«Eines der Hauptthemen im Film ist das Verstecken. Dieser Mann versteckt alles, er versteckt sich selbst und er verstummt.
Ein katastrophaler Lebenszustand, bis er endlich wegfährt und es licht wird und er sich seinem Leben stellt.» Ein Gespräch
mit Ludwig Wüst über KOMA.
Sie haben sich für Ihren ersten Langfilm an ein sehr heftiges Thema gewagt. Jenseits der Gewalt erzählt KOMA vor allem von
Einsamkeit und emotionaler Hilflosigkeit, von Vater und Sohn, von Midlife-Crisis und einem Neuanfang. Was war für Sie der
erste Themenimpuls, als sie begannen, am Drehbuch zu schreiben?
LUDWIG WÜST:
Es gab zwei: Das eine war die Geschichte mit den jungen Burschen, die Snuff-Videos aus dem Internet sammeln, was ja ein fixer
Bestandteil der heutigen Jugendkultur ist. Das Internet bedient das hervorragend. Ich hab mir die Frage gestellt, welche Menschen
mit welchen Geschichten da dahinter stehen? Der erste Gedanke, den ich verfolgte, war der, was passiert, wenn der Sohn ein
Snuff-Video herunterlädt und im Laufe des Films draufkommt, dass sein Vater da im Spiel ist. Dieser Aspekt steht jetzt im
fertigen Film gar nicht mehr im Vordergrund. Es ging mir vor allem darum, eine Täter-Opfer-Verbindung, eine Obsession und
eine Grenzüberschreitung zu erzählen. Martha von Rainer Werner Fassbinder war sicher auch ein Anstoß, sich dem Thema zu nähern.
Den eigentlichen Auslöser lieferte mir ein Mann, den ich vor Jahren flüchtig kannte und der eine Frau, die im Wachkoma lag,
zu Hause gepflegt hat und ich wusste, dass sie auch ein Liebespaar waren. Da wollte ich weitergehen. Ich arbeite sehr lange
an meinen Projekten und viel mit meinen Schauspielern, die wissen, wenn sie mir zusagen, dass die Arbeit auch mit sehr viel
Zeit verbunden sein wird. Drehbuchschreiben ist bei mir ein langes work in progress, es gab sicherlich zwanzig verschiedene
Treatments, die in die verschiedensten Richtungen führten. Welche Richtung ein Film bei mir einschlägt, hat viel mit den Darstellern
zu tun, die mir vertrauen, denen ich sehr vertraue und die mich sehr inspirieren.
Beziehen Sie den Titel in erster Linie auf das Wachkoma der Frau oder spielt es auch ans emotionale Koma mancher der Figuren
an?
LUDWIG WÜST: Es gab dazu bei der Uraufführung in Moskau eine interessante Interpretation. Ich wurde nach dem Motiv für den Titel gefragt
und wollte dazu eigentlich nichts sagen. Ein Journalist im Saal meinte, der Titel beschreibt den Zustand einer Gesellschaft,
in der solche Dinge möglich sind. Es wird kaum miteinander kommuniziert, alles bleibt sehr oberflächlich, daneben existiert
die Gewalt und es gibt überhaupt keine Auseinandersetzung. Alle sind in einer Art von Koma oder blind. Das Eigentliche wird
nicht thematisiert, was überall bleibt, ist die große Einsamkeit.
Die Erzählung selbst ist eine Rahmenerzählung. Warum haben Sie sich für diese Form des Erzählens entschieden?
LUDWIG WÜST:
In der ersten Einstellung sitzen die beiden auf der Bank und man sieht eine Geste mit der Hand, die ich für sehr wichtig halte,
weil sie Einverständnis und Versöhnung vermittelt. Es gibt ein utopisches Moment gegen Ende des Films, wenn die beiden miteinander
schlafen und in der Spiegelung der Fenster ihre Körper sehen, die miteinander verschmelzen, da blickt Gertrud zum ersten und
einzigen Mal in die Kamera und sieht aus wie ein junges Mädchen. Ich interpretiere jetzt absichtlich - aber für mich heißt
das, jetzt sieht sie etwas anderes als das, was vor ihnen lag. Eine Vision. Wenn Hans sie in den Park trägt, hat das etwas
von Sie-ins-Paradies-Tragen - sie sind nicht mehr von dieser Welt, daher der Klang der Glocke im Hintergrund. Da wird auch
nichts mehr kommen. Die beiden werden nicht eines natürlichen Todes sterben, ich kann?s mir nicht vorstellen. Dazu sind sie
zu eng verbunden. Mir war sehr daran gelegen von dieser Utopie zu erzählen. In der zweiten Einstellung droht er ihr, sie zu
töten und sie antwortet "Ich liebe dich". Das ist auch eine Form von Utopie, die das Schlimmste und das Schönste vereint.
