INTERVIEW

Tommy Pridnig & Peter Wirthensohn im Gespräch

 

«Unsere Projekte folgen verschiedenen Philosophien, das unter einen Hut zu bringen, ist eine Forderung des Zeitgeistes.» Tommy Pridnig und Peter Wirthensohn über wirtschaftliche und kreative Gratwanderungen im Versuch, sowohl für größere als auch kleinere Märkte zu produzieren.


Die österreichischen Filmproduzenten sorgen sich derzeit massiv um ihr vom ORF unterstütztes Auftragsvolumen im kommenden Jahr. Die Lotus-Film arbeitet gerade an zwei TV-Projekten. Sind diese beiden Projekte durch die Streichung der Gebühren-Refundierung in Gefahr?
Tommy Pridnig: Unsere aktuellen Projekte sind glücklicherweise nicht betroffen, weil wir die Vereinbarungen noch vor dieser Krise getroffen haben. Wir bekommen den momentanen Stillstand allerdings deutlich bei der Akquise für 2014 zu spüren. Im Moment weiß man noch nicht, wo genau konkret gespart wird, aber vieles deutet darauf hin, dass bei Auftrags- wie Eigenproduktionen des ORF im fiktionalen Bereich massiv reduziert wird. Daher fordert die österreichische Filmbranche einen gesetzlich festgelegten Prozentsatz der Gebühreneinnahmen, der die Investitionen in die österreichische Filmwirtschaft sichert.
Peter Wirthensohn: Wir unterstützen diese Forderungen um die Planungssicherheit für die österreichische Filmwirtschaft zu gewährleisten und dadurch die Erfolge auch langfristig abzusichern.

Wie lässt sich die aktuelle Situation einschätzen?
Tommy Pridnig: Gefühlsmäßig sind die Aussichten, wie auch die Studie zum Wegfall der Gebührenrefundierung von Dr. Michael Paul dokumentiert, katastrophal. Es betrifft nicht nur das Fernsehgeschäft. Wir sprechen auch von einer möglichen  Reduktion des Film-Fernseh-Abkommens. Das bedeutet wiederum, wenn die in der Kinomitteilung prognostizierte Förderquote zur Anwendung kommt, wird es eine Finanzierung in der Form, wie wir sie in Österreich bisher gehandhabt haben, nicht mehr geben. Die Qualität der Mittel mit der sich ein Sender an einem österreichischen Kinofilm beteiligt, wird damit aufgewertet und wenn sich diese Mittel reduzieren ist das entsprechend dramatisch. Sollte es zu einer Kürzung des Film-Fernseh-Abkommens kommen, dann haben wir ein echtes Problem.

Das klingt alles nicht sehr rosig. Sollte es nicht dennoch angesichts der Vielzahl an Projekten, an denen die Lotus-Film zur Zeit arbeitet, Grund zum Optimismus geben?
Tommy Pridnig: Dieser aktuelle Stand der Dinge ist antizyklisch. Ich muss da etwas weiter ausholen. Als Peter Wirthensohn und ich die Firma 2010 von Erich Lackner übernommen haben, haben wir bewusst unseren Fokus aufs Fernsehen gerichtet und dazu auch sehr viel investiert. Wir wollten im fiktionalen Bereich in Zukunft sowohl Fernsehen als auch Kino machen. An den Projekten, die wir zur Zeit umsetzen, lässt sich messen, dass beides funktioniert. Unser Produktionsvolumen von 2013 ist das Produkt der akribischen Arbeit von 2011 und 2012, wo wir diese Projekte entwickelt und finanziert haben, und nun sind wir glücklicherweise auch in der Lage sie umzusetzen. Wir sind erstmals in der positiven Situation, dass wir bereits an 2014/15 arbeiten können, weil unser Volumen für 2013 sichergestellt ist. In der Vergangenheit war es umgekehrt, weil wir oft bis im Sommer gar nicht wussten, wie wir das laufende Jahr über die Runden bringen. 2013 ist das erste Jahr, wo das anders ist und unsere Strategie gegriffen hat.

