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DER ÜBERFALL von Florian Flicker

 

Florian Flickers dritter Langflim Der Überfall, klingt nach Action-Krimi, entpuppt sich aber rasch als subtile Übung im Minimalismus, ein bitter-ironisches Drei-Herren-Stück über lächerliche Spielchen um Macht und Eitelkeit.

 

Der Räuber, der Schneider und der Kunde lautet die simple Konstellation des im Laufe eines Winternachmittags immer komplexer werdenden Konstrukts. Da ist Andreas, Anfang 30, arbeitslos, ohne eigenes Heim, getrennt von Frau und Kind, der wenigstens eines will – am Geburtstag seines Sohnes die 10.000 Schilling Schulden gegenüber seiner Frau loswerden. Ein Revolver, die Dienstwaffe seines Schwagers, liegt zu Hause im Kasten. Es bräuchte nur ein bisschen Mut und gute Nerven. Doch anstatt kaltschnäuzig eine Bank oder einen Supermarkt um einen Tagesumsatz zu erleichtern, betritt er aus einem Reflex heraus ein mickriges Schneideratelier und versucht nach kurzem Zögern dort sein Glück. Eine äußerst schlechte Wahl. Denn dort trifft er auf den grantigen, bankrotten Schneidermeister Böckel (Joachim Bissmeier) und seinen Kunden Kopper (Josef Hader), Hypochonder und Frühpensionist, der immer noch unter der unfehlbaren Obhut seiner Mutter lebt. Drei Männer in der Falle Mit dem raschen Cash wird's also nichts. Den scheint der liebenswerte Gangster auch immer wieder aus den Augen zu verlieren, denn die Stunden, die folgen, erzählen nicht von der Psychohölle einer Geiselnahme, sondern zeichnen die pointierte Studie einer Dreiecksgeschichte, in der sich Solidaritäts- und Machtverhältnisse pausenlos verschieben, Gleichgewichte ständig aus dem Lot geraten und unter dünnen Oberflächen jede Menge Verletzlichkeiten zu Tage treten.

"Es war da zunächst die Idee," resümiert Florian Flicker, "so schräge, einsame und seltsame Männer aufeinanderprallen zu lassen, die jeder für sich eine Tragödie darstellen. Und da diese drei Tragödien aufeinandertreffen, passiert eine vierte. Je länger der Nachmittag dauert, umso instinktiver, umso irrationaler handeln die drei." Nach dem Tempo und der Rastlosigkeit im letzten Spielfilmerfolg Suzie Washington, der von einer illegal nach Österreich gelangten Georgierin auf der Suche nach einer neuen Identität erzählt, stellt sich Florian Flicker diesmal der Immobilität und dem geschlossenen Raum. Ein Exkurs in Männerwelten stand als Leitidee am Anfang der Geschichte, ebenso der Wunsch nach einer konzentrierten Arbeit mit den Schauspielern. Das Kammerspiel als Genre drängte sich nahezu auf.

"Das Schwierige daran", so Florian Flicker, "ist die Tatsache, dass man kein Element von außen hat, das die Geschichte beeinflussen kann und man die Geschichte aus ihren Charakteren heraus entwickeln muss." Daher entschied er sich schließlich auch für die Zusammenarbeit mit Susanne Freund, die nach mehreren Drehbuchversionen als Ko-Autorin dazustieß. "Es besteht sonst die Gefahr", so Flicker weiter, "dass man sich mit seinen Figuren im Kreis dreht, man braucht dann jemanden, der einen wieder rausholt". Kammerspiel in Cinemascope Um der Geschichte von Beginn an das Theaterhafte zu nehmen, drehte er mit vielen verschiedenen Einstellungen, was die statische Situation mit einem entsprechenden Rhythmus ausstattete. Das Cinemascope-Format erlaubte darüberhinaus, den Raum besser zur Geltung zu bringen und auch zwei Personen großzügig in Nahaufnahme zu zeigen. Die Sprache der drei ist grundlegend verschieden - Andreas- slanghaftes, saloppes Wienerisch hat nichts gemein mit der gutbürgerlichen Sprachfärbung Koppers, Böckel lässt trotz Jahrzehnten, die er schon in Wien lebt, keinen Zweifel darüber offen, dass er deutscher Herkunft ist.

Den Figuren ein sprachliches Zuhause geben, das bereits einen Teil ihrer Vorgeschichte verrät und ihnen Authentizität verleiht, war nicht nur Anliegen des Regisseurs und Autors. Auch Darsteller Roland Düringer, einer von Flickers Favoriten für den Part des Räubers, war nur bereit die Rolle zu übernehmen, wenn es ihm frei stand, die Sprache zu verwenden, die ihm für die Figur des Andreas authentisch schien, auch ohne Rücksicht auf eine mögliche Unverständlichkeit jenseits der österreichischen Grenzen. So liebevoll, so hilflos, so machtbesessen Roland Düringer und Josef Hader, zwei Darsteller, die beide ihre künstlerischen Wurzeln in der österreichischen Kabarettszene schlugen, galten als die beiden Wunschkandidaten Flickers, der sich um Hader schon für Suzie Washington bemüht hatte. Um einen der beiden Akteure plante er ursprünglich ein entsprechendes Trio zu besetzen. Doch zu seiner Überraschung kam der Zuschlag von beiden.

Eine erste Leseprobe mit Joachim Bissmeier, zu einem Zeitpunkt, als diese Dreierbesetzung noch keineswegs feststand, gab schließlich den Ausschlag: "Es war da gleich eine Chemie da", erinnert sich der Regisseur, "so sehr sie sich auch fremd waren und aus unterschiedlichen beruflichen Ecken kamen". Diskussionen zu viert gab es dennoch unzählige, stundenlange, oft auf Kosten der Geduld des wartenden Teams – "aber", so Florian Flicker, "gerade bei einer so schauspielerintensiven Geschichte, war es mir wichtig, dass die Schauspieler von dem Satz, den sie gerade sprechen, überzeugt sind." Die chronologischen Dreharbeiten im Studio verstärkten die intensive Auseinandersetzung zwischen Schauspielern und Regisseur, der auf sechs Wochen Dreharbeiten ohne eine einzige Einstellung, die ihm eine kleine Verschnaufpause gegönnt hätte, zurückblickt. "Glauben Sie mir macht das Spass, ich will eh wieder alles rückgängig machen." ruft Andreas aus Verzweiflung über sein erfolgloses Tun aus und bringt die ganze Absurdität dieses Nachmittags auf den Punkt. Zu zeigen, wie weit ein Charakter unlogische Handlungen vollziehen darf und trotzdem noch glaubwürdig bleibt, war eine der Herausforderungen, die Florian Flicker in Der Überfall gemeinsam mit seinem Schauspielertrio zu lösen suchte und bravourös reüssierte. "Was mir an dem Film so gut gefällt", so Flicker, "ist, dass sie sich Dinge erzählen, die sie noch nie jemanden erzählt haben, dass die so persönlich und auch uneitel miteinander werden. Männer können in der Tat so sein, so liebevoll, so krank, so hilflos und so machtbesessen. Das eigentliche Thema für mich heißt: Männer unter sich. Das ist auch das Drama".

 

Karin Schiefer