«Was in Österreich bitter ist, Sie finden hier keine einzige Bank, die Film vorfinanziert, obwohl man einen Vertrag hinlegen
kann. Das ist ihnen zu suspekt, zu zirkusartig, zu fremd. Schade, denn somit ist ein wichtiger Industriezweig in Österreich
am Geldverkehrssektor absolut diskriminiert. Das in Zukunft zu verbessern, muss unser Ziel sein.» Produzent Dieter Pochlatko
über das von der epo-film federführend produzierte Großprojekt Klimt mit John Malkovich in der Titelrolle.
War Klimt schon lange ein Thema, aus dem sie einen Film machen wollten?
DIETER POCHLATKO: Ansatzpunkt war der, dass der österreichische Regisseur Herbert Vesely 1999 mit einem Drehbuchvorschlag für eine Liebesgeschichte
zu mir gekommen ist, ich war nicht wirklich begeistert, schlug ihm aber im Gegenzug vor, dass es noch nichts über Klimt gibt,
ein Thema, das mir außerdem international vermarktbar schien und noch dazu hatte Herbert Vesely bereits den Film Egon Schiele: Exzesse gemacht. Er war von der Idee begeistert und hat ein Rohdrehbuch geschrieben. Er ist leider 2002 verstorben. Ich begann dann
das Projekt neu zu konfigurieren und grundsätzlich auf eine internationale Basis zu stellen. Das Thema Klimt ist mir dabei
sehr zugute gekommen. Es war das erste Mal, dass ich, wenn ich außerhalb der österreichischen Grenzen aquiriert habe, beim
Wort Klimt offene Türen vorgefunden habe. Das war sehr ermutigend. Dann wollte ich einen international renommierten Arthouse-Regisseur,
weil ich gefürchet hatte, dass das Thema zu spekulativ, zu voyeuristisch, zu sehr auf erotische Szenen den Akzent setzend,
umgesetzt würde. Das wäre mir als Bild zu schief gewesen. Ich brauchte einen seriösen, interessanten, intellektuellen Regisseur.
Ich habe zufällig Le temps retrouvé von Raoúl Ruiz gesehen und damit bin ich auf meinen Regisseur gestoßen. Er hat sehr rasch
zugesagt und ich habe ihn im Sommer 2003 drei Wochen lang auf einer Recherchereise durch Österreich begleitet. Es ist daraus
dann eine tolle, fruchtbare Zusammenarbeit geworden. Raoúl Ruiz hat dann relativ schnell ein neues Drehbuch geschrieben, auch
wenn es letzten Endes sieben Fassungen gegeben hat ist binnen eines dreiviertel Jahres das Buch gestanden. Anfang 2004 waren
wir fertig und sind damit in die Förderung gegangen.
Gab es zum damaligen Zeitpunkt bereits Koproduktionspartner?
DIETER POCHLATKO: Mein ständiger deutscher Koproduktionspartner, Arno Ortmair von der Film-Line München, mit dem ich schon sehr viel erfolgreich
produziert habe war anfänglich zurückhaltend, weil er nicht so sehr auf der Arthouse-Schiene agiert. Ich konnte ihn aber schließlich
überzeugen. Wir haben dann folgende Arbeitsteilung vereinbart: Film-Line bringt den englischen Koproduktionspartner an Bord,
weil er sehr gute Sale & Lease Back-Kontakte von vorangegangenen Projekten hatte und ich den französischen Partner. Diese
beiden Länder standen von Anfang an fest. Parallel dazu hatten wir das Besetzungs-Package schon sehr früh im Kopf. Bevor ich
noch mit Ruiz verhandelt habe, war ich schon mit John Malkovich in Kontakt. Er war immer meine erste Wahl. Ich habe ihm sehr
früh Buchentwürfe geschickt und habe früh eine Option bekommen, dass er dabei ist. Das hatte die Vorteile, dass das Projekt
durch ihn eine andere Dimension und auch eine Eigendynamik bekommen hat.
Ist die Finanzierungsphase ganz glatt verlaufen?