Peter Wirthensohn: In den letzten Jahren war es öfters so, dass wir mit der kurzfristigen Sicherstellung des Produktionsvolumens und der anschließend schnellen Umsetzung so beschäftigt waren, dass wir die Entwicklung neuer Projekte und die Strategieüberlegungen für die Zukunft vernachlässigt haben. Auch dieses Jahr ist ein volles Jahr, dennoch war und ist es unser Ziel, von dieser Kurzfristigkeit wegzukommen und längerfristig zu planen.
Die Planungssicherheit für einen Kinofilm ist in den letzten Jahren viel schwieriger geworden und zudem haben sich die benötigten Zeiträume für Entwicklung und Finanzierung, speziell bei internationalen Koproduktionen, massiv verlängert.

Erich Lackner, der Gründer der Lotus-Film, hat sich aus dem Produktionsgeschäft zurückgezogen. Wie hat sich diese Übergabe vollzogen?
Tommy Pridnig: Die Überlegungen gingen dahin, die Firmenstrategie den aktuellen Produktionsbedingungen, mit denen wir hier konfrontiert sind, anzupassen. Erich Lackners Geschichte war sehr stark mit dem Arthouse-Film verbunden. Er hat für viele internationale Erfolge den Weg bereitet, ich denke an Barbara Alberts Nordrand in Venedig oder Michael Glawoggers Slumming in Berlin oder Ulrich Seidl erste Filmerfolge – Erfolge, die zum damaligen Zeitpunkt im österreichischen Film nicht üblich waren. Michael Glawogger, Ulrich Seidl, Barbara Albert sind Filmemacher, die in Erich Lackners „Stall“ groß geworden sind.
Wir versuchen, dieses Modell aufrecht zu erhalten, weil es unserer filmischen Sozialisierung entspricht. Dazu haben wir uns aber eine Perspektive schaffen müssen, die Firma wirtschaftlich aufrecht zu erhalten. Andere Werte als finanzielle zu schaffen, muss man sich leisten können. Mitunter kann man das, wenn man als Firma breiter aufgestellt ist.

Der aktuelle Fächer eurer Projekte spannt sich zwischen zwei Extremen:  eine internationale Kinderfilmproduktion Gespensterjäger - Auf eisiger Spur, zwei TV-Filme mit Thomas Roth und Michael Glawogger, zwei Kinoproduktionen mit zwei jungen Filmemacherinnen bis zu Untitled von Michael Glawogger, eine quasi Carte Blanche für den Regisseur. Seht ihr in dieser größtmöglichen Diversität die Lösung, um als Produktionsfirma funktionieren zu können?
Peter Wirthensohn: Es kommt ja nicht von ungefähr, dass wir die Lotus-Film übernommen haben und dass wir beide auch früher immer wieder für diese Firma gearbeitet haben. Uns ist aber wichtig, breiter aufgestellt zu sein, um unseren Spielraum zu vergrößern.
Die Frequenz, mit der Erich Lackner Arthouse-Filme produziert hat, lässt sich heute nicht mehr aufrechterhalten. Das bedeutet, dass wir auch Kinofilme machen werden, die eine Perspektive auf ein großes Publikum bieten, ohne dabei zu vergessen, wo wir herkommen. Mit Arthouse-Filmen sind wir aufgewachsen und filmisch sozialisiert worden.  Sie werden in diesem Unternehmen immer Platz und Raum finden.

