«Babooska schaut viel reifer und älter aus, als sie ist. Es hat uns an ihr fasziniert, wie man in diesem Alter schon dermaßen
abgebrüht und illusionslos sein kann. Wir sind zehn Jahre älter als sie und hatten viel mehr Illusionen als sie. Man muss
sich vorstellen, sie ist nie von der Familie weggekommen, sie hat mit 13 eine Beziehung begonnen, lebt also jetzt schon in
einer "alten" Beziehung und erwartet sich nichts mehr vom Leben. Sie macht sich keinerlei Hoffnungen, dass irgendetwas besser
wird und das machte sie für uns als jungen Menschen so interessant.» Ein Gespräch mit Tizza Covi und Rainer Frimmel über ihr
zweites Langfilmprojekt Babooska, das demnächst im Berliner Internationalen Forum des jungen Films seine internationale Premiere hat.
Wie tauchte Zirkus als Thema auf?
RAINER FRIMMEL: Ich war schon immer von diesem Milieu fasziniert. Wenn einmal ein großer Zirkus in Wien war und ich hingehen durfte, dann
war das für mich als Kind natürlich sehr aufregend - das ganze Spektakel, aber auch die Gestalten, die sich dort herumgetrieben
haben.
TIZZA COVI: Ich kannte zuvor weder die großen noch die kleinen Zirkusse, und hatte auch kein besonderes Interesse dafür. 1994 bin ich
nach der Grafischen Lehranstalt, die wir beide absolviert haben, für drei Jahre nach Rom gegangen. Ich bin dann durchs Fotografieren
in einen Wanderzirkus hineingeraten und war fasziniert. Die Leute dort haben keinerlei Anspruch, große Künstler zu sein oder
etwas perfekt zu können. Es genügt ihnen auch, nur zwei Gläser auf die Nase zu stellen. Was mich vor allem angesprochen hat,
war, dass ich zum ersten Mal den tristen Aspekt des Zirkuslebens gesehen habe. Sie hatten schlechte Stellplätze in den Vorstädten,
es war immer matschig und die Stimmung deprimierend.
Wie habt ihr Zugang in diese geschlossene Welt gefunden?
TIZZA COVI: Wir, die Sesshaften, werden von den Zirkusleuten als Gadschis bezeichnet. Sie sprechen einen eigenen Zirkusjargon und es
gibt innerhalb dieses Milieus auch eine sehr genaue Hierarchie. Die Mutter von Babooska z.B. war eine Sesshafte, eine sogenannte
ferma, das ist die Bezeichnung für jemanden, der von außerhalb zum Zirkus gekommen ist und jetzt dort lebt. Babooska ist eine
birda, eine, die zwar in die Zirkuswelt geboren wurde, aber deren Mutter früher sesshaft war. Die Zirkusleute selbst nennen
sich dritti. Und die unterste Schicht sind wir, die Gadschis. Für die Leute, die das Wanderleben betreiben, sind wir Sesshaften
eher Zielscheibe von Spott und Häme und wir werden in der Regel für nicht ganz voll genommen. In Babooskas Familie hat sich
diese Einstellung relativiert, eben dadurch, dass die Mutter selbst einmal sesshaft war.
RAINER FRIMMEL: Es hat auch einige Jahre und viele Besuche bei der Familie Gerardi gedauert, bis wir eine Vertrauensbasis geschaffen haben,
die es uns erlaubt hat, daran zu denken, einen Film über Babooska zu machen.
Was hat euch an Babooska im Besonderen beeindruckt?
TIZZA COVI: Babooska schaut viel reifer und älter aus, als sie ist. Es hat uns an ihr fasziniert, wie man in diesem Alter schon dermaßen
abgebrüht und illusionslos sein kann. Wir sind zehn Jahre älter als sie und hatten viel mehr Illusionen als sie. Man muss
sich vorstellen, sie ist nie von der Familie weggekommen, sie hat mit 13 eine Beziehung begonnen, lebt also jetzt schon in
einer "alten" Beziehung und erwartet sich nichts mehr vom Leben. Sie macht sich keinerlei Hoffnungen, dass irgendetwas besser
wird. Das ist aber die Voraussetzung, die einen in den nächsten Tag bringt, die einen vorwärts bringt. Das fehlt bei ihr absolut
und das macht sie für mich als jungen Menschen so interessant.