Die Eröffnungssequenz zeigt die beiden Protagonisten von hinten. Darüber hinaus gibt es immer wieder Einstellungen, die so
gewählt sind, dass man als Zuschauer nicht sofort ein klares Bild darüber hat, was gerade passiert. Es entsteht der Eindruck,
dass Sie mit Ihrer Erzählweise das Publikum irritieren bzw. ihm einiges an freier Assoziation überlassen möchten?
Ludwig Wüst: Wir haben neun Monate am Schnitt gearbeitet und mich hat immer die Sorge begleitet, ob ich schon zu viel verraten
habe. Offensichtlich doch nicht, wenn Sie mir diese Frage stellen. Ich denke schon, dass bei meinen Filmen viel im Kopf des
Zuschauers entsteht und dass er grundsätzlich nachwirkt, weil Fragen offen bleiben: Wieviel Zeit ist seit der Tat vergangen?
Welches Verhältnis hat Hans zu seiner Frau? Eine wichtige bildtechnische Entscheidung war auch, eine Handkamera zu verwenden.
Ich wollte aber kein wackeliges Bild, sondern ein Bild, das atmet. Alles sollte fließend und schwebend und nicht starr sein.
Ich habe sehr lange mit meinem Kameramann diskutiert, ich wollte, dass der Kader nicht unbedingt ganz perfekt ist und es war
mir stets ein Anliegen, nicht allzu viel zu verraten.
Eine der markantesten Elemente ist eine Einstellung, die zehn Minuten dauert. Was hat Sie zu dieser Plansequenz veranlasst.
Was heißt es vor allem für die Schauspielerin, diesen langen Monolog zu spielen?
LUDWIG WÜST:
In Zwei Frauen habe ich einen Zusammenbruch gefilmt, nachdem jemand eine Hiobsbotschaft erfahren hat. Ich habe sehr lange
ohne Unterbrechung gefilmt und daraus wurden acht ungeschnittene Minuten zum Herzstück des Films. Ich liebe Plansequenzen,
weil sie Zeit zulassen. Ich glaube nicht, dass es etwas damit zu tun hat, dass ich vom Theater komme. Denn genau genommen
komme ich von der Malerei und ich bin ein Fan der Alten Schule eines Bergmann oder Bresson. Ich arbeite gerade an einem Film
mit einer mindestens einstündigen Plansequenz, mit drei bis vier Personen, wo ein Drama passiert. Es ist ein Ausschnitt des
Raumes zu sehen und 70 Prozent sind Hörspiel. Das interessiert mich. Es entsteht wieder sehr viel in der Phantasie des Zuschauers,
ich kann mir auch vorstellen, dass Figuren nur als Schatten zu sehen sind, ohne dass man jemals genau weiß, um wen es sich
handelt, so, als wenn der Tod, der Kehraus hereinkommt und wieder verschwindet.
In Koma bestand die Notwendigkeit zu sagen, wir sind am Ort des Verbrechens und die Kamera wurde wie eine Überwachungskamera eingesetzt.
