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MEIN BOSS BIN ICH von Niki List

 

Bei seiner ersten Begegnung mit Niki List war Christian zwölf, mit 15 stand er erstmals vor seiner Kamera. Damals Anfang der achtziger Jahre war Christian in einem Internat und kam an Freitagen nach Hause, um das Wochenende mit den Seinen zu verbringen. Der ganz normale, unaufgeregte Alltag eines jungen Menschen mit Down-Syndrom war in Mama lustig...? erstmals Thema eines Dokumentarfilms, der nun im Acht-Jahres-Rhythmus seine zweite Fortsetzung erhielt.

In Muss denken begegnen die Zuschauer einem Anfang-Zwanziger, der in einer Wohngemeinschaft lebt, einer Arbeit in einem Textilbetrieb nachgeht und schon bei verschiedensten Gelegenheiten Eindrücke von seinem Bewegungstalent gibt. Mein Boss bin ich, der im diesjährigen Berliner Panorama internationale Premiere hat, zeigt den 33-jährigen, der zwar immer noch in seiner WG wohnt, der aber beruflich längst einen anderen Weg eingeschlagen hat und nun mit der Performance-Gruppe Bilderwerferauch international unterwegs ist oder in diversen Tanz-Projekten arbeitet.

Chance auf Normalität

Regisseur Niki List legt wert darauf, den Film als dokumentarischen Spielfilm zu bezeichnen, nicht nur weil ein zehnminütiger Kurzfilm nach einem Drehbuch von Christian Teil des Dokumentarfilms ist, sondern auch, so der Regisseur, "weil der Christian ja mittlerweile als Profi gewohnt ist, auf der Bühne zu stehen und manches von ihm sicherlich bewusst hergestellt wurde". Federführend bei allen drei Drehbüchern war Christa Polster, Christians Mutter, die, auch wenn er längst ausgezogen ist, doch in seiner Nähe wohnt und Christians Umfeld am genauesten kennt. "Der Film", resümiert List, "soll einerseits zeigen, dass sich, sag ich mal 90% der Behinderten integrieren ließen. Christian ist aber umso mehr eine unkonventionelle Person als er als Mensch mit Down-Syndrom kein übliches Schicksal genommen hat". Er hat nämlich das besondere Glück, Familie, Freunde und Kollegen zu haben, die ermöglichen, was das soziale System Menschen wie ihm bei allzu behüteter Sonderbehandlung im Abseits der Gesellschaft verweigert: die Chance auf Normalität. (ks)