INTERVIEW

Josef Koschier im Gespräch über AM ANDEREN ENDE DER BRÜCKE

 

"Es ist die sehr persönliche Geschichte einer Liebe, für mich war es auch die Geschichte vom Treueschwur einer Frau, die sagt, das war mein Weg, ich war sehr jung, aber ich gehe diesen Weg konsequent zu Ende. Was an chinesischer Geschichte im Film drinnen ist, entspricht dem, was so ungefähr jeder durchgemacht hat. Der Film hat für China ganz sicherlich eine Brisanz." Produzent Josef Koschier über Am anderen Ende der Brücke

 

Wie zieht man ein derartiges Projekt an Land?

JOSEF KOSCHIER: 1997 hab ich die Autorin Wang Zhebin kennen gelernt. Sie wurde mir von Frau Wolte vorgestellt, der Frau des ehemaligen österreichischen Botschafters in Peking, die sehr engagiert im Kulturaustausch mit China ist. Die Autorin gab mir damals ein Rohdrehbuch, das mir überhaupt nicht gefiel, weil es mir zu sehr wie eine alltägliche süße Fernsehgeschichte vorkam. Ich hatte zwar ein Gefühl, an der Geschichte sei etwas dran, konnte mir jedoch nicht vorstellen, dass sie kinotauglich sein würde. Anfang 2000 bekam ich dann plötzlich einen Anruf, es gäbe jetzt ein Drehbuch, wobei der Österreichteil noch nicht ausgearbeitet war. Da erfuhr ich auch, dass die Grundlage das Leben einer Österreicherin ist, die seit 70 Jahren nun in China lebt, die in den dreißiger Jahren mit 18 ihrem chinesischen Freund nach China folgte, dort heiratete und dort blieb, obwohl sie alles andere als eine leichte Zeit durchmachte. Er war aus sehr reichem Haus, sie hat die ersten Jahre in sehr guten großbürgerlichen Verhältnissen gelebt, dann jedoch war die Familie aufgrund der politischen Wirren gezwungen, aufs Land zu ziehen und hatte es sehr schwer, umso mehr, als die Ehe mit einer Ausländerin besonders verpönt war. Diese Frau hat aber unbeirrbar zu ihrem Mann und ihrer Familie gehalten.

 

Wie entstand das Drehbuch?

JOSEF KOSCHIER: Es gab zunächst eine chinesische Version, die dann ins Englische übersetzt wurde. Wang Zhebin war seit 1997 auch Koproduzentin dieses Films, sie hat ein Rohdrehbuch gemacht und uns von Anfang an gebeten, ihr zu helfen, was den Österreichteil betrifft. Wir beschlossen dann, von der realen Figur, die heute weit über 80-jährig ungefähr 500 km nordwestlich von Shanghai lebt, aus Rücksicht auf ihre Privatsphäre etwas Abstand zu nehmen. Wir haben ihre Geschichte als Basis genommen. Am anderen Ende der Brücke ist aber eine Fiktion. Es gibt über diese Frau auch eine Dokumentation, die wurde, glaube ich, 1994 im ORF ausgestrahlt. In Grundzügen sind wir der wahren Geschichte treu geblieben, wir haben aber andere Ereignisse hineingebracht. Anfänglich bestand wirklich die Gefahr, dass es eine süßliche Liebesgeschichte wird, so Land des Lächelns Nummer 2, das ist es aber sicher nicht. Es ist die sehr persönliche Geschichte einer Liebe, die über sehr viele Jahre gegangen ist. Für mich war es auch die Geschichte vom Treueschwur einer Frau, die sagt, das war mein Weg, ich war sehr jung, aber ich gehe diesen Weg konsequent zu Ende, ich hab dort meine neue Heimat akzeptiert, meine Kinder sind hier aufgewachsen, ich bleibe da.

 

Wie kam die Kooperation schließlich zustande?

