show organisiert ist und als Event funktioniert. Ich bin da relativ gelassen, ohne es mit Arroganz zu betrachten.
Ich nehme es wahr als etwas, das in der Welt passiert und das ich mir mit Neugier und Interesse anschaue. Es war für mich
spannender, die vielen Produzenten kennenzulernen, wo einige sehr klug und spannnend über unseren Film geredet haben. Was
mir noch sehr gefallen hat, war die Begegnung mit den anderen Regisseuren, die für den Auslandsoscar nominiert waren. Es gab
Veranstaltungen im Vorfeld, wo die Filme und die Regisseure vorgestellt wurden, da haben wir uns kennengelernt. Wir
sind dann auch beisammen gesessen und da wir alle Raucher sind, haben wir uns immer wieder im Raucherraum getroffen, der dankenswerterweise
im Kodak-Theatre eingerichtet war. Konkurrenzgefühl hatte ich keines. Kunst ist ja keine Sportveranstaltung. Filme und Künstler
sind nicht miteinander vergleichbar, weshalb das Wort Konkurrenz absurd ist. Es war interessant, Ari Folman und
Laurent Cantet kennenzulernen und es ist schön, sich international mit anderen Filmemachern zu vernetzen und entdecken, dass
man vieles gemeinsam hat. Im Kodak Theatre zu sitzen und Teil dieser Show zu sein, das war interessant, hat mit mir persönlich
aber nicht so viel zu tun.
Was hat sich jetzt in Österreich dank dieser Nominierung im Hinblick auf kommende Projekte für Sie verbessert?
Götz Spielmann: Ein bisschen was hat sich getan, auch international. Koproduktionen werden sicherlich leichter sein. Die waren
auch zuvor nicht unmöglich, weil ich seit Antares auch außerhalb Österreichs ein bißchen einen Namen habe. Das verstärkt sich
durch die Oscar-Nominierung natürlich deutlich. Aber das Wichtigste und Schwierigste ist es, die richtigen Geschichten zu
finden. Da hilft keine Oscar-Nominierung. Man fängt immer wieder bei Null an, sitzt und liest und arbeitet. Wieder eine Geschichte
zu finden, beschäftigt mich zurzeit am stärksten. Wenn ich die habe, wird es vielleicht leichter zu finanzieren sein. Wobei
es aber weder bei Revanche noch bei Antares schwierig war, die Finanzierung zu schaffen es waren natürlich vergleichsweise kleine Filme. Ich
weiß gar nicht, ob sich so viel ändern wird für den nächsten österreichischen Film. Mal sehen. Türen in den USA sind offen,
das ist neu.
Ist bereits eine neue Geschichte am Entstehen?
Götz Spielmann: Ich würde am liebsten jetzt mit dem nächsten Film beginnen. Ich muss mir aber die Zeit lassen, den Stoff und
die Idee zu finden. Das muss man kommen lassen. Ich arbeite an ein paar verschiedenen Sachen und bin schon sehr ungeduldig.
Ich will mir keine Zeit lassen, ich muss aber warten, bis sie reif ist. Das hat man nicht in der Hand. Was diese Suche, diese
schwierige Arbeit aber sehr erleichtert: dass ich inzwischen selber mein Produzent bin und dadurch auch die finanziellen Möglichkeiten
habe, etwas zu entwickeln. Der mit Abstand schwierigste Punkt beim Filmemachen ist es, die Idee, das richtige Projekt zu finden.
Wenn eine kraftvolle Idee da ist, dann geht es ohnehin seinen Weg. Das Schwierige ist das Davor. Zu beginnen.
Stefan Ruzowitzky: «Was den Job-Effekt betrifft, stecke ich in der Hollywood-Falle»
Wie kann man sich den Oscar-Effekt vorstellen?
Stefan Ruzowitzky: Dieser Promi-Status ist sicher ganz gut fürs Selbstwertgefühl, der Verlust an Anonymität, den man als Regisseur
gar nicht im Lebensplan hat, ist aber auch ein bisschen seltsam. Das andere betrifft den Job-Effekt und da stecke ich in der
Hollywood-Falle, wo einem unzählige Leute sagen, wie toll man ist und Angebote machen, diese Projekte jedoch noch fürchterlich
lange dauern können, mit der Gefahr, dass sie sich auch wieder zerschlagen. Wenn daraus etwas wird, dann ist es großartig,
alles ist aber viel unsicherer und unvorhersehbarer als das mit Projekten im deutschsprachigen Raum der Fall wäre.
Gibt es konkrete Projekte, die zur Diskussion stehen?