RAINER FRIMMEL: Sie ist auch repräsentativ für eine Generation, die in den Vorstädten aufwuchs und keine Aussicht auf positive Veränderung
ihrer Verhältnisse hat.
Ist bei Babooska so etwas wie ein Wunsch nach einer anderen Lebensform spürbar?
TIZZA COVI: Bei Babooska und ihrer Generation ist eigentlich kein direkter Wunsch nach Aufbrechen oder Ausbrechen aus ihrem Milieu festzustellen.
Das hat auch mit ihrer Schulbildung und mit ihren Lebensumständen zu tun. Sie haben alle nur Pflichtschule, die in Italien
bis zum 14. Lebensjahr dauert. Sie sind jede Woche in einer anderen Schulklasse, die Ausbildung geht also nicht sehr in die
Tiefe. Das ewige Herumreisen und Wohnen im Wohnwagen bedingt auch, dass man im Grunde nur diese Arbeit machen kann. Wenn Babooska
heute sagt, sie möchte einen anderen Job, dann müsste sie sich zuerst von diesem Wohnwagenleben lösen und eine Wohnung und
eine Arbeit finden. Das wäre eine enorme Aufgabe, auch weil heute in Italien eine sehr hohe Arbeitslosigkeit herrscht.
RAINER FRIMMEL: Meistens gelingt der Schritt aus dem Zirkusmilieu, wenn man jemanden kennen lernt und sozusagen hinaus heiratet, so wie es
Babooskas Schwester macht. Das trifft innerhalb des Milieus eher auf Unverständnis, weil es ja ein Verrat an der Lebensweise
ist. Diese Leute sind unglaubliche Familienmenschen und es fehlt Babooska der letzte Mut, die Familie zu verlassen. Sie müsste
ihre kleine Schwester zurücklassen, um die sie sich wie eine Mutter kümmert, weil die echten Eltern diesen Part nicht wirklich
übernehmen.
Wie lange stehen die Zirkusleute auf der Bühne?
RAINER FRIMMEL: Viele beginnen mit sechs Jahren, kleine Nummern zu machen. Mit zehn, spätestens 13, 14 studieren sie die Nummer ein, die sie
dann ein Leben lang begleitet. Die üben sie dann solange aus, bis sie es körperlich nicht mehr schaffen. Das kann bei einer
Kontorsionistin mit vierzig sein oder bei jemandem, der eine einfache Nummer macht, kann das bis ins hohe Alter gehen.
TIZZA COVI: Auch wenn man nicht mehr fähig ist aufzutreten, ist man natürlich eingebunden Popcorn verkaufen, Eintrittskarten verkaufen.
Es gibt immer etwas zu tun. Der Zirkus ist ja auch eine Altersversorgung. Da niemand sozialversichert ist, bleiben sie auch
so lange beim Zirkus, bis sie nichts mehr tun können. Nur in ganz seltenen Fällen, wenn keine Familie da ist, werden sie abgeschoben,
es gibt sogar ein eigenes Altersheim für ehemalige Zirkusartisten. Das wollten wir auch ursprünglich in unseren Film einbauen,
wir haben uns dann aber nur auf Babooska konzentriert.
War diese anachronistische Lebensweise ein Grund sie in einem Film zu thematisieren?
RAINER FRIMMEL: Ja, als eine Lebensform an den Rändern, eine Lebensform, die im Verschwinden begriffen ist. Man sieht es auch im Film, dass
dieses Nomadentum keine Zukunft hat, weil einfach das Interesse für den Zirkus zu gering ist. Ein Grund dafür ist auch die
Überalterung der Gesellschaft. Das ist gerade in Ligurien, wo wir auch herumgefahren sind und gedreht haben, der Fall. Das
ist demografisch gesehen das älteste Gebiet von Italien und damit letztlich von Europa, da Italien zu den ältesten Gesellschaften
in Europa zählt.
TIZZA COVI: Der Ansporn für mich, diesen Film zu machen, lag auch darin, dass das Thema Zirkus für mich immer nur mit denselben Klischees
besetzt war. Als ich den Zirkus dann aber so spät für mich entdeckt habe, öffnete sich mir eine Welt, die auf einmal ganz
anders als erwartet war. Es hat mich sehr interessiert, das von einer ganz anderen Seite zu zeigen. Wir haben in unseren Arbeiten
eine besondere Vorliebe fürs Alltägliche und finden im Alltäglichen sehr außerordentliche Dinge. Wie fiel schließlich der
Entschluss, auf die Familie von Babooska zu fokussieren?