JOSEF KOSCHIER:
2000 gab es die englische Version. Beijing Forbidden City stand damals als Produktionsfirma bereits fest, da die Autorin auch gleichzeitig Produzentin war. Die suchten einen Koproduzenten. Es bot sich natürlich an, dass er aus Österreich kommt, da ja die Geschichte in Österreich ihren Ausgang nahm. In Österreich haben wahrscheinlich einige Kollegen eine Urversion gelesen, sind auch zum gleichen Schluss gekommen wie ich, sie haben genauso wenig daran geglaubt wie ich am Anfang. Ich bin nur ein bisschen ein Spieler und irgendwie fand ich den Plot gut. Wir brachten gemeinsam mit Christian Fuchs viele dramaturgische Anmerkungen und Anregungen ein. Bei meinem ersten Treffen in China wollten die sofort einen Vertrag machen. Ich war zunächst nur zu einer Absichtserklärung bereit, lernte dann die Regisseurin kennen, die ganz sachlich meinte "ich möchte die Geschichte machen, das Buch aber sicher nicht 1:1 umsetzen, sondern dazu beitragen, dass es eine ernste, sehr persönliche, große Frauengeschichte wird. Da hab ich gleich Feuer gefangen und mir gesagt "die ist" mein Mann?". Dann sicherte man mir auch zu, dass wir Lü Yüe als Kameramann kriegen könnten, der schon mit Shanghai Triad für den Oscar nominiert war und auch vom übrigen Team her sind wir bestens bedient worden. Die Cutterin, Yuan Du, hat u.a. auch Raise the Red Lantern gemacht. Nachdem ich schon in der Türkei und in Ex-Jugoslawien gedreht habe und dabei feststellen konnte, dass die Filmleute auf der ganzen Welt gleich sind – Profis sind Profis – , hatte ich überhaupt keine Bedenken, dass das nicht funktionieren würde. Das einzige Problem war das Sprachproblem und anfänglich fürchteten wir auch das Behördenproblem, aber davon haben wir überhaupt nichts mitbekommen. Von den Genehmigungen her war es sehr gut organisiert.

 

 Hatten Sie nie den Eindruck einer allgegenwärtigen Kontrolle?

JOSEF KOSCHIER: Überhaupt nicht. Wir haben in einem Gebiet gedreht, das für den Tourismus noch gesperrt war. Ich hab mich in den Dörfern frei bewegt und hatte nie den Eindruck, dass man sich uns gegenüber feindlich verhielt. Wir waren überall sehr willkommen. Das hat auch nichts mit Imagearbeit gegenüber dem Westen zu tun, das wird, denke ich, von uns zu unrecht behauptet. Ich glaube, es ist so eine Grundeinstellung dem Fremden gegenüber. Die Gastfreundschaft hat in diesem Land eine jahrtausendealte Tradition. Wir erlebten sehr schöne Momente am Land mit sehr einfachen Menschen, fühlten uns willkommen und bekamen keinerlei Ablehnung zu spüren.

 

 Wie wurde die Sprachbarriere überwunden?

JOSEF KOSCHIER: Einerseits hatte ich Frau Wolte, die sehr gut Chinesisch spricht, die dort eine Art Supervisor-funktion hatte, die zweite Regieassistentin sprach sehr gut Englisch und dann hatten wir noch eine Germanistik-Studentin, die ein fabelhaftes Deutsch sprach, eine Assistentin, die die Schauspielerinnen betreute, der Kameramann hat mehrmals in Europa gearbeitet und einige im Team sprachen noch Englisch. Gedreht wurde in Englisch und Chinesisch, Englisch sprachen Wang Zhiweng, der männliche Hauptdarsteller, und Nina Proll. Die anderen Schauspieler haben kein Englisch gesprochen, am ehesten noch die Kinder.

 

Wie ging das Buch mit der Darstellung der politischen Umbrüche um?

JOSEF KOSCHIER: Das Buch gab es auf Englisch und Chinesisch. Eine Eigenart der Chinesen ist es auch, dass bei ihnen das Drehbuch nie fertig ist, die Schauspieler kommen, es wird über jede Szene mit einem Engagement diskutiert als würde jeder selber den Film produzieren. Die tragischste Zeit für die Chinesen war natürlich die Kulturrevolution. Da gab es in den Familien Täter, aber noch viel mehr Opfer. Da hat jeder seine eigene Geschichte eingebracht, wie er diese Zeit erlebt hat. Manche wollten das ganz scharf zeigen. Das, was jetzt im Film drinnen ist, entspricht dem, was so ungefähr jeder durchgemacht hat, ich glaube, das schlägt einem schon auf den Magen, das waren immerhin elf Jahre der chinesischen Geschichte. Der Film hat für China ganz sicherlich eine Brisanz.