Stefan Ruzowitzky: So konkret, wie das dort halt ist. Ich habe schon zwei Regieverträge für große Filme unterzeichnet, wovon
der eine inzwischen de facto wieder tot ist und für das Projekt, das am wahrscheinlichsten ist, gibt es noch keinen Vertrag.
So läuft das. Da gelten andere Regeln, die man erst lernen muss. Das Einzige, was ich nicht machen möchte, sind Komödien.
Das ist schwierig in einer Sprache und Kultur, die nicht die eigene ist. Sonst ist es eine Mischung, die dem entspricht, wie
ich bisher gearbeitet habe. Das Spektrum reicht von Dramen, teilweise historische Sachen, bis in eine Mainstream-Action-Richtung
? es sind aber weder ganz sinnentleerte Action-Kracher noch völlig obskure Arthouse-Dinger dabei.
Sie haben zuletzt Hexe Lilli fertig gestellt, ein Kinderfilm mit Animation. Wie war es, ein neues Genre zu entdecken und mit Kindern zu arbeiten?
Stefan Ruzowitzky: Es war für mich genau das Richtige zum richtigen Zeitpunkt. Zum einen wegen meiner Kinder, die genau in
dem Alter waren, zum anderen als Kontrastprogramm zu Die Fälscher, was ein extrem schwerer und düsterer Stoff war. Bei Hexe
Lilli hingegen ging alles um Farben und Spaß, Kinder und Tiere hinaus und es durfte ein wildes Drauflos-Fabulieren sein.
Was hat in diesem Jahr in Europa bzw. in Österreich getan?
Stefan Ruzowitzky: Es gibt einige Projektanfragen aus Österreich bzw. Deutschland. Problematisch ist, das europäische und
das amerikanische System zu koordinieren. Wenn ich hier zusage, dann ist das Projekt quasi auf Schienen. Internationale Projekte
hingegen sind völlig unvorhersehbar, vielleicht im Sommer 2009 oder erst im Frühjahr 2010 oder vielleicht finden im Herbst
2010 zwei gleichzeitig statt. Das mit einem österreichisch-deutschen Subventionssystem zu kombinieren, wo ein Projekt auf
meinen Namen läuft, geht schwierig. Wenn man in den USA etwas auf die Beine stellen will, braucht man definitiv einen langen
Atem.
Sie waren im letzten Jahr auch bei vielen filmbezogenen Diskussionen präsent. Wie haben Sie die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit
erlebt?
Stefan Ruzowitzky: Ich glaube, es war sehr wichtig, dass durch die Nominierung von Götz Spielmann nochmals bestätigt wurde,
dass Die Fälscher kein Zufallstreffer war, sondern dass österreichische Filme sehr erfolgreich sind und ein hohes Ansehen
genießen. Es war eine optimale Image-Kampagne und man hat dieses Jahr gesehen, dass die Medien und die Politik viel besser
vorbereitet waren. Was mich selbst betrifft, so bin ich halt ein bisschen der Poster-Boy des österreichischen Films geworden
und habe es leichter, einen Termin bei einem Politiker zu bekommen oder eine wichtige Botschaft in die Medien zu bringen.
Das versuche ich, zum allgemeinen Nutzen einzusetzen.
Haben Sie das Gefühl, das etwas wie eine filmpolitische Verantwortung auf Ihnen ruht?
Stefan Ruzowitzky: Man muss da ein bisschen aufpassen, weil ich ja keine demokratisch legitimierte Position habe, um als Sprecher
des österreichischen Films aufzutreten. Andererseits nutze ich halt die Gunst der Stunde und versuche, für die Branche etwas
zu erreichen, wobei die politischen Erfolge bislang ja sehr überschaubar sind. Die größte Dringlichkeit liegt sicherlich beim
ORF. Die leichten Erhöhungen bei ÖFI und FFW können keinesfalls ausgleichen, falls der ORF wirklich wegbricht. Ein öffentlich-rechtlicher
und gebührenfinanzierter Sender fördert österreichischen Film und Content ja nicht aus Nettigkeit, sondern weil er sich darüber
definiert.
Eine kurz Bilanz nach einem Jahr?
Stefan Ruzowitzky: Es war ein Kindheitstraum, es ist die höchste Auszeichnung in meiner Branche und so soll man es auch stehen
lassen. Wenn man das Ganze auch noch in politischer Hinsicht ausnutzen oder persönlich für die eigene Karriere als kleinen
Turbo verwenden kann, umso besser. Den Oscar gewonnen zu haben ist und bleibt eine große und großartige Sache.
Interviews: Karin Schiefer
März 2009