2001. 2004. 2009. 2014. 2019. Beinah exakt im Takt legt Jessica Hausner seit fast zwanzig Jahren ihre filmischen Erzählungen
vor und erweitert jedes Mal das illustre Spektrum ihrer geheimnisvollen Frauenfiguren: Rita. Irene. Christine. Henriette.
Alice. Kein Schicksal, kein Umfeld, das dem anderen gleicht, keine Lebensfrage, die immer wiederkehrt. Doch es gibt Details,
die sich wie ein Faden durch Hausners Geschichten ziehen: rote Stiefletten da, eine rote Brille dort, rote Kopfbedeckungen
oder rotes Haar in den jüngsten drei Arbeiten. „Rotkäppchens Schwestern“ nennt die Autorin Sabrina Gärtner diese Fundstücke
und steigt damit in den Kern ihrer umfassenden Aufarbeitung des Hausner’schen Oeuvres ein – einer detailreichen Analyse der
Kurz- und Langfilme von Flora (1997) bis Little Joe (2019), denen sie eine subtile Inspiration durch das europäische Volksmärchen attestiert: Von der rapunzelhaften räumlichen
Isolation der Protagonistinnen und deren Suche, über Requisiten wie den Spiegel, die Stimmen der Tiere bis zur Sprache der
Blumen geht Sabrina Gärtner den märchenhaften Spuren in Jessica Hausners Werk auf den Grund. Sie verweist dabei auf ein mit
Gewissheiten und Erwartungen verknüpftes narratives Inventar, das wohl niemand meisterhafter, perfider und humorvoller dekonstruiert
als Jessica Hausner.
In einem ersten Teil der mehr als 500 Seiten umfassenden Publikation leistet die Autorin Grundlagen-forschung und legt von
der Entstehung bis zur Verwertung eine minutiöse Bestandsaufnahme von Jessica Hausners Gesamtwerk vor, dem bisher noch keine
vergleichbare wissenschaftliche Publikation in diesem Umfang gewidmet worden ist.
Sabrina Gärtner: Die Filme der Jessica Hausner. Referenzen, Kontexte, Muster
Büchner-Verlag, Marburg 2020, 535 S., € 34,-