«Ich wollte auf keinen Fall einen Film machen, der nur die Hardcore-Fans anspricht, sondern einen Film, wo auch jemand, der
nichts über Drahdiwaberl weiß, halbwegs mitbekommt, worum es geht.» Klaus Hundsbichler über WELTREVOLUTION, uraufgeführt
beim Festival von Rotterdam 2008
Gibt es zu Drahdiwaberl und zu Stefan Weber schon lange ein Naheverhältnis, sodass es zur Filmidee kam?
KLAUS HUNDBICHLER: Ich habe Stefan Weber 1997 auf eine Zusammenarbeit hin angesprochen, da ich wusste, dass er schon lange einen Film über Drahdiwaberl machen wollte. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mehrere Konzerte mitgefilmt und an einem Treatment gearbeitet. Im Jahr 2000 haben
wir erstmals das Projekt eingereicht, das aber auf Grund der Rahmenhandlung abgelehnt wurde. Nach einer weiteren abgelehnten
Einreichung, wurde das Projekt vom Filmfonds Wien mit 80.000.- € gefördert. Auf Grund dieses Budgets musste ich die Rahmenhandlung
sehr einschränken und mich mehr auf das bereits vorhandene Material konzentrieren.
Aus welcher Zeit stammte das vorhandene Material?
KLAUS HUNDBICHLER: Der Schnittprozess hat mit Beginn des Projekts, im Jahr 2000 begonnen. Ich habe also sieben Jahre geschnitten. Material war
ja in Unmengen vorhanden, ich hatte hunderte VHS-Kassetten zur Verfügung. Die ältesten Szenen stammen aus dem Jahr 1955 –
Stefans Bruder war ein begeisterter Filmamateur und hat mit ihm gedreht. Dadurch ergab sich eine relativ chronologische Geschichte,
was Stefan selbst betrifft. Im Film heißt es auch – dies ist die Geschichte von Stefan Weber, der Rockgruppe Drahdiwaberl und ihrem Traum von der Weltrevolution. Ab 1978 gab es dann unheimlich viele Konzerte, es gab zwei Ohne-Maulkorb-Sendungen über die Band, ab 2000 habe ich fast jedes Konzert selber mitgedreht.
Wie entstand das Schnittkonzept aus diesen Mengen an Material
KLAUS HUNDBICHLER: Es ist langsam gewachsen, es ist nicht so, dass das Konzept von vornherein klar war. Ich wollte auf keinen Fall einen Film
machen, der nur die Hardcore-Fans anspricht, sondern einen Film, wo auch jemand, der nichts über Drahdiwaberl weiß, halbwegs mitbekommt, worum es geht. Die Erzählweise zu finden ist ein unheimlich langwieriger Prozess gewesen. Ich
habe mich erst relativ spät dazu entschlossen, die Geschichte von Drahdiwaberl chronologisch zu erzählen und Querverweise auf Ereignisse in Österreich einzubauen. Wichtig sind auch die Konzertpassagen,
denn Drahdiwaberl ist primär eine Live-Band.
Wie kam es zum Titel WELTREVOLUTION?
KLAUS HUNDBICHLER: Der Film hieß ursprünglich Die letzte Ölung, bis Stefan mit der Idee von der Weltrevolution kam.
Kann man den Titel auch als künstlerisches und politisches Leitmotiv in Stefan Webers Schaffen interpretieren?
KLAUS HUNDBICHLER: Ja natürlich. Drahdiwaberl war immer dafür bekannt, politisch Stellung zu nehmen und mit ihrer Show zu provozieren. Für mich war also das meiste schon
vorhanden, ich musste es nur in eine Form bringen. Einige Szenen habe ich inszeniert: jene mit dem Huhn – nach dem Motto:
wie lebt Stefan Weber heute. Und dann noch die Wahlwerbung, das hatte aber einen ernsten Hintergrund. Stefan wollte für die
Präsidentenwahlen 2004 kandidieren und hat in den Abstimmungsforen im Standard auch geführt. Er hat es letztlich nicht gemacht,
aber mit diesem skurrilen Werbespot habe ich das berücksichtigt.
Wer sind die Interviewpartner im Film?
KLAUS HUNDBICHLER: Größtenteils Drahdiwaberl-Mitglieder und Musiker. Ich wollte zunächst persönliche Stellungnahmen und Anekdoten verwenden,
hatte aber zu diesem Zeitpunkt noch einen Kommentarsprecher geplant, der die Geschichte von Drahdiwaberl erzählt. Als ich
davon abging, weil es mir zu fernsehmäßig war, bekamen die Interviews ein anderes Gewicht, da ich nun durch diese die Geschichte
der Band erzählen musste. Also sind nun eher die Interviewpartner im Film, die mir historische Dinge erzählt haben.
Politische Ereignisse strukturieren den Film und führen gleichzeitig vor Augen, wie schnell die „großen“ Skandale vergessen
sind?
