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KLEINE FISCHE von Marco Antoniazzi

 

Wenn beruflich wie familiär alles zusammenbricht, kommt die große Krise oder oder es ist höchste Zeit für einen Neuanfang. Marco Antoniazzis Spielfilmdebüt Kleine Fische plädiert in leichten Tönen fürs Zweitere. Erstmals gezeigt wurde der Film beim Festival Max Ophüls Preis in Saarbrücken.


Es ist ein undankbares Erbe, das die beiden ungleichen Brüder Martin und Kurt so plötzlich übernehmen müssen. Es war ein Tag wie jeder andere – der Fischmarkt, die Lieferung, das Einladen im Kühlraum – ein plötzlicher Kollaps des Vaters und auch schon das Ende. Was er hinterlässt, sind offene Rechnungen, einen abgewirtschafteten Fischladen, eine Frau und zwei Söhne, die ihm in recht  bescheidenen Maßen nachtrauern. Kurt, der Ältere, hatte schon lange zuvor vom familiären Kleinbürgerkäfig Reißaus genommen, aus seinem Leben aber auch in der Fremde nicht wirklich etwas gemacht. Den Seinen in Wien spielt er zunächst ganz etwas anderes vor. Martin war zu Hause geblieben, hat nicht nur den Vater ertragen, auch auf seine Ausbildung verzichtet und ist entsprechend begeistert, als sich mit einem Schlag sein Bruder wieder in seinen Alltag drängt.
Marco Antoniazzi hat für seinen ersten Spielfilm Kleine Fische einen Bruderzwist in einen aktuellen sozio-ökonomischen Kontext gestellt. Die vordergründige Frage, die ihn dabei beschäftigte war, welche Möglichkeiten in wachsenden wirtschaftlichen Strukturen dem Individuum bleiben, um selbständig zu agieren. „Ich habe“, so Antoniazzi, „als Sohn eines Kleinunternehmers selbst erlebt, wie ein kleiner Betrieb in dieser Form heutzutage keine Chance mehr hat. Es ging mir um eine Geschichte über „kleine Fische“, die sich im großen Meer des globalen wirtschaftlichen Kontexts bewegen und dabei möglicherweise gefressen werden.“ Dass er dafür einen Fischhändler in den Mittelpunkt stellte, lag daran, dass bei dieser Tätigkeit wie bei kaum einer anderen, der unangenehme Geruch auch außerhalb des beruflichen Kontexts haften bleibt. „Darum,“ so der Regisseur, „geht es im Film: dass das Berufliche und Wirtschaftliche nicht vom Privaten getrennt werden kann. Alles ist miteinander verquickt.“
Michael Steinocher und Volker Schmidt verkörpern das Brüderpaar, das einander gegenseitig nur widerwillig Platz einräumt und dabei unweigerlich auch wieder näher kommt, Brigitte Kren als Mutter tariert nicht nur die fragile familiäre Balance aus, sie versteht schnell, dass sich für sie auch Neues auftut. „Die Mutter,“ so der Regisseur, „ ist die Figur, die lange und gut mit der alten Struktur gelebt hat und sich mit Veränderungen schwer tut. Es geht im Film sehr viel um Emanzipation. Jede Figur muss sich mit neuen Gegebenheiten auseinandersetzen und einen eigenen Weg finden.“ So gravierend die Änderungen sind, die über die Familie Tesarek hereinbrechen, so luftig ist der Ton, mit dem Marco Antoniazzi langsam frischen Wind in ihr etwas angestaubtes Dasein bläst.
Karin Schiefer