Tommy Pridnig: Wir versuchen einen Spagat, der sich an zwei Projekten ganz gut illustrieren lässt: Im vergangenen Jahr produzierten wir Die kleine Lady, eine internationale Koproduktion fürs Fernsehen, bei der wir 50% der Finanzierung beigesteuert haben. Besetzt war der Film  mit Publikumslieblingen wie Veronika Ferres und Christiane Hörbiger. Auf der anderen Seite entwickelten wir mit Michael Glawogger das Kinoprojekt Untitled, wo weder Titel noch Inhalt feststehen und haben dafür eine breite internationale Finanzierung aufgestellt. Wir bearbeiten gerade beide Pole und schauen, wohin das führt. Das wird nicht immer so funktionieren, das ist uns klar, dennoch rechtfertigt sich diese Breite durch die wirtschaftliche Situation, mit der österreichische Filmproduzenten konfrontiert sind. Mit Die kleine Lady haben wir innerhalb einer Woche 15 Mio. Zuschauer erreicht (mit Ausstrahlungen auf ORF, ZDF, SF und RAI), Michael Glawogger wird in den üblichen internationalen Nischen funktionieren. Was ich betonen möchte – die Lotus-Film hat eine sehr große Kompetenz in der internationalen Koproduktion und zwar sowohl für Kino als auch für Fernsehen. Wir halten das für das zukunftsträchtigste Modell angesichts der Überschaubarkeit des österreichischen Marktes, auch wenn sich das im Moment im aktuellen Zeitgeist nicht widerspiegelt, weil die österreichische Kinoförderung vor der Streichung der ORF-Gebühren-Refundierung antizyklisch funktioniert hat und zurecht mit mehr Mitteln ausgestattet wurde. Aufgrund der internationalen Erfolge österreichischer Filme besteht die Möglichkeit, internationale Mittel in österreichische Filme zu bringen und das sollte auch genutzt werden. Wir erachten es als ganz wichtig, dass die Kompetenz für Koproduktionen erhalten bleiben muss, weil sich die Zeiten wieder ändern können und werden. Zudem wird Film grundsätzlich immer teurer. Die österreichischen Produzenten haben gemeinsam mit den Kreativen einen unglaublich guten Ruf im Ausland. Es ist möglich auch aus unserem kleinen Land heraus große Koproduktions-Etats für österreichische Filme aufzustellen.

Michael Glawogger ist das berühmteste „Pferd“ im Stall der Lotus-Film. Ihr entwickelt jetzt mit jungen Regisseurinnen wir Barbara Eder und Barbara Caspar Projekte. Ist es euch ein Anliegen,  dass auch andere Namen mit eurem Haus verbunden werden und ihr eine Karriere begleitet?
Tommy Pridnig: Ich denke, jeder Produzent hat Interesse daran, einen längeren Weg mit einem Regisseur oder einer Regisseurin zu gehen. Da gibt es in Österreich mehrere Beispiele dafür, das herausragendste ist gewiss die Wega-Film mit Michael Haneke, das sich mehr als bezahlt gemacht hat. Die Verwertung der Filme von Michael Glawogger zum Beispiel erfolgt eben nicht nur über die erste Verwertungsperiode sondern über viele Jahre in denen offenbar wird, dass sich die oft genannte „Nachhaltigkeit“ von Filmen auch wirtschaftlich auszahlt. Es geht dabei um Kontinuität. Wir haben in Österreich viele junge Filmschaffende, die mit ihrem ersten oder zweiten Film Erfolge haben, die vor fünfzehn Jahren undenkbar waren. Damit müssen wir auch umgehen. Manchmal funktioniert ein Film gut, manchmal weniger. Wenn man mit dem ersten Film international erfolgreich ist und dem zweiten nicht, dann schiebt schon der nächste Regisseur von hinten nach. Zum einen ist das ein eindrucksvolles Zeichen einer lebendigen Branche, zum anderen trägt man als Produzent die Verantwortung den kreativen Regisseuren und Autoren auch die Grundlage zu liefern langfristig und gemeinsam zu wachsen. Wir glauben daran, dass sich der Erfolg über eine lange Zeit einstellt und eben nicht nur über einen einzelnen Film.

Mit Michael Glawogger entwickelt ihr zu Zeit ja zwei völlig konträre Projekte, neben dem ungewissen Untitled auch eine Fernseharbeit Die Frau mit einem Schuh.
Peter Wirthensohn: Es spricht für Michael Glawogger, dass er immer wieder etwas Neues ausprobiert und nicht wie andere Regisseure immer den gleichen Film in Variationen macht. Genau genommen arbeiten wir an drei Sachen mit ihm. Untitled fürs Kino, Die Frau mit einem Schuh gemeinsam mit dem ORF fürs Fernsehen und als Drittes an der Mini-Serie Kathedralen der Kultur, wo er einen von sechs Teilen umsetzen wird. Die anderen fünf werden von Robert Redford, Wim Wenders, James Marsh, Michael Madsen und Karim Ainouz realisiert. Es ist eine 3D-Serie über besondere Bauwerke. Michael Glawogger hat sich dafür die Nationalbibliothek in St. Petersburg ausgesucht.