 

 Gab es abgesehen vom Sprachproblem keine gröberen Hindernisse?

JOSEF KOSCHIER: Das Sprachproblem war das Hauptproblem, ein zweites Problem war die Vertragsunterzeichnung. Wir haben einen Vorvertrag unterzeichnet, wo wir die Basis gelegt haben. Wir vereinbarten, dass jeder Partner die gesamten Dreharbeiten im jeweiligen Land trägt, mit Ausnahme der Schauspieler und Stabmitglieder, die ins andere Land geschickt wurden. Das war eine sehr kluge Entscheidung, dadurch ist überhaupt kein Geldfluss zwischen den Ländern entstanden, es war für beide Seiten sehr praktikabel. Das Einzige, worum ich gekämpft habe, war ein Passus im echten Vertrag, wo wir eine Woche zu dritt verhandelten. Da gab es einen Kernpunkt, der sagte, dass der Film erst nach dem Stempel der Zensurbehörde an den Partner weiter gegeben werden darf, dagegen hab ich mich eine Woche lang verbissen gewehrt und war auch bereit, das Projekt platzen zu lassen. Nach zähem Verhandeln wurden sämtliche Passagen aus dem Vertrag gestrichen, was sich im nachhinein als nutzlos erwiesen hat, denn das große Problem war jetzt, als sich das Filmbüro, die Behörde für Radio, Film und Fernsehen, gegen die Teilnahme am Wettbewerb in Montréal aussprach, was in letzter Minute noch abgewendet werden konnte.

 

Wird in den chinesischen Kinos dieselbe Version zu sehen sein wie bei uns?

JOSEF KOSCHIER: Es wird zwar in China eine etwas andere Version laufen. Grund dafür ist aber auch, dass die Chinesen sehr viel mit Symbolen arbeiten und in kleinen Andeutungen verstehen, was für uns Europäer nicht zu entschlüsseln wäre, da muss demonstrativer darauf hingewiesen werden. Wir haben im Film große Zeitsprünge von 10 bis 15 Jahre drinnen, als zweite Erzählebene haben wir Susi Nicolette, die als alte Fanny der Enkelin ihrer Freundin ihr Leben erzählt und auch überleitende Texte spricht. Wir haben mit knappen, prägnanten Erläuterungen Situationen kurz dargestellt, das müssen die Chinesen nicht machen. Der ganze Film ist deutsch synchronisiert. Dort, wo man die chinesischen Worte aus dem Zusammenhang heraus erraten kann, haben wir die Passagen in Chinesisch belassen, um das Lokalkolorit zu erhalten. In der Version für China bleibt zu Beginn des Films Englisch mit chinesischen Untertiteln, erst in einer späteren Phase, wenn Fanny sich bereits eingelebt hat, wird sie von einer chinesischen Schauspielerin synchronisiert.

 

Wie lange dauerten die Dreharbeiten?

JOSEF KOSCHIER: Gedreht haben wir vom 26. August bis 9. November, in China bis ungefähr 10. Oktober, dann war eine gute Woche Übersiedlung nach Wien, hier wurde alles bis auf einen Drehtag gedreht, weil wir Schneeszenen brauchten. Dafür mussten wir auf den Untersberg auf über 2000 Meter, weil es in Wien so warm war. Wir mussten im November einen Eislaufplatz herstellen und hatten Außentemperaturen von 22 bis 26 Grad. Das war eine Riesenherausforderung.

 

Gehören internationale Koproduktionen zur Firmenstrategie der SK Film?