RAINER FRIMMEL: Es hat eine ausführliche Recherche gegeben. Wir haben Babooskas Familie immer wieder besucht, hatten ursprünglich aber geplant,
mehrere Familien in dem Film zu zeigen, auch das Altersheim z.B., um ein breiteres Bild von diesem Milieu zu schaffen. Babooskas
Familie war unsere Anwesenheit gewohnt und sie hatten akzeptiert, dass wir von außen kommen. Das war bei den anderen Familien
viel schwieriger, auch wenn sehr interessante Personen dabei gewesen sind. Es ist eine spannende Gesellschaft, eine sehr spannende
Welt. Natürlich hat es auch ganz spektakuläre Nummern gegeben, aber es wäre zu journalistisch geworden, wenn wir von allem
ein wenig gebracht und versucht hätten, alle Erwartungen zu erfüllen.
TIZZA COVI: Beim Drehen hat sich außerdem gezeigt, dass die meisten Menschen, die von Berufs wegen auf der Bühne stehen, sich dann auch
vor der Kamera entsprechend präsentieren oder produzieren wollen. Babooska und ihre Familie waren die einzigen, denen die
Anwesenheit der Kamera ganz egal war, die von der Kamera unbeeinflusst ihren Dingen nachgegangen sind.
Wie sah das Konzept aus?
RAINER FRIMMEL: Das ursprüngliche Konzept war breiter angelegt, wir haben uns dann aber nur auf diese eine Familie konzentriert. Hinsichtlich
der Kamera war das Konzept das, möglichst wenig zu intervenieren, Interviews waren von vornherein keine geplant. Wir wollten
in den Situationen dabei sein, die wir für Babooskas Lebensweise als wesentlich empfunden haben. Das ständige Einräumen und
Ausräumen von Haushaltssachen oder den Setzkästen, das waren für uns Schlüsselszenen, durch die wir das permanente Reisen
thematisieren wollten, das waren Szenen, wo wir genau wussten, dass wir sie filmen würden.
TIZZA COVI: Wichtig war, dass wir nur zu zweit waren und möglichst wenig Aufwand getrieben haben, nur so konnten wir uns gut integrieren.
Nur Originalton, sehr bedachte und dezente Handkamera, weil es auch aufgrund der Enge der Räume sehr aufwändig gewesen wäre,
ein Stativ aufzustellen. Und es gab durch den Ablauf eines Jahres und durch die Jahreszeiten eine klare zeitliche Vorgabe.
Wir hatten eigentlich relativ wenig Material gedreht, ca. 65 Rollen. Anfangs hatten wir geplant, sechs Monate zu drehen, wir
haben dann beim 20. Geburtstag Babooskas gefilmt und so ist dann die Idee entstanden, dass wir ein Jahr lang drehen, bis sie
ihren 21. Geburtstag feiert.
War das Archivmaterial vom Kindergeburtstag ausschlaggebend für den erzählerischen Rahmen?
TIZZA COVI: Nein, weil wir dieses Material erst am Schluss der Dreharbeiten bekommen haben. Die Gerardis haben immer bei Geburtstagsfeiern
und zu Weihnachten mit der Videokamera gefilmt. Die Szene, die wir in unserem Film zeigen, war eine der wenigen, die verwendbar
war, weil mehr als die Hälfte des Videomaterials aufgrund der schlechten Haltbarkeit von Video bereits vernichtet war.
RAINER FRIMMEL: Die Geburtstagsszenen, die den Anfang und das Ende unseres Filmes markieren, waren geplant gewesen, ohne dass wir dieses
Video zuvor gekannt hatten. Als wir die Videokassetten durchschauten, waren wir natürlich gerührt, dass man Babooskas Persönlichkeit
und ihre Rolle innerhalb der Familie in dieser kurzen Szene schon so gut erkennen kann. Deswegen haben wir uns entschieden,
diese Szene am Ende von unserem Film zu zeigen.
In welchen Zeitabständen und wohin habt ihr die Familie begleitet?
TIZZA COVI: Wir sind von Rom immer weiter Richtung Norden gezogen, von Latium nach Umbrien, dann waren wir auch in den Marken, in der
Toskana und in Ligurien, das war die letzte Station. Wir waren sechs Mal zu Drehblöcken von jeweils ca. einem Monat bei ihnen.