Tommy Pridnig: Das Projekt Untitled resultierte daraus, dass Michael in seiner gesamten Karriere mit einer Idee und einem Thema losgefahren ist. Auf diesen Reisen sind ihm unglaublich viele Geschichten begegnet, denen er nicht nachgehen konnte, weil er wegen eines anderen Themas unterwegs war. Dieses Projekt dreht nun den Spieß um. Eine Weltreise von einem Jahr. Es steht eine mögliche Route fest, die sich auch den Umständen entsprechend ändern kann. Es geht darum, möglichst frei und unbelastet in die Geschichte zu gehen, um zu sehen, was diese Welt in diesem Jahr Michael Glawogger erzählt. Es gibt es ein Auto, keine Reisen mit dem Flugzeug, ein kleines Kernteam, ein Backoffice, das alle Grenzübertritte, Bedingungen und Bedürfnisse im Vorfeld klärt und versucht die Reise zu ermöglichen. Glawogger wird nach einem Jahr wieder nach Österreich zurückkehren.

Thomas Roth ist ebenfalls ein Regisseur, zu dem schon länger eine Verbindung besteht
Peter Wirthensohn: Thomas Roth ist ein sehr arrivierter Regisseur, der in den letzten Jahren vor allem in Deutschland gearbeitet hat. Wir haben versucht, ihn wieder stärker mit Österreich in Verbindung zu bringen. Zunächst mit dem Kinofilm Brand und aktuell arbeiten wir mit ihm an dem Fernseh-Thriller Blutsschwestern. Der Stoff beruht auf dem Roman Warten auf Poirot von Nora Miedler. Es ist die Geschichte von fünf Schulfreundinnen, die nach fünfzehn Jahren zum Wiedersehen ein gemeinsames Wochenende auf einer Hütte verbringen. Dabei brechen die alten Geschichten auf. Ein Fernsehtriller für die Primetime.

Ihr entwickelt zwei weitere Kinoprojekte mit zwei jungen Filmemacherinnen Barbara Eder und Barbara Caspar?
Tommy Pridnig: Es ist wohl Zufall, dass es zwei Frauen sind. Mit Barbara Eder gibt es eine lange Verbindung. Auf der Filmakademie habe ich mit ihr meinen Diplomfilm gedreht. Wir haben uns nach langer Zeit bei der Premiere von Inside America wieder getroffen und die Idee geboren, etwas gemeinsam zu machen. Zunächst war Barbaras Idee als Dokumentarfilm geplant, irgendwann stellten aber wir fest, dass die Geschichte so dicht ist, dass sie sich besser fiktional als dokumentarisch erzählen lässt. Das Projekt ist finanziert und wir planen es weitestgehend in Kabul / Afghanistan umzusetzen.

Peter Wirthensohn: Das Projekt ging als Dokumentarfilm in die Entwicklung, aber irgendwann empfanden wir, dass sich in einem fiktionalen Zugang viel mehr Möglichkeiten auftun. Inside America war ja auch schon ein Projekt an der Grenze Fiktion/Dokumentation und da wollten wir ansetzen. Es gibt drei Episoden, die sie sehr stark miteinander verwoben sind. Die Idee mit Afghanistan geht darauf zurück, dass wir glauben, dass es Barbara sehr entgegenkommt, in einem möglichst authentischen Umfeld zu arbeiten. Zur Zeit klären wir ab, was in Kabul wirklich machbar ist.

Interview: Karin Schiefer
Juni 2013

 

Mit Barbara Caspar bereitet ihr einen mit Animation kombinierten Dokumentarfilm vor. Ein im österreichischen Kino selten zu sehender Ansatz?
Tommy Pridnig: Inzwischen wissen wir auch warum. Es ist sehr kompliziert und wir arbeiten mittlerweile schon sehr lange an diesem Projekt. Es war sehr ambitioniert, diesen Animationsteil für den Dokumentarfilm durchzuführen. Wir sind nun in einer Phase, wo man einen Eindruck von der Geschichte und der Form bekommt und sind guter Dinge. Projekt: Superwoman ist eine tolle Geschichte und die Animation ein ideales Mittel, sie zu erzählen. Es geht um eine Mutter und die Beziehung zu ihrer Tochter, anfangs des vergangenen Jahrhunderts. Das Ganze basiert auf einer wahren Geschichte. Der Animationsteil ist fiktional, dazwischen sind dokumentarische Elemente eingeflochten, die wichtig sind, um einen aktuellen Bezug, eine Verbindung zu heute, herzustellen.

