GESCHICHTEN VOM FRANZ feierte seine internationale Premiere im letzten Frühling. Ein knappes Jahr später zählt die Christine Nöstlinger-Verfilmung
nicht nur 95.000 Kinobesucher:innen in Österreich sowie Einladungen zu allen relevanten internationalen Festivals im Kinder-und
Jugendgenre, es ist bereits das Sequel NEUE GESCHICHTEN VOM FRANZ startklar und eine animierte Version der Hauptfigur im Entstehen. Dass der legendäre Franz Fröstl auf der Leinwand lebt,
geht auf Impuls und Input von Katharina Posch zurück. Sie ist Creative Producer in der NGF Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion,
wo sie nicht nur die beiden Kinderfilme realisiert hat, sondern auch neue Serienformate entwickelt.
Auf der Website der NGF Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion sind Sie als Creative Producer genannt. Was steckt ganz allgemein
hinter dieser Bezeichnung. Was bedeutet sie in Ihrem konkreten Tätigkeitsfeld?
KATHARINA POSCH: Mein Fokus liegt sehr stark in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Stoffen. Innerhalb der Geyrhalterfilm entwickle ich
neben Filmen im Moment auch Serienformate. Fürs Kino habe ich zuletzt die zwei Familienfilme (NEUE) GESCHICHTEN VOM FRANZ
produziert, wo heuer im September der zweite Teil im Kino starten wird. Hier war ich von der Idee an in allen Etappen der
Produktion im Team mit Michael Kitzberger und Wolfgang Widerhofer federführend beteiligt.
Geschichten vom Franz ist eine Buchserie von Christine Nöstlinger für ein sehr junges (Vor)Lesepublikum. Es sind episodenhafte, kürzere Erzählungen.
Welche Ideen gab es anfangs dazu, dies in einen langes Live-Action- Format zu verfilmen.
KATHARINA POSCH: Ich rechne gerade nach: Es ist sechs Jahre her. 2017 habe ich meinem Sohn, der damals vier war, meine eigenen Franz-Bücher
aus der Kindheit vorgelesen. Wir hatten beide solchen Spaß daran, es ist mir wieder bewusst geworden, wie stark und witzig
diese Geschichten sind und wie schön es wäre, wenn es auch eine Verfilmung dazu gäbe. Die Idee hat mich nicht mehr losgelassen
und der erste Schritt bestand im Anfragen der Rechte, die zunächst nicht verfügbar waren. Ein Jahr später waren sie frei;
der Weg, von 19 Bänden mit vielen kurzen Geschichten zu einem Filmdrehbuch war aber immer noch ein langer. Es war eine glückliche
Fügung, dass wir Sarah Wassermair als Drehbuchautorin gewinnen konnten. Sie ist nicht nur ein großer Nöstlinger-Fan, sie ist
eine sehr versierte Autorin, die viel Erfahrung im Krimi-Bereich, aber als Autorin von Kindermusicals auch eine Affinität
zur Kinderliteratur mitgebracht hat. Es war uns allen ein großes Anliegen, dem Original von Christine Nöstlinger gerecht zu
werden, das ja seit den 1980ern mehrere Generationen in Österreich und Deutschland geprägt hat.
Ließ sich eine Episode zum Filmstoff ausbauen oder musste ein neuer Plot gefunden werden?
KATHARINA POSCH: Sarah Wassermair hat das Drehbuch sehr stark basierend auf den Prämissen, die Christine Nöstlinger diesen Geschichten vom
Franz verliehen hat, aufgebaut – vor allem auf ihrer genauen Figurenzeichnung. Die Grundfrage war: Was beschäftigt diesen
Franz Fröstl? Er ist klein, hat eine hohe Stimme, wird für ein Mädchen gehalten – das zieht sich durch die gesamte Buchserie
und daraus hat Sarah Wassermaier den Kern der Geschichte geschöpft. Einzelne Episoden wurden eingewoben, aber getragen ist
die Verfilmung von der Typologie der Figuren und dem Nöstlinger‘schen Kosmos. Sarah Wassermaier hat uns im Grunde bereits
mit ihrem ersten Vorschlag überzeugt, jetzt galt es unsererseits Finanzierungspartner in Österreich und gemeinsam mit unserem
Koproduzenten Ingo Fliess aus München auch in Deutschland von dem Projekt zu überzeugen. Nach vielen Absagen und Unwägbarkeiten
haben wir dann doch das Budget beisammen gehabt, trotzdem sprechen wir hier von einem sehr niedrig budgetierten Kinderfilm.