Anfangs haben wir noch im Hotel gewohnt, das hat aber in Bezug auf unsere Absichten überhaupt nicht funktioniert. Das große
Vertrauen, um ganz frei arbeiten zu können, entstand erst in dem Moment, als wir unter den gleichen schlechten Bedingungen
gelebt haben wie sie. Das heißt im Wohnwagen teilweise ohne Wasser, teilweise ohne Strom zu leben, und im Winter mit einer
ganz schlechten Heizung auszukommen. Dann waren wir nicht mehr ganz so sehr die Gadschis.
RAINER FRIMMEL: Wenn wir mit ihnen in die Dorfcafés gingen, dann fühlten wir uns auch anders und wir konnten verstehen, dass man sich als
Nomade nicht vorstellen kann, das Leben von Menschen zu führen, die ein Leben lang in dem selben Cafe in irgendeinem tristen
Ort sitzen und über die Nachbarn reden. Es ist ein anderes Leben, im Wohnwagen hat man zwar nicht viele Möglichkeiten und
man steht wortwörtlich am Rande der Gesellschaft da, aber solange sich niemand gestört fühlt, wird man akzeptiert und in den
Bars, da ist man als einer vom Zirkus immer willkommen, da wurden wir immer neugierig erwartet.
Warum dreht ihr auf Film?
RAINER FRIMMEL: Erstens war uns klar, dass wir sehr viel in Wohnwägen drehen würden, wo wenig Licht vorhanden ist. Wir setzen kein zusätzliches
Licht und müssen daher sehr viel mit offener Blende drehen, dafür ist Film als Medium ziemlich unerreicht. Wir wussten, dass
wir am Schneidetisch schneiden und lange Sequenzen verwenden würden. Wir probieren beim Schnitt nicht viel aus, der wird zuvor
in der Theorie besprochen und dann ausgeführt. Es gibt dokumentarische Filme, bei denen sich Video als Medium anbietet, für
Babooska hat sich Film als Medium ganz klar angeboten. Wenn man gute Videoaufnahmen machen möchte, die an die Qualität eines
Filmbildes herankommen sollen, dann braucht man viel Licht und man muss relativ viel Aufwand betreiben. In unserem Fall war
auf Film zu drehen letztlich weniger aufwändig und da wir keine Interviews gemacht haben, war es auch nicht notwendig, eine
halbe Stunde oder länger durchfilmen zu können.
Wie war es für euch als "Eindringlinge" mit der Nähe umzugehen?
RAINER FRIMMEL: Es war schwierig. Man muss dazu sagen, Tizza war ein absoluter Seelenpuffer. Die inneren Spannungen in der Familie sind sehr
groß, Tizza war immer eine Anlaufstelle für innere Probleme. Es war also nicht nur eine starke physische, sondern auch emotionale
Nähe gegeben. Wir haben uns aber immer sehr schnell an diese Umstände gewöhnt und sind dann eigentlich immer sehr wehmütig
von dort weggefahren.
TIZZA COVI: Das ist bei allen Projekten so, wenn man an etwas ernsthaft arbeitet, ist man auch bereit, alles zu geben. Bevor wir noch
aufgestanden sind um acht, hat schon Michele geklopft und wollte Kaffee, dann kam die Kleine von der Schule und wollte ein
Mittagessen, dann mussten wir in die nächste Bar fahren, dann Plakate kleben - wir mussten ja auch oft mithelfen. Dann
kam die Mutter, wenn sie mit dem Mann ein Problem hatte. Das war alles sehr intensiv. Manchmal versuchten wir mittags unseren
Wagen für eine halbe Stunde zuzusperren, aber das hat nichts geholfen. Aber es hatte auch seine Vorteile. Je mehr man über
die Leute erfährt, je mehr man gibt, desto mehr bekommt man auch.
Aufnahmen von den Auftritten scheinen bewusst ausgespart zu sein?
RAINER FRIMMEL: Für die Leute, die dort leben, ist es zwar ihre Einnahmequelle, aber letztlich läuft die Vorstellung nebenbei, trainiert
wird überhaupt nicht. Sie lernen als Kind einmal ihre Nummer, die ist meistens nicht so spektakulär, dass man sie dann noch
üben muss, wenn man sie einmal beherrscht. Die Vorstellung ist praktisch das Training, da braucht keiner unter Tags auch noch
zu üben. Darüber würden sie nicht einmal ein Wort verlieren, das gibt es bei den Gerardis nicht.