Wie groß bzw. wie klein ist die Struktur der „neuen“ Lotus-Film?
Tommy Pridnig: Wir sind grundsätzlich beide für alles verantwortlich. Wir sitzen einander gegenüber. Von unseren Eigenschaften her gibt es eine natürliche und klare Aufgabentrennung, ohne Kämpfe um Zuständigkeiten. Das ist der Schlüssel zur positiven Zusammenarbeit. Wir haben verschiedene Interessen, die insgesamt die Bedürfnisse der Produktion abdecken und sich ideal aufteilen.

Bei wem liegen welche Schwerpunkte?
Tommy Pridnig: Erich Lackner hat noch den Satz geprägt: Es gibt den Innen- und den Außenminister. Peter ist der Innenminister und ist für die Strukturen, Verträge, die Abwicklung und die Ausführung zuständig, ich bin der, der mehr nach außen tritt und repräsentiert, bei mir liegen vermehrt Akquise und Entwicklung.

Peter Wirthensohn: Es ist in der Tat so, dass wir uns da sehr gut und organisch ergänzen. Jeder kann das Schwergewicht auf Arbeiten legen, die ihm mehr entsprechen.

Heißt das, dass die Lotus-Film en gros auf euch beiden basiert? Auch in der Stoffentwicklung?
Tommy Pridnig: Ja. Das wirft auch die Frage auf, wie groß man als Filmproduktion wird. In gewissen Momenten stellt sich die Frage nach Expansion. Investiert man? Ich ordne die Lotus-Film als mittelständischen Produktionsbetrieb ein, der wie viele Wirtschaftsbetriebe in Europa zunehmend unter die Räder kommt. Es bewegt sich alles auf zwei Modelle zu – zum einen auf den industrialisierten Großbetrieb und zum anderen auf den kleinen, unabhängigen Produzenten, der aufgrund seiner geringen Fixkosten flexibel sein kann. Der Mittelstand ist stark gefährdet und steht vor der Frage – wie groß werde ich oder auf wie klein lasse ich mich zurückfallen? Das ist ein Problem, auch für uns, die wir in einem geförderten System agieren können. Die mittlere Größe, die auch eine gewisse Überschaubarkeit garantiert und trotzdem sehr viel abdeckt, wird zunehmend schwieriger. Die Zahl der Filmproduktionen nimmt zu, es werden mehr Projekte eingereicht, andererseits ist ein großer Wettbewerb entstanden, der gegen die Kontinuität spricht, der die Verantwortung einer Kommission auf die Frage lenkt – Wem halten wir die Stange? Nicht nur welcher Produktionsfirma, auch welchem Regisseur? Wie weit muss der Erfolg abbildbar sein, um gute Karten für die nächste Einreichung zu haben? Wie gut ist das Buch das vorgelegt wurde und wie weit bildet der Regisseur  und das kreative Team einen Mehrwert für die Produktion im Hinblick auf alle Kriterien einer Entscheidung die in einem Antrag bestenfalls behauptet werden können. Der Wind ist definitiv rauer geworden.