Verfilmungen von Kinderbüchern in Deutschland haben beispielsweise das zwei- bis dreifache Budget.
In Österreich wird nicht sehr viel im Bereich des Kindersegments produziert. In der Geyrhalterfilm war es der erste Kinderspielfilm,
der produziert wurde. Mussten Sie auch Überzeugungsarbeit leisten oder stießen Sie mit Ihrer Idee auf offene Ohren?
KATHARINA POSCH: Das Kinderfilm-Thema ist sofort auf breites Interesse gestoßen. In Österreich gibt es tatsächlich fast keine originären Kinderfilme,
meines Wissens haben wir mit (NEUE) GESCHICHTEN VOM FRANZ erstmals in Österreich ein Sequel realisiert. Da wir ein kleiner
Film-Raum sind, haben wir kein eigenes Kinderfilmnetzwerk, so wie es das in Deutschland gibt. Das bedeutet umgekehrt auch,
dass das Gros der deutschsprachigen Kinderfilme, die hier auf die Leinwand kommen, aus Deutschland sind. Und ich halte es
für einen legitimen Anspruch, dass wir Geschichten fürs junge Publikum erzählen, wo eine Identifikation mit dem Ort, mit der
Lebensweise, vor allem mit der Sprache möglich ist. In der Geyrhalterfilm kommen wir vom Dokumentarfilm und vom Arthouse-Film.
Unser Anspruch war auch beim Kinderfilm gute Qualität, die ein möglichst großes Publikum erreichen soll.
GESCHICHTEN VOM FRANZ war bei weitem nicht Ihr erstes, aber ein grundlegend neues Projekt. Worin hat sich für Sie im Besonderen
ein Lernprozess ergeben?
KATHARINA POSCH: Grundsätzlich bin ich ein Mensch, der immer wieder neue Herausforderungen sucht. Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann lasse
ich mich ganz und gar auf eine Aufgabe ein: als ich als Produzentin begonnen habe, habe ich mit einem Minibudget von 60.000
Euro im Filmkollektiv European Film Conspiracy Daniel Hoesls Soldate Jeanette produziert, ein Film der dann erfreulicherweise
für den Wettbewerb in Sundance ausgewählt wurde.
Inzwischen habe ich Kinder und die Notwendigkeit von guten Filmen für ein junges Publikum sind für mich ein Thema geworden.
Neu an diesem Projekt war für mich, dass wir uns intensiv auf die Suche nach der geeigneten Drehbuchautorin gemacht haben.
Bisher waren wir es gewohnt, dass meist Autor:innen, die später auch Regie führen, mit einer Idee oder einem Drehbuch auf
uns zukommen. Auch die Suche nach der Regie war nicht so einfach, in Österreich gab es nicht so viele Kandidat:innen mit Erfahrung
im Kinderfilm. Und dann ist natürlich der Casting-Prozess ein anderer und auch der Dreh selbst muss genau auf die Kinder abgestimmt
werden. Johannes Schmid ist ein deutscher Regisseur, der aber nahe der österreichischen Grenze in Bayern aufgewachsen ist
und kennt die Bücher von Christine Nöstlinger aus seiner eigenen Kindheit. Außerdem hat er sich in seinen vorherigen Filmen
in ähnlicher Weise mit Themen auseinandergesetzt, die jetzt im Franz-Universum vorkommen. Bereits in seinem ersten Film Blöde
Mütze hat er sehr berührend von einem Freundestrio erzählt und später mit Wintertochter auch die LOLA für den besten Kinderfilm
verliehen bekommen.
GESCHICHTEN VOM FRANZ hatte im Frühling 2022 Premiere, hat praktisch alle relevanten internationalen Kinderfestivals absolviert,
mehrere Preise eingeheimst und in Österreich mit 95.000 Zuschauer:innen mehrere Wochen die Top 5 angeführt. Ein großer Erfolg.
