Revanche verspricht das spannende Konstrukt einer Rache. Doch Götz Spielmann hat für seinen neuen Spielfilm die Fäden zwischen Jäger
und Gejagtem so ineinander verspannt, dass das subtile Kräftegefüge jederzeit beliebig kippen könnte. Ein ungewollter Mord
und seine mögliche Sühne dienen dem Filmemacher einmal mehr nur als äußere Hülle einer filmischen Erzählung, die versucht,
sich an die tieferen Schichten des Seins heranzutasten. In der Rolle des Alex stand Johannes Krisch bis Ende Oktober vor der
Kamera. Die Fertigstellung von Revanche ist im Frühjahr 2008 zu erwarten.
Wir machen noch eine. Der kurze Satz am Ende einer gedrehten Sequenz fällt heute besonders oft. Es ist die siebte
oder achte, vielleicht aber auch schon die zehnte Klappe, die gleich fallen wird. Zwischen den Schauspielern läuft alles wie
am Schnürchen, intensive Proben vor Drehbeginn haben längst die richtige Chemie zwischen den Figuren hergestellt und sie zu
Komplizen am Set gemacht. Doch da ist noch ein Blick, eine Pause, ein Lächeln, das Anzünden einer Zigarette, das Öffnen eines
Taschenzipps alles Teil einer exakten Choreografie, die sich Take für Take in ihrer Präzision erst richtig einspielen
muss. Und Regisseur Götz Spielmann gibt sich erst dann zufrieden, wenn alles auf dem Punkt ist. Im konkreten Fall kein Glück
für Hauptdarsteller Johannes Krisch, dass gerade diese Szene so viele Wiederholungen fordert, denn es ist eine Szene, in der
er mehr als nur eine Ohrfeige von seiner Freundin Tamara abbekommt. Nicht gerade zu unrecht, hat er ihr doch soeben
von hinten angeschlichen eine Pistole vors Gesicht gehalten. Ungeladen und bloß zum Scherz.
Am Drehort für die Szenen in Alex Wohnung scheinen Außen und Innen im perfekten Einklang zu sein - ein aufgelassenes
Wohnhaus wenige Wochen vor Abriss in einem scheinbaren Niemandsland zwischen dem Wiener Gürtel und Verschubgleisen der ÖBB.
Die verwahrloste Schäbigkeit der Wohnung spiegelt auch Alex Dasein wider, das nach Veränderung ruft. Es schwebt ihm
schon ein Ausstiegsplan mit Tamara vor, aber noch arbeiten sie beide in Konecnys Bordell er als Mädchen für alles,
sie nur für das eine und würden sich gerne von ihrem Chef und von ihren Schulden befreien. Götz Spielmann hat einen
Teil von Revanche wie auch schon sein jüngstes in Linz uraufgeführtes Theaterstück Imperium ins Rotlichtmilieu verlegt, nicht zuletzt deshalb,
weil er darin einen verdichteten Abriss unserer Gesellschaft sieht. Es geht in diesem Milieu, so der Filmemacher,
nur um den Profit, dem unglaublich viel untergeordnet wird, alles geschieht aus Gier und Not und es wird ununterbrochen
daran gearbeitet, so zu tun, als ginge es um Erotik und Schönheit.
Alex beschließt letztlich, mit einem Banküberfall zum Befreiungsschlag anzusetzen und löst dabei eine Kette fataler Zufälle
aus. Schuld stand als zentrales Thema am Beginn des Drehbuchs, das Spielmann trotz der linearen Handlung zu einem changierenden
Perspektivenspiel zwischen Opfer und Täter, Jäger und Gejagtem entwickelt hat. Revanche, erläutert Spielmann, ist insofern eine klare Fortsetzung von Antares, als auch in dieser Geschichte klar wird, dass die Figuren nur Ausschnitte der Wirklichkeit wahrnehmen können.
Neben Johannes Krisch ist Irina Potapenko, in der Rolle er Tamara zu sehen. Die 21-jährige Berlinerin mit russischen Wurzeln
legt nicht nur den perfekt eingefärbten Akzent an den Tag, die Schauspielerin, die mit 15 bereits erstmals auf Castorfs Volksbühne
stand, erwies sich nach ausgiebiger Suche als ideale Kandidatin, sich der heiklen Herausforderung an diese Rolle zu stellen.
Auch wenn der Titel einen Racheplan in den Raum stellt, so kommt dem Suspense nicht die Bedeutung zu, die man vermuten könnte.
Jeder Film, so Spielmann, braucht eine Oberfläche, eine erste Schicht, die stimmen muss, aber die Geschichte
ist nicht der Zweck, sondern nur Mittel dazu, von einer Art Stille hinter den Dingen zu erzählen. Das ist das Doppelspiel
beim Filmemachen und für mich auch das Spannende und Riskante an diesem Projekt. Revanche so zu erzählen, dass es ein möglichst spannender und unterhaltsamer Film ist, wäre eine leichte Übung. Es geht mir aber um
eine Langsamkeit, darum, einen Thriller in einem gegenläufigen Tempo zu erzählen. Ich will nicht, dass der Zuschauer 90 Minuten
lang die Zeit vergisst, ich will, dass er sich der Zeit bewusst wird.
Karin Schiefer
2007