Kann man mit Projekten wie Die kleine Lady oder Die Vermessung der Welt (inklusive DVD-Verwertung) gutes Geld verdienen?
Tommy Pridnig: Ja, absolut. Dass das möglich ist, wissen wir seit eineinhalb Jahren. Das ist eine positive Entwicklung. Unser Geschäftsmodell geht dahin, dass wir für unsere federführenden Projekte mit österreichischen Filmemachern internationale Partner finden, umgekehrt haben wir die Verpflichtung, uns international zu beteiligen. Das versuchen wir mit Projekten, die trotz allem einen österreichischen Anteil abbilden, ob der mal stärker kreativ oder stärker wirtschaftlich ist, ist unterschiedlich. Was mit Die Vermessung der Welt begonnen hat und mit Gespensterjäger - Auf eisiger Spur weitergeht, ist eine klassische internationale Kino-Großproduktion. Da sind Verleiher an Bord wie die Warner Bros., mit substanziellem Private-Equitiy-Anteil. Da sieht man sich Partnern ausgesetzt, die eine gewisse Schlagkraft haben, die sie auch benutzen und da gilt es, als unabhängiger Produzent seine Rechte, die man durch den eingebrachten Anteil erwirbt, durchzusetzen. Man kann und muss sich behaupten. Man kann sich allerdings nur behaupten, wenn man weiß, worum es geht. Das ist bei gewissen Finanzierungsstrukturen etwas unübersichtlich und es gilt immer wieder die Nerven zu bewahren. Internationale Koproduktionen brauchen einen langen Atem und man muss die Kapazität haben, Projekte in einer Größenordnung von 5 bis 10 Mio. Euro gemeinsam mit den Partnern bis zum letzten Drehtag vorzufinanzieren, weil sich die Bedingungen und die unterschiedlichen Vertragsgestaltungen oft als so kompliziert erweisen, dass die Unterschrift erst erfolgt, wenn alles geklärt ist und manchmal ist da der letzte Drehtag schon ins Land gezogen und der größte Teil der Kosten bereits angefallen.

Braucht man heute bessere Nerven, wenn man eine internationale Koproduktion auf die Beine stellen will?
Peter Wirthensohn: Man braucht starke Nerven und natürlich auch viel Erfahrung. Wir suchen uns die Partner sorgfältig aus, weil es ja immer auch um sehr viel Vertrauen geht. Aber 100 % Sicherheit gibt es nie. Dass alle Verträge zu Drehbeginn geschlossen sind, dass die Zahlungen und Raten regelmäßig und wie geplant eintreffen, das tritt inzwischen in den wenigsten Fällen ein. Bei Die kleine Lady haben wir am letzten Drehtag die Finanzierung geschlossen, bei Die Vermessung der Welt wurde die Finanzierung dreimal aufgestockt, und der Verleih und die Vertriebe ausgetauscht. Speziell bei hohen Finanzierungen ist das alles sehr aufwendig geworden.

Hat die Lotus-Film abgesehen von diesem sehr klaren wirtschaftlichen Konzept der Vielfalt auch ihr inhaltliches Profil definiert? Gibt es gewisse Themen, Geschichten, Formen, die ihr gerne mit dem Label Lotus-Film in Verbindung bringt, die bei euch den sensiblen Nerv treffen?
Tommy Pridnig: Ich glaube nicht, dass es eine prinzipielle thematische Neigung geben kann. Grundsätzlich treffen alle Projekte, die uns packen und die wir als relevant erachten, den Nerv der Lotus-Film. Der Grund, dass sie unser Interesse erwecken, kann sehr vielfältig sein. Wir versuchen zum einen Projekte zu ermöglichen, die eine Herausforderung darstellen. Projekte, bei denen man auf den ersten Blick der Marktanalyse nicht wissen kann, ob sie funktionieren oder nicht. Da geht es um andere Fragen – um den Geist und die Idee, darum etwas zu machen, was neu, anders und vielleicht innovativ ist. Auf der anderen Seite geht es darum, das betrifft in erster Linie das Fernsehen, professionell Stoffe zu entwickeln, die auf ein konkretes Publikum abzielen und sich an Einschaltquoten messen lassen müssen. Das sind verschiedene Philosophien, das unter einen Hut zu bringen, ist eine Forderung des Zeitgeistes. Zwischen beiden Polen gibt es eine Wechselwirkung, wir taumeln zur Zeit von einem Extrem ins andere, aber das ist sehr spannend. Es funktioniert. Möglicherweise wird es sich wieder ändern. Dann muss man wieder nachschärfen und den Fokus wieder neu setzen. Zur Zeit empfinden wir das als eine Bereicherung, es trägt an vielen Ecken und Enden dazu bei, das Wissen in beiden Ebenen zu nutzen. Dafür gibt es kein Rezept. Unsere erste Herausforderung war, wirtschaftlich zu funktionieren und gleichzeitig nicht aus dem Auge zu verlieren, dass wir uns immer weiterentwickeln wollen. Manchmal ist das ein Widerspruch, manchmal ist das eine Synergie. Aber spannend ist es immer!

Interview: Karin Schiefer
Juni 2013