Nun steht ein knappes Jahr später schon Teil 2 kurz vor Fertigstellung. Wie ließ er sich so schnell realisieren?
KATHARINA POSCH: Wir mussten in der Tat weit vorausdenken und es war von Vornherein unser Plan, diese Geschichte über einen Film hinaus weiterzudenken.
Wir hatten bereits vor Beginn der Dreharbeiten vom ersten Teil das Treatment für den zweiten Teil vorliegen.
Die Drehbucharbeit ist gleich intensiv weitergegangen, weil die Einreichung für die Herstellung von Teil 2 bereits im Februar
2022 begann, kurz bevor der erste Teil im Kino ausgewertet wurde, zum Glück hatten wir schon prominente Festivaleinladungen,
das hat gegenüber den Förderern in der Argumentation geholfen.
Das Thema von Teil 2 ist für Franz das Dazwischen-Stehen zwischen seinen beiden besten Freunden. Franz hat sich auch optisch
ein bisschen verändert. Seine Haare sind etwas länger und lockiger, er kann für Mädchen wie für Buben zur Identifikationsfigur
werden. Wie wichtig ist dieses Thema der nicht so eindeutig definierten Geschlechteridentität in der Entwicklung von Stoffen
für ein junges Publikum?
KATHARINA POSCH: Auf alle Fälle sehr wichtig. Gerade deshalb ist der Stoff der Geschichten vom Franz ja aktueller denn je, und Christine Nöstlinger
ihrer Zeit weit voraus gewesen. Als Elternteil möchte ich versuchen, meine Kinder so wenig wie möglich in die eine oder andere
Richtung zu beeinflussen. Das Zuordnen der Geschlechter ab frühester Kindheit hat sich ja von der Mode-, der Spielzeug-, Bücher-
aber auch der Filmindustrie her nochmal mehr verstärkt im Vergleich zu meiner eigenen Kindheit. Alles wird aus Vermarktungsgründen
massiv zweigeteilt. Diese Zuordnung wollten wir in (NEUE) GESCHICHTEN VOM FRANZ so gut es ging umgehen. Auch zum Beispiel
in der Kostümfrage. Bei Fragen wie – Welche Farben trägt das Mädchen? Welche Kleidung die Buben?, haben wir versucht, ganz
dezent aber klar gegen Stereotype zu wirken. Man kommt nicht um alle Klischees herum, ich hoffe, es ist uns größtenteils gelungen.
Grundsätzlich hinken wir in dieser Frage immer hinterher. Der Diskurs geht jahrelang voran, dann setzt irgendwann ein Umdenken
ein und es heißt: So, jetzt ist nur mehr Platz für starke Mädchen in Film und Fernsehen. Ich freu mich natürlich sehr, dass
es starke Mädchen auf der Leinwand gibt. Gleichzeitig brauchen wir ein modernes Bild der Männlichkeit als Vorbild für die
Buben. Darauf haben wir bei der Figur des Vaters von Franz leicht reagiert, der sich in erster Linie um die Familie kümmert,
und Home Office macht, während seine Frau die Brötchen verdient.
Dies gilt vielleicht auch für Ihre Serienprojekte, von denen eine Animations-Fassung von GESCHICHTEN VOM FRANZ nur eines von
vielen ist. Serie ist ein weiteres Standbein Ihrer Tätigkeit als Creative Producer. Sie sind zum Zeitpunkt unseres Gesprächs
gerade am Sprung nach Lille zu Series Mania. Mit welchen Ideen /Projekten brechen Sie nach Frankreich auf?
KATHARINA POSCH: Geschichten von Franz als Animationsfilm entwickeln wir gemeinsam mit dem Wiener Studio Arx Anima und Jan Lachauer und Bin
Han To als Show Runner-Duo, die in Deutschland z.B. das Oscar nominierte Revolting Rhymes realisiert haben. Wir haben bereits
Projektentwicklungsförderung und Media Slate Funding dafür erhalten und sind gerade dabei die Pitch Bible zu redesignen. Wir
sind auch mit einer weiteren Kinderserie, als Live Action in der Buchentwicklung, leider ist es auch hier schwierig aus Österreich
heraus zu finanzieren, weil es z.B. von Seiten des ORF kein Budget für Kinderserien gibt.
