INTERVIEW

Produzent Heinrich Ambrosch über WHERE I BELONG

 

Integration ist in Österreich ein aktuell viel diskutiertes Thema. Österreich wird dabei immer gerne als Zuwanderungsland gesehen und es wird völlig außer Acht gelassen, dass es nicht allzu lange her ist, dass Österreicher aus politischen Gründen auf der Flucht waren und sich ein neues Zuhause suchen und sich integrieren mussten. Heinrich Ambrosch, Produzent von WHERE I BELONG, im Gespräch.


In dem Moment, wo wir sprechen, wird wahrscheinlich gerade irgendwo in England eine Szene aus WHERE I BELONG gedreht. Wie ist der aktuelle Stand der Dreharbeiten?
Heinrich Ambrosch: Ja, der zweite Drehblock hat am 14. Oktober begonnen und wird etwas mehr als zwei Wochen dauern. Gedreht wird an verschiedenen Plätzen in London und Greater London.

Fritz Urschitz ist ein junger Regisseur, der an seinem ersten Spielfilm arbeitet und er hat, was eher selten der Fall ist, dafür einen historischen Stoff gewählt. Was hat Ihnen am Stoff gefallen, damit Sie sich als Produzent auf das Abenteuer historischer Stoff kombiniert mit einem Regiedebüt einlässt?
Heinrich Ambrosch: Das Projekt war sehr weit entwickelt und von der professionellen Seite her fand ich es spannend, eine Produktion zu machen, wo man englisch- und deutschsprachige Schauspieler zusammenbringen kann und beiden ihre Sprache lässt. Da wir von Menschen der ersten und zweiten Generation erzählen, brauchen wir deutschsprachige Schauspieler und solche, die Englisch mit deutschem Akzent sprechen und wir konnten dennoch Rosemarie mit einer sehr guten englischen Schauspielerin, Natalie Press, besetzen. Was mich als Produzent besonders interessiert, ist dass dieses Projekt mir ermöglicht, nicht nur Schauspieler, sondern auch Märkte zusammenzubringen, was normalerweise nicht möglich ist.
Darüber hinaus sprach mich der inhaltliche Aspekt sehr stark an ? es handelt sich um eine Erzählung von der Emigration eines Österreichers nach England, der auf der Flucht vor den Nazis dazu gezwungen war, dort ein neues Leben zu beginnen. Integration ist in Österreich ein aktuell viel diskutiertes Thema. Österreich wird dabei immer gerne als Zuwanderungsland gesehen und es wird völlig außer Acht gelassen, dass es nicht allzu lange her ist, dass Österreicher aus politischen Gründen auf der Flucht waren und sich ein neues Zuhause suchen und sich integrieren mussten. Dazu kommt meine persönliche Geschichte, dass ich mütterlicherseits jüdische Vorfahren habe und meinem Großonkel genau dieses Schicksal widerfahren ist. Er ist über 90 und lebt in London. Er hat in den Internierungslagern seine Frau Erika, eine geflüchtete Österreicherin, kennengelernt. Er war in einem dieser Enemy Aliens-Lagern, von denen im Film die Rede ist, in denen die deutschsprachigen Flüchtlinge zwischen 1940 und 45 festgehalten wurden, interniert. Friedrich Koschitz, Rosemaries Vater im Film, war auf dem Lager der Isle of Man festgehalten, mein Großonkel war bis nach Australien verschifft worden. Ich kenne daher aus einem persönlichen Kontext dieses Exilanten-Schicksal: Ein Teil meiner Familie ist nach Österreich wieder auf Besuch gekommen, aber deren Kinder sind in England aufgewachsen und haben sich dort zuhause gefühlt. So sah ich einen Teil meiner Geschichte in dieser Filmgeschichte widergespiegelt.
Fritz Urschitz’ Projekt war zum Zeitpunkt, als er mit mir in Kontakt trat, schon sehr ausgereift und in der Vorbereitung sahen wir, dass das Projekt, obwohl es sich um einen historischen Stoff handelt, mit relativ kleinen Mitteln zu machen war.

Was hat es für die Produktionsfirma bedeutet, den Look der fünfziger Jahre herzustellen?
Heinrich Ambrosch: London in den fünfziger Jahren heute on location zu drehen ist heute praktisch unmöglich. Insofern ist ein Studiodreh billiger. Man müsste ansonsten eine Wohnung nehmen, diese komplett umbauen und dann wieder in den aktuellen Stand zurückbauen. Es ist im Studio leichter herzustellen, billig ist es natürlich auch nicht. Wir haben hier alles bauen lassen und für das Finishing der Sets mussten wir Sachen aus England kommen lassen. Das beginnt bei den Fenstern, die in den fünfziger Jahren in England ganz anders ausschauten als hier. Es kamen also viele Requisiten aus England. Wir machten den Konstruktionsaufbau mit Österreichern und dann kam eine englische Crew, die das Ageing erledigte. Sie haben dafür gesorgt hat, dass die Tapeten braun sind und Schimmelflecken hatten. Die wussten, wie Wohnungen dort ausschauen, bis hin zu den Leitungen, die unter Teppichen verlegt wurden. Das sind Dinge, die man in Österreich nicht gemacht hat, weil die Bodenkonstruktionen andere waren. Da braucht man dann Engländer, damit man das perfekt und authentisch hinkriegt.