DIETER POCHLATKO: Die Hauptproblematik war interessanterweise bei der Aquirierung des Geldes in Deutschland. Das ist sehr leicht erklärt. Vorgesehen
war, dass Österreich und Deutschland je zwei Millionen und Frankreich und Großbritannien je eine Million einbringen und dazu
noch Eurimages-Gelder kommen. Der Finanzierungsplan umfasste rund 6,6 Mio Euro Gesamtherstellungskosten. England und Frankreich
gingen einigermaßen glatt. Der Rückschlag kam aus Deutschland, da uns die FFA abgelehnt hat. Das Drehbuch war ihnen zu artifiziell,
was ich nachvollziehen kann, es war extrem schwierig zu lesen. Wir haben die meisten Zusagen nur aufgrund des Packages der
Namen bekommen bekommen. Wer Ruiz kennt, weiß, was er schreibt. Als Produzent muss ich da einfach vertrauen, sonst hätte ich
mich da gar nicht mit ihm ins Boot setzen dürfen. Gott sei Dank ist Nordrhein-Westfalen mit einem sehr beträchtlichen Förderungsbetrag
eingesprungen und daraufhin konnten wir die Degeto, die ARD-Einkaufsgesellschaft dazuholen. Es war letztlich so, dass wir
ein Monat vor Drehbeginn bis auf eine Million ausfinanziert waren. Diese Summe haben wir über einen deutschen Privatinvestor
gefunden, der privates Geld cash eingebracht hat und damit waren wir ausfinanziert. Es war ein massiver Hasard, weil ich als
federführender Produzent Malkovich zu einem Zeitpunkt verpflichten musste, wo wir finanziell noch nicht geschlossen waren
und er hatte uns ein einziges Fenster anzubieten, das war von Anfang Dezember 2004 bis Ende Jänner 2005. Wir konnten Gott
sei Dank einmal um einen Monat verschieben und haben am 3. Jänner 2005 zu drehen begonnen. Mit vielen schlaflosen Nächten.
Wie lief es bei den Dreharbeiten?
DIETER POCHLATKO: Der Dreh selbst war total friktionsfrei und extrem professionell. Keine Überziehung im Sinne von Drehtagen, keine Pannen
und eine wunderbare Motivation. Es gab ein sehr schönes Zusammenspiel zwischen den internationalen Darstellern und den österreichischen,
das wirklich großartig.
War es das größte Projekt, das Sie je verwirklicht haben?
DIETER POCHLATKO: Ja. Ich sehe es auch als Krönung meiner Laufbahn. Ich zelebriere aus diesen Gründen auch die Premiere, ich wollte Wien als
Filmstadt mit diesem Film positionieren. Jetzt ist es ja ideal, wo Hubert Sauper soeben den César gewonnen hat und der österreichische
Film so tolle internationale Erfolge feiert Oscar-Nominierung und Goldener Bär das ist unglaublich und natürlich
fein, dass sich Klimt wenn auch nicht mit überragenden Festivalerfolgen, immerhin war der Film schon in Rotterdam, so doch mit einer großen Welle
der öffentlichen Aufmerksamkeit international einfindet.
Was hat so ein Riesenprojekt für die Firma selbst im tagtäglichen Handling bedeutet?
DIETER POCHLATKO: Ein Projekt in dieser Größenordnung unter unserer Federführung hat in Wahrheit den Rahmen und die Grenzen unserer Kapazität
nicht nur erreicht, sondern auch überschritten. Das ganze Team hat ein Jahr lang eine extreme Selbstausbeutung betrieben,
das lässt sich mit Geld nicht aufwiegen. Es gibt so viele Dinge, die man auch als Produzent erst lernen muss. Ich hatte z.B.
nicht gewusst, dass John Malkovich über seine verhandelte Gage noch 13% des Anteils für die amerikanische Künstlerversicherung
bekommt. Es gab ununterbrochen Änderungen im Finanzierungsplan, ständig Anwälte, die alle aus London, Paris und München herfliegen
mussten, da Wien der zentrale Verhandlungsort war. Die wirkliche Schwierigkeit ist die Aufrechterhaltung der Liquidität und
die Vorfinanzierung dieser Projekte. Allein im Vorfeld, bevor wir Verträge mit Förderern gehabt haben, geschweige denn, dass
da Geld geflossen wäre, haben wir schon Vorkosten von 600-700.000 Euro gehabt. Während der Produktion hatten wir relativ sehr
hohe Voraus- und Zwischenfinanzierungen zu bewältigen und wir sind bis heute noch nicht aus dieser Liquiditätsschere heraußen,
weil die letzten Raten noch nicht einmal bezahlt sind, was in der Natur der Förderungsmodelle liegt. Das veranschlagte Budget
von 6,6 Mio Euro hat gehalten. Was in Österreich sehr bitter ist, Sie finden hier keine einzige Bank, die Film vorfinanziert,
obwohl man einen Vertrag hinlegen kann. Das ist ihnen zu suspekt, zu zirkusartig, zu fremd. Es ist schade und ich finde, dass
somit ein wichtiger Industriezweig in Österreich am Geldverkehrssektor absolut diskriminiert ist. Ich war gezwungen, mich
nach Deutschland zu wenden, bei der Bayrischen Hypovereinsbank in München gibt es eine Abteilung Filmfinanzierung, die wissen,
wovon ich rede. In Österreich geht nicht einmal die eigene Hausbank mit ein paar 100.000 Euro mit und das in Zukunft zu verbessern,
muss unser Ziel sein. Wir sind eine private Firma und ich hafte mit meinem gesamten privaten Vermögen, um nur einen ordentlich
großen Kontorahmen zu bekommen, den man bei solchen Projekten braucht.