Darüber hinaus entwickeln wir mehrere fiktionale Serienformate. Eine davon ist SHIT HAPPENS basierend auf einem Podcast und
einer wahren Geschichte über eine Drogendealerin im Wien der neunziger Jahre. Sie ist heute 50, damals hat sie mit Mitte 20
und einem Kleinkind an der Hand das Wiener Haschischgeschäft angeführt. Wolfgang Widerhofer hat auf der Basis von Magda Woitzucks
Podcast eine Treatment-Fassung erstellt, die vom Filmfonds Wien in der Serienentwicklung gefördert wurde. Dafür versuchen
wir gerade Partner zu finden. Wir führen Gespräche mit Koproduzent:innen in Deutschland, mit dem ORF, mit Streamern
So ein
Projekt geht ganz andere Wege als ein Spielfilmprojekt, für das es drei/vier Jurysitzungen im Jahr gibt, auf die man hinarbeitet.
Wir sind auch immer wieder auf der Suche nach Autor:innen für Writers‘ Rooms, wo mehrere Beteiligte an einem Stoff arbeiten.
Für uns als Produktionsfirma ist es sehr spannend, in den Schreibprozess involviert zu sein und ich höre auch seitens vieler
Autor:innen und Regisseur:innen vom Wunsch nach einem Raus aus dem kleinen Schreib-Kämmerchen‘. Nicht jeder fühlt sich wohl,
ein Buch allein fertigzustellen, und andere wiederum schreiben am besten allein. Das gilt es auch für jedes Projekt herauszufinden.
Ein weiteres Projekt ist WIGS, eine Dramedy wir mit Malina Nwabuonwor die auch die Idee dazu hatte, entwickeln. Es geht um
ein Wiener Grätzel im zweiten Bezirk, wo ein Perückenladen von zwei ganz unterschiedlichen Frauen geführt wird – eine ist
jüdischer, die andere österreichisch-afrikanischer Herkunft. Beide sind ein gegensätzliches Duo, die in der Übernahme dieses
Ladens ein Empowerment erfahren und auch dieses ganze Viertel auf den Kopf stellen. Malina ist bereits sehr erfahren, als
Serienautorin hat sie u.a. für Netflix, Disney und den ZDF gearbeitet und ihr Ko-Autor ist Chris Silber, der u.a. einer der
Creator von Sam-ein Sache ist, der jetzt auf Disney im April rauskommt.
Ist der Schritt in die Serienentwicklung seitens der Produktionsfirma eine Notwendigkeit der Zeit, weil Narrative in verschiedenen
Formaten entstehen müssen?
KATHARINA POSCH: Es ist nicht nur ein Trend, sondern ein gewachsenes Bedürfnis in einer längeren Form und in mehreren Teilen zu erzählen.
Es hängt sehr stark vom Stoff ab, wie er am besten erzählt wird. Der Filmfonds Wien ermöglicht unter bestimmten Bedingungen
(Zusage eines Streamers, Einladung zu Präsentationen
) die Unterstützung in der Serienentwicklung. Davor muss aber schon
sehr viel Ideen- und Konzeptarbeit geleistet werden. Eine vergleichbare Förderung wie die Stoffentwicklung im Spielfilmbereich
gibt es leider noch nicht.
Worin besteht das Ziel am bevorstehenden Serienmarkt Series Mania in Lille?
KATHARINA POSCH: Ich habe Termine mit potenziellen Koproduzent:innen, auch zu Stoffen, die uns angeboten wurden, weil Österreich als Produktionsland
mit dem neuen Incentive-Modell attraktiver geworden ist für internationale Partner. Mich interessieren vor allem die Trends
– von HBO über Netflix, Amazon, SKY usw. sind alle Streamer dort vertreten, aber auch ARTE und France Television präsentieren
ihre aktuellen Formate und Ausrichtungen. Ich habe selber einige Zeit in Frankreich gelebt und freue mich auch auf französischen
Small Talk und Networking.
Interview: Karin Schiefer
März 2023