Man sieht auch kurz, dass sie wie ein Spion in der Tür montiert ist und es ist durchaus vorstellbar, dass so etwas in solchen
Etablissements wirklich existiert, zumindest in den Gängen. Deshalb konnte nur eine Echtzeit-Sequenz in Frage kommen. Die
Szene hatte ich ganz bewusst für eine Fränkin geschrieben, weil das Fränkische im Vergleich zum Wienerischen eine Qualität
hat, wo man ganz wilde Geschichten formulieren kann, ohne dass sie obszön, schmutzig oder grauslich klingen, wie das beim
Wienerischen durchkommt. Ich habe Anke Armandi vor einigen Jahren entdeckt und dann die Szene geschrieben. Ich sagte mir,
ich hab da vier Seiten Text, es ist die einzige Stelle, wo im Film wirklich ausführlich gesprochen wird und der Zuschauer
auch zu den beiden Figuren Information bekommt. Gertruds ehemalige Kollegin führt den Täter da wirklich an den Punkt. Und
ich hatte das Gefühl, dass es unmöglich war, diese Szene in Schuss/Gegenschuss aufzulösen. Ich wollte nicht schummeln. Und
ich glaube, jeder Kollege kann mir bestätigen, wie schwierig es ist, das durchzuhalten. Anke ist keine professionelle Schauspielerin,
aber sie ist hochbegabt und gehört jetzt eigentlich schon zu meinem Ensemble wie Claudia Martini oder Nenad Smigoc. Das sind
Leute, für die ich weiterhin schreiben und inszenieren möchte.
Sie bewegen sich thematisch wie formal gerne an den Grenzen und reizen diese auch aus. Damit geraten Sie wohl immer wieder
auch an die Frage, was den Schauspielern zumutbar ist?
LUDWIG WÜST:
Nenad Smigoc kenne ich schon sehr gut aus unserer Theaterarbeit. Ich hab mit ihm vor zwei Jahren im Hotel Orient Die Traumnovelle gemacht. Ich habe damals schon vom Filmprojekt gesprochen und angekündigt, dass es, falls wir zusammenarbeiten, keine Grenzen
geben würde. Ich versuche von Beginn an ab, Klarheit zu schaffen, was ich vorhabe. Natürlich hatte ich Bedenken bei der Liebesszene
zwischen den beiden. Beim Dreh war es so, dass es bei der Waschszene, der Essszene und der Bettszene jeweils nur einen Take
gab. Ich hab mit dem Kameramann vorher besprochen, dass ich keine der Szenen wiederholen wollte und gleichzeitig wusste ich
aber nicht, was die Schauspieler machen würden. Ich war absolut sicher, das die Kollegen aufs Ganze gehen. Insgesamt haben
unsere Dreharbeiten nur acht Tage gedauert und davor haben wir eine Woche geprobt. Ich wusste bei allen Szenen, dass ich sehr
lange nicht "Cut" sagen würde. Auch meine Schauspieler wissen, dass sie alle Zeit der Welt haben. Durch die langen Gespräche,
die ich mit ihnen im Vorfeld führe, entstehen eine solche Energie und ein solcher Sog. Es ist ein Luxus, einen Schauspieler
zu haben, der bereit ist, sich ein halbes Jahr vor dem Dreh jede Woche mit mir zu treffen. Das möchte ich auch beibehalten.
Arbeiten Sie auch mit nicht-professionellen Darstellern?
Ludwig Wüst: Mit Nenad Smigoc, der Hans spielt, Claudia Martini als Gertrud und Roswitha Soukup als Ehefrau hatte ich drei
Profis, die schon sehr lange im Geschäft sind. Anke Armandi ist eine hochbegabte Laiendarstellerin, und auch Daniel, der Sohn,
und sein Freund sind von keinen Profis gespielt. Ich würde sagen es war ungefähr halb halb. Es hat wunderbar bei den Dialogen,
die zum Teil improvisiert sind, funktioniert und auch bei den Kostümen bat ich jeden aus dem eigenen Kleiderschrank das mitzubringen,
von dem er glaubte, dass es die Figur brauchte. Schauspieler haben bei mir mehr Freiheit als sonst, aber auch mehr Verantwortung.
Oberstes Gebot ist bei mir Authentizität. Ich reagiere sehr situativ auf die Leute wie auch auf die Orte und integriere die
dortigen Gegebenheiten in die Handlung. Ich liefere den Anlass, aber sobald ich weiß, wo und mit wem ich arbeite, explodiert
das Ganze. Es ist dann nur noch ein rasches Finden und Suchen. Ich stelle es mir sehr interessant vor, die Leute ganz von
Beginn an einzubinden, nur zu sagen, es gibt eine Mutter-Tochter-Beziehung und das Spannungsverhältnis einer Dreiecks-Beziehung
– das ist das Thema meines nächsten Projekts – und dann gemeinsam arbeiten. Ich werde wieder viel Zeit brauchen, aber es hat
sich in den letzten Jahren als meine Methode ergeben, der ich nachgehe und mit der ich weiterforsche.