Ist das Modell der internationalen Koproduktion ein Muss geworden, um als Produzent im Spiel zu bleiben?
DIETER POCHLATKO: Ich bin ein Freund der Koproduktionen, weil wir in Österreich nicht diese Größe der Budgets aufstellen können, die notwendig
sind, um einen internationalen, gut besetzten Film auf die Beine zu stellen. Ich habe immer gesagt, wir müssen hinausgehen,
nicht nur aus förderungstechnischen Gründen. Österreich hat einen zu kleinen Markt. Wenn wir Fernsehfilme produzieren, müssen
wir auch in Koproduktion gehen, weil es ja de facto keine Auftragsproduktionen mehr gibt. Da kommt einem natürlich ganz wesentlich
zugute, wie groß und wie funktionell das Netzwerk ist. Ein Projekt wie Klimt öffnet natürlich viele Türen, man ist einfach
wieder eine Stufe höher. Das ist erfreulich, weil es eine Entwicklung bedeutet, es wird nur immer gefährlicher und die Schulden
bekommen immer mehr Nullen hinten dran. Aber man schafft natürlich auch Werte. AFN: Wo ist in Wien gedreht worden? Dieter
Pochlatko: Der Film spielt fast nur innen, er ist zu dreiviertel in Wien gedreht, z.T. an Originalschauplätzen, z.T. an gemieteten
Motiven. In Nordrhein Westfalen haben wir zwei Wochen das Atelier Klimt und auch noch andere Innenmotive gefilmt. Von den
Franzosen kam der künstlerische Input, auch der Schnitt und die Komposition, gespielt hat dann das London Symphony Orchestra.
Die Engländer haben drei wirklich tolle Schauspieler eingebracht - Stephen Dillane, Saffron Burrows und Paul Hilton. Die gesamte
Sound-Postproduktion wurde in London gemacht, der Schnitt in Paris, die Laborarbeiten und Postproduktionsarbeiten, die finalisierenden
Arbeiten in München und der Dreh, Ausstattung, Kostüm kamen aus Wien.
Der Film versucht, sich nicht in ein bekanntes Genre einordnen zu lassen. Was könnte man sagen, dass es ist?
DIETER POCHLATKO: Ein surrealer Walzer, der die Zeitumstände von damals sehr schön einbezieht, der uns einen unglaublichen Bilderrausch mit
leicht surrealen Anmutungen vorführt. Es heißt im Untertitel Une fantaisie viennoise à la manière de Schnitzler. Es gibt Kunstfiguren, es lehnt sich nicht sehr authentisch an das Leben des Künstlers an. Es ist mit sehr
viel Bildphantasie und mit technisch herkömmlichen Effekten gearbeitet worden. Es gibt keine digitalen Effekte, wir haben
es sozusagen mit den letzten Verteidigern einer Generation zu tun, die an reale optische Tricks glaubt. Der Spiegel zerbricht
wirklich. Die Kamerabewegungen sind wirklich noch auf Schienen und Wägen.
Wie ist der Stand der internationalen Verkäufe?
DIETER POCHLATKO: Wir haben bis jetzt super Verkaufserfolge. Zuerst wurde in den Fernen Osten verkauft, zuallererst nach Japan, die waren ganz
wahnsinnig nach dem Film. Wir haben in Cannes 2005 mit nur einem Trailer die Verkaufspromotion begonnen und in Drittel der
Territorien weltweit damals bereits verkauft. Europa ist außer Skandinavien verkauft, USA ist noch komplett offen, das ist
spannend, weil natürlich der wichtigste Markt.
Alles in allem klingt das Projekt nach einer großen Herausforderung, die Sie in keiner Weise bereuen, die aber viel gekostet
hat.
DIETER POCHLATKO: Ich bereue gar nichts, überhaupt nichts. Es hat mich sicherlich einiges an Substanz gekostet. Es war eine Challenge, die man
sonst nicht so bald bekommt. Der Film, egal wie er jetzt im Kino geht, wird jetzt schon als Denkmal gehandelt. Es ist ein
bleibendes Werk und das habe ich mir immer gewünscht, dass man Gustav Klimt etwas Würdiges entgegen stellt. Das klingt vielleicht
pathetisch, aber es ist ernst gemeint. Mir war es ein Anliegen, dieser überragenden Künstlerpersönlichkeit keinen öden Film,
sondern eine ernsthafte künstlerischen Auseinandersetzung auf einer anderen medialen Ebene entgegenzustellen. Auf das bin
ich am meisten stolz.
Interview: Karin Schiefer
2006