Seit Jahrzehnten führt Gustav Tritzinsky einen Waschsalon. Er reinigt, wäscht und bügelt die Klamotten der anderen. Das sichert
seine Existenz und hält auch die dunklen Flecken im eigenen Gewissen fern.Peter Kerns Spielfilm Blutsfreundschaft erzählt in zwei Schichten von der Schuld und ihrem Umgang damit. Peter Kerns neuer Spielfilm lief im Berliner Panorama 2010.
Seit Jahrzehnten führt Gustav Tritzinsky einen Waschsalon. Er reinigt, wäscht und bügelt die Klamotten der anderen. Das sichert
seine Existenz und hält auch die dunklen Flecken im eigenen Gewissen fern. Eines Nachts entdeckt er einen jungen Mann, der
sich in sein Geschäft geflüchtet hat. Axel ist nicht nur völlig außer sich, er hat auch Blut am Gewand und sein Gesicht ruft
mit einem Schlag Gustavs sechzig Jahre lang im Dunkeln seines Gedächtnisses verwahrte Erinnerungen wach.
Peter Kerns Spielfilm Blutsfreundschaft erzählt in zwei Schichten von der Schuld und ihrem Umgang damit: eine schwenkt in stilisiertem Schwarzweiß zurück in die
Folterkammern der Nazis, wo der homosexuelle HJ-Junge Gustav als 15-Jähriger um die eigene Haut zu retten, seine erste Liebe
verrät und damit auch dessen Ermordung verschuldet. Die andere Schicht bleibt in der farbigen Gegenwart folgt grölenden Neonazis
in ihre Versammlungskeller und auf ihren Einschüchterungstouren, wo sie sich den 16-jährigen Axel auf der Straße angeln und
ihn zu einem Mord an einem Sozialarbeiter zwingen, damit er als einer von ihnen gelten kann.
In Gustavs Wäscherei und Wohnung laufen nun die unseligen Wege der beiden Männer zusammen, zu Axels Glück, zu Gustavs Unglück.
Axel hätte nicht besser landen können, denn sein Anblick allein löst im einsamen Alten grenzenlose Hilfsbereitschaft und Zuwendung
aus. Axel weiß es hemmungslos zu nutzen, unterschätzt am Ende doch, wie nahe er seinem Retter in höchster Not gekommen war.
Nachdem er seinen ersten Wunschkandidaten Mario Adorf wieder verwerfen musste, gelang es dem Regisseur Helmut Berger für die
Hauptrolle zu gewinnen, der den eleganten einsamen Herrn in seiner verkappten Lebenslust, unzugänglich und von Axels Jugend
entwaffnet zugleich, perfekt interpretiert. Die beiden Protagonisten liefern jede Menge Stoff zum Meldodram, doch wäre es
kein Film von Peter Kern würde seine düstere Vision von der menschlichen Feigheit und vom rechten Gift, das sich ungeahndet
verbreitet, nicht immer wieder in die Anarchie der Phantasie ausbrechen und die lebensfrohen homo- und transsexuellen Gestalten
aus Gustavs Freundeskreis erzählerische und gesellschaftliche Schranken lustvoll überschreiten. (ks)