Es wird bei den Szenen in den Innenräumen sehr wenig Licht verwendet, auch hier haben Sie wahrscheinlich die Grenzen des Machbaren
ausgereizt?
LUDWIG WÜST: Das Haus, in dem wir gedreht haben, aber auch das Haus, in dem ich aufgewachsen bin – sie alle haben etwas Düsteres. Das Haus
von KOMA mit seinen dunklen Möbeln und Teppichen vermittelt etwas nicht sehr Lebensfrohes. Natürlich mussten wir auch Scheinwerfer
zu Hilfe nehmen, auch wenn es mir am liebsten gewesen wäre, keine zu verwenden. Ganz pur hätte ich natürlich vorgezogen. Gleichzeitig
habe ich nicht das Gefühl, dass die Bilder so besonders düster aussehen. Eines der Hauptthemen im Film ist das Verstecken.
Dieser Mann versteckt alles, er versteckt sich selbst und er verstummt. Es ist eigentlich ein katastrophaler Lebenszustand,
bis er endlich wegfährt und es licht wird und er sich seinem Leben stellt.
Eine wichtige Rolle spielt auch der Ton, der gerade deshalb, weil die Kamera Dinge verborgen hält, einen zusätzlichen narrativen
Input liefert.
Eines der Hauptthemen im Film ist das Verstecken. Das ganz sicherlich. Ich würde sagen die Gewichtung zwischen Bild und Ton
liegt bei mir bei 50 : 50. Ganz zu Beginn meiner filmischen Arbeiten stand nur das Bild im Vordergrund, inzwischen gewinnt
der Ton an Wichtigkeit. Ob Stille, Regen, Straßenverkehr - all das sind Elemente, die bei mir eine große Rolle spielen. Darum
ist es mir auch wichtig, die Bilder nicht hin- und her zuschneiden, sondern sie ruhen oder zumindest atmen zu lassen.
Gehen wir zum Ende des Films: Wenn es eine Liebe zwischen Hans und Gertrud geben kann, so wird es eine sonderbare Liebe bleiben,
die Ehefrau hat einen neuen Liebhaber, der wiederum schweigend auf der Couch liegt. Alles in allem geben Sie trotz des friedlichen
Endes keinen sehr rosigen Blick auf die Verhältnisse zwischen Mann und Frau.
LUDWIG WÜST: Die Ehefrau halte ich für eine extrem positive Figur, sie ist ein "Stehaufmännchen", obwohl sie es weder mit ihrem Mann noch
mit ihrem Sohn einfach hat. Sie hat eine unglaubliche Vitalität. Sie kümmert sich im Haus um alles, organisiert das Fest,
glaubt lange noch, dass Hans noch auftauchen wird und dann ist der Moment, wo ihr bewusst wird, dass sie ihre Ehe in den Müll
werfen kann. Und zwanzig Filmminuten später erzählt sie am Telefon von ihren Yoga-Stunden und hat sich den Untermieter angelacht.
Ich halte ihr Verhalten für sehr vital und notwendig. Sie macht das Beste aus ihrem Leben, das nicht leicht ist. Hans und
Gertrud haben sich auf eine besondere Weise gefunden, dazu kann ich jetzt wenig sagen. Es ist kein Lebensmodell. Es ist so
einmalig, dass jemand sagt, ich übernehme die Verantwortung und kümmere mich nur noch um diesen Menschen. Wovon sie leben
werden, weiß man nicht, das bewegt sich im Bereich der Utopie. Sie können meiner Meinung nach nicht alt werden, dazu ist die
Sache zu extrem. Ich halte es aber für wichtig, die Geschichte zu erzählen, ausgehend vom ursprünglichen Gedanken dieses Sado
Maso-Aspektes. Das ist ein Riesenthema, es gibt in Wien sogar ein House of Pain, wo sich Leute unter ärztlicher Aufsicht Schmerzen
zufügen lassen. Ich glaube, dass der Film ganz gewaltig an einigen Tabus in dieser Richtung rührt: Wie darf man in dieser
Pflegesituation mit jemanden leben? Ist Sexualität zwischen den beiden erlaubt? Es passieren in diesen Szenen ja unheimlich
zärtliche, phantastische Dinge. Es bleibt eine Ausnahmegeschichte. Inzwischen arbeite ich an drei weiteren Projekten, wobei
Nahaufnahme das nächste ist. Eine Dreiecksgeschichte,mit Claudia Martini und ihrer Tochter Teresa, die in Spanien spielen
wird, ist auch schon sehr konkret. Im dritten Projekt werde ich mich mit einer Inzest-Geschichte beschäftigen, wo eine sehr
junge Frau ihr Kind zur Adoption freigibt und dieser Junge mit zwölf, dreizehn Jahren, wenn er erstmals seinen familiären
Kontext verlässt, seinen Vater trifft.