KLAUS HUNDBICHLER: Ist doch gut, dass man so manches in Erinnerung ruft. Aber es sollte keine Aufarbeitung der österreichischen Geschichte der
letzten 50 Jahre werden. Wir haben uns auf Ereignisse konzentriert, die direkt im Zusammenhang mit Drahdiwaberl-Nummern stehen - wie z.B. Torte statt Worte oder Schulterschluss. Michael Sprenger - er hat das alles recherchiert - hatte eine tolle Klammer gefunden: 1971 hat Papst Paul VI. Österreich
als eine „Insel der Seligen“ bezeichnet, Benedikt XVI. hat bei seinem letzten Besuch in Österreich 2007 gesagt - „Österreich
ist keine Insel der Seligen“. Jedoch hätte damit der Papst im Film das Schlusswort gehabt, das wollte ich vermeiden.
Über die Geschichte von Drahdiwaberl hinaus ist der Film auch ein Portrait von Stefan Weber. War es ein Wunsch von ihm, sich
ein bisschen selbst darzustellen?
KLAUS HUNDBICHLER: Wir begeben uns hier auf sehr heikles Terrain. Die Geschichte des ganzen Films war ein Kampf zwischen ihm und mir, da wir
sehr oft verschiedene Vorstellungen hatten. Er sah es auch als seinen Film und wollte daher mitreden. Ich habe das immer wieder
zugelassen, weil es auch ein Film über ihn ist und er Drahdiwaberl geschaffen hat. Es hat sehr viel Kraft gekostet, ihn nicht
vor den Kopf zu stoßen und dennoch meinen Willen durchzusetzen. Das war und ist bis heute eine unheimliche Gratwanderung.
Stefan Weber ist immer ein vielseitiger Künstler und auch eine Kunstfigur gewesen. Wie würden Sie ihn als Künstler charakterisieren?
KLAUS HUNDBICHLER: Er ist ein genialer Grafiker, seine Arbeiten sind ganz toll. Ich finde viele (nicht alle) seiner Texte wirklich gut. Und seit
1969 eine Gruppe mit einer Show in dieser Einmaligkeit am Leben zu erhalten, das halte ich für sensationell.
Das Projekt ist als Eigenproduktion Ihrer Conceptional Continuity Filmproduktion entstanden und in großen Zügen von Ihnen
in einer One-Man-Performance realisiert worden.
KLAUS HUNDBICHLER: Dieser Film ist nicht wie die meisten Filme entstanden. Er ist durch viele Umstände so zustande gekommen. Aus meiner Sicht
kann ich nur sagen, so einen Film kann man nur einmal im Leben machen. Es bedurfte einer großen Selbst-ausbeutung, mit diesem
geringen Budget einen Kinofilm zu realisieren. Aber ich bin sehr glücklich, endlich einen eigenen Film verwirklicht zu haben.
Was bedeutet nun die Einladung zum Festival von Rotterdam, auch im Hinblick auf weitere Projekte?
KLAUS HUNDBICHLER: Es freut mich sehr, dass der Film, der eigentlich ein sehr wienerisches Phänomen zeigt, vom Festival in Rotterdam genommen
wurde. Rotterdam bietet sicherlich die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und neue Leute kennen zu lernen, mit denen sich vielleicht
andere Projekte ergeben. Was ich gerne machen würde, wären Spielfilme im Low-Budget-Bereich, die z.T. auch ohne Förderungen
finanzierbar sind.
Ein Film in erster Linie über Musik, charakterisiert auch sehr gut ihren künstlerischen Weg, der immer zwischen den beiden
Bereichen – Film und Musik – verlaufen ist.
KLAUS HUNDBICHLER: Mit 18 wollte ich Dirigent werden, irgendwie bin ich dann beim Film gelandet und war an der Filmakademie. Bei vielen Film-
und Videoprojekten, an denen ich mitgearbeitet habe, stand die Musik im Vordergrund, wie z.B. Baby Snakes von Frank Zappa,
den ich mit 25 Jahren für ihn geschnitten habe. Danach folgten unzählige Musikvideos und Musikdokumentationen. Aber selbst
Musik zu machen war mir das Wichtigste. Ich spiele seit 35 Jahren in Bands, habe viele Songs geschrieben und zuletzt auch
die Filmmusiken für Mirage, Karo und der liebe Gott und Midsummer Madness. Ich würde das aber als mein Hobby betrachten. Es
gibt drei ganz wichtige Dinge in meinem beruflichen Leben: das erste war meine Arbeit mit Frank Zappa. Er war das einzige
Idol, das ich je gehabt habe und der wichtigste Mensch für meine künstlerische Entwicklung. Das zweite war die Orchesteraufführung
meiner Midsummer Madness-Musik und das dritte wird hoffentlich die Premiere von Weltrevolution in Rotterdam sein.
Interview: Karin Schiefer
2008