JOSEF KOSCHIER: Das ist bei mir eine Ernährungsfrage. Meine Firmenstrategie würde ich so beschreiben, ich mache prinzipiell nur Filme, wo ich glaube, dass ich Zuschauer kriege oder dass ich sie verkaufen kann. Ich lebe tatsächlich vom Verkauf ins Ausland und bin immer wieder gezwungen, mir Nischen zu suchen. Ich suche immer den dritten Weg, was nicht Feigheit heißen soll, sondern eher Abenteuerlust. Ich spreche eine Reihe von Sprachen und die Zusammenarbeit mit Leuten aus anderen Ländern und Kulturkreisen fasziniert mich. Film ist auch mein Hobby, ich hab einmal Jus studiert und bin gottseidank kein schlechter Anwalt geworden. Es macht mir einen Heidenspaß und ich lebe mit meinen Filmen mit, engagiere mich sehr für meine Projekte und sehe mich da als eine Art Einzelkämpfer. Ich hab aber auch das Glück, dass ich sehr schöne Sachen machen durfte. Letztes Jahr hab ich zwei internationale Fernsehsachen gemacht Brief einer Unbekannten von Stefan Zweig mit Jacques Deray als Regisseur und Irène Jacob als Hauptdarstellerin, dann Fräulein Else mit Deutschen und Franzosen und schließlich Am anderen Ende der Brücke. Das ist für eine kleine Firma ganz schön viel. Ich mache auch sicher wieder etwas mit China. Es gibt schon eine Art Vorvertrag mit einem Studio in Shanghai, da wird das Drehbuch noch entwickelt. Und die Regisseurin von Am anderen Ende der Brücke plant auch einen Spielfilm und eine Fernsehserie, die einen Österreichbezug hat und hat mich auch schon angesprochen.
 

Wie lange dauerten die Dreharbeiten?

JOSEF KOSCHIER: Gedreht haben wir vom 26. August bis 9. November, in China bis ungefähr 10. Oktober, dann war eine gute Woche Übersiedlung nach Wien, hier wurde alles bis auf einen Drehtag gedreht, weil wir Schneeszenen brauchten. Dafür mussten wir auf den Untersberg auf über 2000 Meter, weil es in Wien so warm war. Wir mussten im November einen Eislaufplatz herstellen und hatten Außentemperaturen von 22 bis 26 Grad. Das war eine Riesenherausforderung.

 

Gehören internationale Koproduktionen zur Firmenstrategie der SK Film?

JOSEF KOSCHIER:   as ist bei mir eine Ernährungsfrage. Meine Firmenstrategie würde ich so beschreiben, ich mache prinzipiell nur Filme, wo ich glaube, dass ich Zuschauer kriege oder dass ich sie verkaufen kann. Ich lebe tatsächlich vom Verkauf ins Ausland und bin immer wieder gezwungen, mir Nischen zu suchen. Ich suche immer den dritten Weg, was nicht Feigheit heißen soll, sondern eher Abenteuerlust. Ich spreche eine Reihe von Sprachen und die Zusammenarbeit mit Leuten aus anderen Ländern und Kulturkreisen fasziniert mich. Film ist auch mein Hobby, ich hab einmal Jus studiert und bin gottseidank kein schlechter Anwalt geworden. Es macht mir einen Heidenspaß und ich lebe mit meinen Filmen mit, engagiere mich sehr für meine Projekte und sehe mich da als eine Art Einzelkämpfer. Ich hab aber auch das Glück, dass ich sehr schöne Sachen machen durfte. Letztes Jahr hab ich zwei internationale Fernsehsachen gemacht Brief einer Unbekannten von Stefan Zweig mit Jacques Deray als Regisseur und Irène Jacob als Hauptdarstellerin, dann Fräulein Else mit Deutschen und Franzosen und schließlich Am anderen Ende der Brücke. Das ist für eine kleine Firma ganz schön viel. Ich mache auch sicher wieder etwas mit China. Es gibt schon eine Art Vorvertrag mit einem Studio in Shanghai, da wird das Drehbuch noch entwickelt. Und die Regisseurin von Am anderen Ende der Brücke plant auch einen Spielfilm und eine Fernsehserie, die einen Österreichbezug hat und hat mich auch schon angesprochen.

 

Interview: Karin Schiefer (2002)