Fritz Urschitz hat sich mit sehr viel Engagement auch bei der Suche der Locations und der Ausstattungsdetails beteiligt.
Heinrich Ambrosch: Absolut. Fritz ist wirklich ein Freak. Er ist ein sehr guter Vorbereiter, das hat mich überzeugt, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er hat eine gute Mischung aus Vision und Kalkül im Sinne einer Vorbereitung, die es ermöglicht, im Rahmen eines sehr kleinen Budgets, das ganze zu realisieren.

Von welcher Budgetgröße reden wir?
Heinrich Ambrosch: Wir sprechen von € 1,9 Mio. Für einen historischen Film ist 1,9 gar nichts, für ein Regiedebüt hingegen ist es relativ hoch. Der Einwand ist legitim, dass manche sagen, es müsste kein historischer Film sein und hätte Fritz Urschitz nicht in London studiert und so lange dort gelebt, dann hätten ihm die Förderer das Projekt nicht zugetraut und auch nicht finanziert. So war es ein sehr originäres Projekt. Manchmal kommt einfach ein Projekt daher, für das andere Regeln gelten. Normalerweise würde ich jedem davon abraten, mit einem historischen Film zu beginnen. Manchmal tun sich aufgrund der besonderen Qualität eines Projekts Fenster auf und überzeugen auch die Förderer und etwas wird möglich. Bei Where I Belong hatte ich in vielerlei Hinsicht einfach ein gutes Gefühl, weil es für einen Erstling auch sehr gute Vertriebsmöglichkeiten verspricht. Wir haben mit Artificial Eye einen Verleiher, der den Vertrieb in UK und Irland übernehmen wird.

Wie wird der zweisprachige Dreh in der endgültigen Fassung gelöst werden?
Heinrich Ambrosch: Es muss auf alle Fälle eine deutsche Sprachfassung geben, da wird auch synchronisiert werden. Es wird aber auch eine Originalfassung geben, in der die Österreicher ? Johannes Krisch, Mathias Habich ? in ihrer eigenen Sprache Englisch sprechen, weil der Akzent ja nicht störend ist. Die deutsch synchronisierte Fassung brauchen wir alleine dafür, damit es im ORF ausgestrahlt werden kann. Die deutschsprachigen Schauspieler können sich selber synchronisieren, Natalie Press wird man synchronisieren müssen. Natürlich geht da eine Nuance verloren, da die zweite Generation im Gegensatz zur ersten akzentfrei die andere Sprache spricht.

Worin sehen Sie die Stärke der Schauspieler?
Heinrich Ambrosch: Ich finde, es treffen zwei ausgezeichnete Schauspieler und zwei sehr spannende Rollen zusammen. Johannes Krisch spielt jemanden, der sich sehr gut integriert hat in dieser neuen Welt, der aber auch eine gewisse Sehnsucht nach einer Jugend hat, die ihm gestohlen wurde. Natalie Press spielt eine junge Frau, die ein ganz normales Leben eines jungen Mädchens im England der fünfziger Jahre leben wollte, die Musik, die aus den USA hören will und gleichzeitig von ihrem Vater, um den sie sich kümmern muss, festgehalten wird. Zu Hause muss sie ein braves österreichisches Mädchen sein und kann, wenn sie ausgeht nur mit schlechtem Gewissen zu Jive und Boogie tanzen. Da liegt eine klassische Coming-of-Age-Geschichte drinnen und das setzt sie hervorragend um.

Wie würden Sie nun nach Abschluss des ersten Drehblocks Fritz Urschitz als Regisseur beschreiben?
Heinrich Ambrosch: Er ist sehr genau, er bereitete sehr genau vor und lässt dann den Schauspielern im Rahmen des Set-ups den Schauspielern sehr viel Freiraum, damit sie ausprobieren können. Der Rahmen, in dem sie sich bewegen können, ist allerdings sehr klar abgesteckt. Darin liegt seine große Qualität.

Auf welche Art von Kino freuen Sie sich?
Heinrich Ambrosch: Ich würde sagen auf eine dramatische Liebesgeschichte und eine Coming-of-Age-Geschichte, wenn ich das Genre definieren müsste. Vom Erzählstil her würde ich es als eine sehr klassische, auf die Charaktere konzentrierte Erzählweise beschreiben. Ein Stil, der die Charaktere in den Vordergrund stellt, sehr schöne Bilder, die immer der Geschichte untergeordnet sind.

Interview: Karin Schiefer
September 2011