TIZZA COVI: Uns als Filmemacher würde es dann schon näher liegen, alle 90 Minuten des "Spettacolos" von Babooska und ihrer Familie zu
zeigen. Damit hätten wir die Möglichkeit zu zeigen, wie sie herumlaufen, sich umziehen, plötzlich etwas anderes sind, welchen
Charakter das Ganze hat. Das wäre dann aber ein anderer Film. Um einer Sache gerecht zu werden, braucht es sehr viel Zeit.
Wir haben versucht, Babooska zu zeigen und haben eine Facette des Lebens hinter den Kulissen gefilmt. Dann ist einfach keine
Zeit mehr zu zeigen, was jeder von ihnen auch noch auf der Bühne macht.
RAINER FRIMMEL: Die Vorstellungen sind immer wieder kurz angeschnitten. Wir haben den fertigen Film noch nicht oft gezeigt, aber wir spüren,
dass beim Publikum eine Erwartungshaltung da ist, vom Bühnengeschehen möglichst viel zu sehen. Gerade das interessiert uns
aber nicht, weil es eben nicht so bunt und spektakulär ist, wie man sich dieses Leben vorstellt. Es wird auch nicht trainiert
und es werden so wenige Vorstellungen gemacht, dass das, was im Film zu sehen ist, fast schon zu viel ist. Es kommen so wenige
Leute in die Vorstellungen, dass der Auftritt nur noch einen periphären Teil ihres Lebens ausmacht - einmal, zweimal
in der Woche. Das wären Bilder, die man als Zuschauer außerdem schon kennt und daher erwartet, wieder zu sehen. Das wollen
wir aber nicht unterstützen. Die Bilder, die beim Zuschauer ohnehin schon im Kopf sind, zeigen wir nicht noch einmal.
Eure Arbeit reicht von der Recherche bis zum Verleih. Wie sieht die Arbeitsteilung aus?
RAINER FRIMMEL: Ich kümmere mich um die finanziellen Probleme, die Recherche machen wir gemeinsam, die Regie auch, je nachdem, wie sich das
gerade ergibt, es gibt natürlich viel Interaktion zwischen uns. Ich bin hinter der Kamera und Tizza macht den Ton. Wir sind
auch unsere eigenen Assistenten und Tizza schlägt die Klappe. Wir probieren nicht viel aus, weder beim Drehen noch beim Schnitt.
TIZZA COVI: Wenn wir arbeiten, dann kann es zwischen uns beiden natürlich auch ziemlich spannungsgeladen sein.
RAINER FRIMMEL: Aber wir versuchen, uns das möglichst nicht anmerken zu lassen. Eine dritte Person bei den Dreharbeiten wäre nicht möglich
gewesen, das hätte schon wieder ein Mehr an Spannungen bedeutet auf diesem engen Raum. Wir beide können miteinander umgehen,
wir können in der Arbeit auch hin und wieder einen rüden Umgangston haben, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Wenn
da ein dritter dabei ist, dann wäre das wieder schwieriger. Es bedeutet für uns auch ein großes Maß an Unabhängigkeit, soweit
es natürlich die Rahmenbedingungen erlauben.
Ihr habt euch in eurer künstlerischen Arbeit nicht auf den Film beschränkt.
RAINER FRIMMEL: Ja, wir arbeiten auch fürs Theater und machen Fotografie.
TIZZA COVI: Am Theater hat es sich ergeben, dass wir vom Wiener Schauspielhaus eingeladen wurden, Onkel Vanja mit filmischen Mitteln zu
inszenieren. Dann wurden wir noch für einen Nestroy und einen Shakespeare eingeladen. Das Reizvolle an der Arbeit am Theater
ist, dass man im Vergleich zum Film relativ kurze Zeit für die Bearbeitung eines Stücks hat und dass es eine Live-Arbeit ist,
das macht Theater für uns sehr spannend.
RAINER FRIMMEL: Wenn man vom Theater zum Film zurückkehrt und man wieder im Kino sitzt, dann wirkt das projizierte Bild auf einmal sehr flach.
Im Vergleich zum Theater besteht der Film aus flachen Bildern und umso mehr muss man daher mit anderen Mitteln Tiefe gewinnen.
Und das ist auch unsere Intention beim Filmemachen.
Interview: Karin Schiefer
2006