Das Budget von Koma war äußerst gering, wie konnten Sie den Film dennoch realisieren?
LUDWIG WÜST: Zuwenig Geld wird mich nie hindern, einen Film zu machen. Aber ich gebe zu, es ist sehr heftig, hart und schwierig, einen
Film auf die Beine zu stellen, wo man 25 Leute zwei Wochen lang zumindest verköstigen, Equipment mieten und die Postproduktion
bezahlen muss. Es haben natürlich alle ohne Gage gearbeitet, das kann man aber nicht beliebig oft machen. Ich habe den Film
auf keinen Fall deshalb gemacht, um zu beweisen, dass es auch ohne Geld geht. Ich wollte den Film machen. Das ist der Punkt.
Sie haben es bereits angedeutet, dass Sie ursprünglich in der Malerei zu arbeiten begonnen haben und dann über Theater zum
Film gekommen sind. Wie sieht Ihr künstlerischer Weg bisher aus?
LUDWIG WÜST: Ich bin Autodidakt. Als Kind begann ich sehr früh zu zeichnen und wollte eigentlich Maler werden, was in einem kleinen bayrischen
Dorf sehr schwierig zu behaupten und zu leben ist. Ich war dann als Tischler in Wien bei Bösendorfer und machte dann eine
Schauspiel- und Gesangsausbildung. Danach kam die Regie und ca 40 Produktionen- auch eigene Stücke- am Theater. Die logische
Folge war, das ich vor einigen Jahren beim Medium Film angelangt bin, wo alle Dinge zusammenlaufen. Wenn ich könnte, würde
ich nur noch Film machen, ich habe aber sehr konkrete Gespräche über ein Theater- und ein Opernprojekt. Wenn ich über drei
Jahre Arbeitszeit an Koma Bilanz ziehe, dann konnte ich der Arbeit mit den Schauspielern ca fünf Prozent meiner Zeit widmen.
Das ist aber die Arbeit, die ich besonders liebe, Regie und Schauspielerarbeit ist mir sehr wichtig und je besser ich meine
Schauspieler kenne, umso besser ist das Ergebnis. Hätte mir vor zehn Jahren jemand gesagt, dass ich Filme machen würde, hätte
ich es nicht geglaubt. Das Medium ist mir schon sehr lange nahe ? das Stadtkino ist seit zwanzig Jahren quasi mein Wohnzimmer.
Welche Regisseure beeinflussen Sie in Ihrer Arbeit?
LUDWIG WÜST: Robert Frank ist eine unglaubliche Inspirationsquelle, das Spätwerk von Orson Welles. Auf Bresson bin ich zufällig über Tarkowski
gestoßen, weil mein erster Film, den ich in Wien gesehen habe, von Tarkowski war. Bergmann habe ich auch erst sehr spät entdeckt.
Es gibt viele Regisseure, die ich gar nicht kenne und wenn ich dann einen Film entdecke, dann interessiert mich immer gleich
das Gesamtwerk. Bei Bergmann war es wunderbar, alles in einem kurzen Zeitraum zu sehen. Bergmann hat mich auch zur Idee von
Nahaufnahme inspiriert. Natürlich kann ich thematisch den Einfluss von Michael Haneke nicht leugnen und schließlich Abbas
Kiarostami, Pasolini, Kieslowskis Zehn Gebote. Ein Hauptthema ist bei mir sicherlich die Einsamkeit, weil sie mich direkt zum Menschen führt und zum Wesentlichen im Menschen
an sich. Es ist sehr schwierig, das zu filmen, das auszuhalten und das zu sehen. Es ist aber sicherlich der Raum, in dem ich
mich bewege.
Interview: Karin Schiefer
Juli 2009